20.06.2018

Karte des Kleinhirns

Phasenkontrast-Tomograph offenbart detaillierte Anordnung von Millionen Nervenzellen.

Das menschliche Kleinhirn beherbergt auf zehn Prozent des Gehirn­volumens etwa achtzig Prozent aller Nerven­zellen – auf einen Kubik­millimeter können also über eine Million Nerven­zellen entfallen. Diese verarbeiten Signale, welche vor allem erlernte und unbewusste Bewegungs­abläufe steuern. Ihre genauen Positionen und Nachbarschafts­beziehungen sind bislang weit­gehend unbekannt. Forscher der Univer­sität und Universitäts­medizin Göttingen haben nun mit einer besondere Variante der Röntgen­bildgebung etwa 1,8 Millionen Nerven­zellen in der Kleinhirn­rinde dargestellt. Gefördert wurde diese Arbeit durch das Exzellenz­cluster für Mikroskopie im Nanometer­bereich und Molekular­physiologie des Gehirns und den Sonderforschungs­bereich SFB 755 Nanoscale Photonic Imaging.

Abb.: Detaillierte Abbildung der Neuronen im Kleinhirn, aufgenommen mit einem Phasenkontrast-Tomographen. (Bild: Univ. Göttingen)

„Durch Tomo­graphie im Phasen­kontrastmodus und der anschließenden automa­tisierten Bild­bearbeitung können die Zellen in ihrer genauen Lage lokalisiert und dargestellt werden“, erklärt Mareike Töpperwien vom Institut für Röntgen­physik der Univer­sität Göttingen. Gemeinsam mit ihren Kollegen entnahm sie mit einer Biopsie-Nadel zylin­drische Gewebe­proben aus Gewebe­blöcken, um sie in einem speziellen Phasen­kontrast-Tomographen zu vermessen. Konven­tionelle Instrumente haben den Nachteil, dass kleine Strukturen sowie Gewebe geringer Dichte – wie bei Nerven­zellen – wenig bis keinen Kontrast geben und daher nicht abgebildet werden können.

Die inno­vative Methode der Göttinger setzt hingegen nicht auf die Absorption der Röntgen­strahlung, sondern auf die veränderte Ausbreitungs­geschwindigkeit der Röntgen­strahlung. Die dadurch entstehenden Laufzeit­unterschiede werden durch Strahl­ausbreitung auf einer Freiflug­strecke zwischen Objekt und Detektor indirekt sichtbar. Um scharfe Abbildungen zu erhalten, bearbeiten die Wissen­schaftler die Aufnahmen noch durch Algorithmen. Sie können dann die drei­dimensionale Elektronen­dichte des Gewebes aus der gesamten tomo­graphischen Bildreihe rekon­struieren.

„Mit dieser Methode wollen wir in Zukunft auch patho­logische Verän­derungen, wie sie zum Beispiel bei neurode­generativen Erkrankungen auftreten, drei­dimensional darstellen, zum Beispiel Verän­derungen des Nerven­gewebes bei Krankheiten wie der Multiplen Sklerose“, erklärt Christine Stadelmann-Nessler, Neuro­pathologin der Universitäts­medizin Göttingen. Durch Kombi­nation von Aufnahmen unter­schiedlicher Ver­größerungen erhielt das Göttinger Team eine Kartierung des Kleinhirns über viele Größen­ordnungen. „In Zukunft möchten wir noch weiter in interes­sante Hirn­regionen reinzoomen können, fast so wie bei Google Maps“, sagt Salditt.

GAU / JOL

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