Katalysator-Nanopartikel im Betrieb
Röntgenanalyse zeigt Verhalten von Katalysatormaterialien unter realen Bedingungen.
Mit intensivem Röntgenlicht hat ein DESY-geführtes Forschungsteam ein einzelnes Katalysator-Nanopartikel bei der Arbeit beobachtet. Die Untersuchung zeigt erstmals, wie ein individuelles Nanopartikel unter Reaktionsbedingungen die chemische Zusammensetzung seiner Oberfläche ändert, wodurch es aktiver wird. Das Team um Andreas Stierle hat damit einen wichtigen Schritt zu einem besseren Verständnis realer Katalysatormaterialien gemacht.
In zahlreichen industriellen Prozessen werden heute Katalysatoren eingesetzt, von der Düngemittelherstellung bis zur Plastikproduktion. Katalysatoren haben daher eine immense wirtschaftliche Bedeutung. Ein sehr bekanntes Beispiel ist der Abgaskatalysator im Auto. Dabei handelt es sich um Edelmetalle wie Platin, Rhodium und Palladium, die eine Umwandlung von sehr giftigem Kohlenmonoxid in Kohlendioxid sowie eine Reduzierung schädlicher Stickoxide ermöglichen.
„Trotz ihres breiten Einsatzes und ihrer großen Bedeutung, kennen wir viele wichtige Details der genauen Funktionsweise der verschiedenen Katalysatoren noch nicht“, berichtet Stierle, der das DESY NanoLab leitet. „Es ist daher ein langgehegtes Ziel, reale Katalysatormaterialien im Betrieb zu untersuchen.“ Das ist nicht so einfach, denn um die aktive Oberfläche möglichst groß zu gestalten, werden Katalysatormaterialien meist als winzige Nanopartikel eingesetzt, und die Änderungen, die ihre Aktivität beeinflussen, spielen sich auf ihrer Oberfläche ab.
Das Team aus dem DESY NanoLab hat im Rahmen des EU-Projekts Nanoscience Foundries and Fine Analysis (NFFA), eine Technik entwickelt, mit der sich einzelne Nanopartikel markieren und dadurch in der Probe identifizieren lassen. „Für die Untersuchung haben wir im Labor Nanopartikel aus einer Platin-Rhodium-Mischung, einer Legierung, auf einem Trägermaterial wachsen lassen und ein spezielles Partikel markiert“, berichtet Thomas Keller aus dem DESY-NanoLab. „Das markierte Partikel hat einen Durchmesser von rund 100 Nanometern und ähnelt Partikeln, wie sie im Auto-Katalysator zum Einsatz kommen.“
Mit dem Röntgenlicht der Europäischen Synchrotronstrahlungsquelle ESRF in Grenoble konnte das Team nicht nur ein detailliertes Abbild des Nanopartikels erstellen, sondern auch die mechanische Spannung in seiner Oberfläche vermessen. „Die Oberflächenspannung ist ein Maß für ihre chemische Zusammensetzung aus Platin- und Rhodium-Atomen“, erläutert Philipp Pleßow vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT). Seine Gruppe hat eine Theorie entwickelt, die den Zusammenhang zwischen Oberflächenspannung und chemischer Zusammensetzung für die jeweiligen Facetten des Nanopartikels beschreibt. Wie bei geschliffenen Edelsteinen werden die verschiedenen Oberflächen eines Nanopartikels als Facetten bezeichnet.
Nach dem Wachstum des Nanopartikel befinden sich vor allem Platinatome an der Oberfläche, weil dies energetisch günstiger ist. Die Wissenschaftler untersuchten Form und Oberflächenspannung des Partikels dann unter verschiedenen Bedingungen, darunter auch Betriebsbedingungen wie im Auto-Katalysator. Dazu heizten sie das Partikel auf rund 430 Grad Celsius auf und ließen Kohlenmonoxid- und Sauerstoffmoleküle an ihm vorbei strömen. „Unter diesen Reaktionsbedingungen werden Rhodium-Atome im Inneren des Partikels mobil und wandern an die Oberfläche, weil Rhodium stärker als Platin mit Sauerstoff wechselwirkt“, erläutert Pleßow. Auch das sagt die Theorie korrekt voraus.
„In der Folge ändern sich Oberflächenspannung und Form des Partikels“, berichtet Ivan Vartaniants von DESY, dessen Team die Form- und Oberflächenspannungsmessungen in räumliche Bilder umgewandelt hat. „Es findet eine facettenabhängige Rhodiumanreicherung statt, und es bilden sich mehr Ecken und Kanten.“ Die chemische Zusammensetzung der Oberfläche, Form und Größe der Partikel haben erheblichen Einfluss auf ihre Funktion und Effizienz. Wie dies genau zusammenhängt und auf welche Weise sich die Struktur und Zusammensetzung der Nanopartikel beeinflussen lässt, beginnen Wissenschaftler allerdings erst zu verstehen. Im Röntgenlicht lassen sich noch Spannungsänderungen von 0,1 Promille erkennen, das entspricht in dieser Untersuchung einer Genauigkeit von etwa 0,3 Pikometern.
„Wir können hier erstmals die Details der Strukturänderungen von solchen Katalysator-Nanopartikeln im Betrieb verfolgen“, betont Stierle, leitender Wissenschaftler bei DESY und Professor für Nanowissenschaften an der Universität Hamburg. „Das ist ein großer Fortschritt und hilft uns beim Verständnis einer ganzen Klasse von Reaktionen, bei denen Legierungsnanopartikel eingesetzt werden.“ In dem neuen, von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Sonderforschungsbereich 1441 mit dem Titel „Verfolgung der aktiven Zentren in heterogenen Katalysatoren für die Emissionskontrolle (TrackAct)“ wollen Forscher von KIT und DESY dies nun systematisch erkunden.
„Unsere Untersuchung ist ein wichtiger Schritt zur Analyse realer Katalysatormaterialien“, betont Stierle. Bislang züchtet man für solche Untersuchungen Modellsysteme im Labor. „Wir sind bei dieser Untersuchung an die Grenze des Machbaren vorgestoßen. Mit dem bei DESY geplanten Röntgenmikroskop PETRA IV werden wir einzelne, zehnmal kleinere Partikel in realen Katalysatoren unter Reaktionsbedingungen anschauen können.“
DESY / DE