07.12.2005

Katalysator für den Kaltstart

Materialforscher haben neue Erkenntnisse über die Reaktionsabläufe in Fahrzeug-Katalysatoren gewonnen.


Katalysator für den Kaltstart

Freiburg - Gemeinsam haben deutsche und finnische Materialforscher neue Erkenntnisse über die Reaktionsabläufe in Fahrzeug-Katalysatoren gewonnen. Werden sie beachtet, dann ist der Schadstoffabbau künftig auch auf den ersten Kilometern mit kaltem Motor und kaltem Kat möglich. Die Details wurden am 5. Dezember in der Online-Ausgabe der Zeitschrift „Nature Materials“ veröffentlicht.

Das Ergebnis kommt zunächst ganz unscheinbar daher: Mitarbeiter des Fraunhofer-Instituts für Werkstoffmechanik IWM und des Materialforschungszentrum der Universität Freiburg berechnen und erklären zusammen mit Kollegen der finnischen Universität Jyväskylä, die katalytischen Eigenschaften von Palladium-Nanopartikeln auf einer keramischen Oberfläche und entdecken dabei einen neuartigen Katalysemechanismus. Bei genauerem Hinsehen haben diese Resultate jedoch weit reichende Konsequenzen für die Luftreinhaltung. Die Forschergruppe um Michael Moseler fand nämlich, dass besonders kleine Palladiumpartikel schon bei tiefen Temperaturen Sauerstoffmoleküle (O 2) aus der Umgebung zu atomarem Sauerstoff aufbrechen und in ihrem Innern speichern. Das dabei entstandene Palladium-Nanooxid zieht Kohlenmonoxid (CO) aus der Umgebung an, setzt gleichzeitig den atomaren Sauerstoff wieder frei und verbrennt dabei das giftige CO zu unschädlichem Kohlendioxid. Hinter dieser Entdeckung und der ihr zugrunde liegenden Modellierung der „Oxidation magnesiumgeträgerter Palladium-Cluster“ verbergen sich intensive Forschungsarbeit und wertvolle Erkenntnisse für Katalysatorenhersteller der Fahrzeugindustrie.

Abb.: Ladungsverteilung eines nanooxidierten Palladiumclusters. Die blauen Bereiche befinden sich an den Orten der Palladium-Atome und repräsentieren Ladungsunterschuss. Die gelben Bereiche bedecken die Sauerstoffatome und stellen Ladungsanhäufung dar. Das Nanooxid ist ein wichtiger Zwischenzustand für die Verbrennung von CO zu CO 2. (Quelle: Fraunhofer IWM)

Es geht um die katalytischen Eigenschaften von Übergangsmetallen, und im Besonderen von Palladium. Dieses kostbare Metall sitzt in den Keramikwaben der heutigen Autokatalysatoren. Dort beschleunigt es die entscheidenden Reaktionen, die zur Luftreinhaltung erforderlich sind. So sorgt es unter anderem dafür, dass Kohlenmonoxid in das für die Atemluft unschädliche Kohlendioxid oxidiert wird, oder dass „saures“ Stickstoffmonoxid mit Kohlenmonoxid zu Stickstoff und Kohlendioxid reagiert. Doch obwohl Autokatalysatoren mittlerweile seit 20 Jahren eingesetzt werden, „ist ihre genaue Funktionsweise immer noch unverstanden“, erläutert Michael Moseler, Mitarbeiter am Fraunhofer IWM Freiburg und am Materialforschungszentrum der Universität.

Einige zehn Nanometer sind die Partikel in den gängigen Kats groß. Diese sind riesig im Vergleich zu den atomaren Clustern, die Moseler und seine Kollegen untersuchen. Die Frage, so Moseler, war zunächst: „Wie und wo reagiert der Sauerstoff mit dem Kohlenmonoxid, und wie kann man diese Reaktion beschleunigen?“ Die Antwort darauf wurde aber nicht durch Experimente, sondern mit Hilfe des Superrechners im John von Neumann-Institut für Computing in Jülich gefunden. Bei der quantenmechanischen Berechnung von neun Palladium-Atomen auf einem Keramikträger zeigte sich, dass die Sauerstoffatome schon bei sehr niedrigen Temperaturen – circa minus 20 Grad Celsius – angelagert wurden, um anschließend bei ähnlich tiefen Temperaturen mit dem Kohlenmonoxid zu reagieren.

Anders gesagt: Die Oxidation des Kohlenmonoxids, ist auch bei kaltem Motor, kaltem Kat und niedrigen Außentemperaturen kein Problem – „wenn die Keramik mit ultrafeinen Nanopartikeln beschichtet ist“, betont Michael Moseler. Denn nur die kleinen Partikel mit wenigen Atomen reagieren so schnell. „Größere Palladiuminseln katalysieren erst von 100 Grad Celsius aufwärts“, erläutert Michael Moseler.

Das herauszufinden, hat die Forscher aus Freiburg und dem finnischen Jyväskylä zwei Jahre gekostet. Es galt ein Rechenmodell mit den entscheidenden Parametern zu entwickeln, und „geduldig auf die häppchenweise Zuteilung von 100.000den von Prozessorstunden zu warten“, stöhnt Bernd Huber, Doktorand am Freiburger Materialforschungszentrum und Erstautor der Publikation. Der Aufwand hat sich gelohnt. Experimentelle Untersuchungen von Ulrich Heiz, Professor an der Technischen Universität München, geben den Theoretikern in allen wesentlichen Punkten Recht. Im Gegensatz zu den Experimentatoren haben die Theoretiker um Moseler jedoch Einblick in die grundlegenden atomistischen Prozesse und damit in mögliche neue Konzepte für Katalysatoren.

„Wenn Hersteller von Katalysatoren die Designvorgaben berücksichtigen, die sich aus unserer Arbeit ergeben, dann wird die Luft bald noch sauberer sein“, ist Michael Moseler überzeugt. Im Detail stellen Moseler und seine Kollegen ihre Arbeit, die von der Deutschen Forschungsgemeinschaft unterstützt wird, ab 5. Dezember in der online-Ausgabe und danach in der Januar-Ausgabe 2006 der Zeitschrift „Nature Materials“ vor.

Quelle: Fraunhofer IWM

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