07.10.2021

Katalysator-Nanopartikel im Betrieb

Röntgenanalyse zeigt Verhalten von Katalysatormaterialien unter realen Bedingungen.

Mit intensivem Röntgenlicht hat ein DESY-geführtes Forschungs­team ein einzelnes Katalysator-Nano­partikel bei der Arbeit beobachtet. Die Untersuchung zeigt erstmals, wie ein individuelles Nanopartikel unter Reaktions­bedingungen die chemische Zusammen­setzung seiner Oberfläche ändert, wodurch es aktiver wird. Das Team um Andreas Stierle hat damit einen wichtigen Schritt zu einem besseren Verständnis realer Katalysator­materialien gemacht.

 

Abb.: An der Oberfläche des Nano­partikels oxidiert Kohlen­monoxid zu...
Abb.: An der Oberfläche des Nano­partikels oxidiert Kohlen­monoxid zu Kohlen­dioxid. (Bild: Science Communication Lab, DESY9

In zahlreichen industriellen Prozessen werden heute Katalysatoren eingesetzt, von der Dünge­mittel­herstellung bis zur Plastik­produktion. Katalysatoren haben daher eine immense wirtschaftliche Bedeutung. Ein sehr bekanntes Beispiel ist der Abgaskatalysator im Auto. Dabei handelt es sich um Edelmetalle wie Platin, Rhodium und Palladium, die eine Umwandlung von sehr giftigem Kohlen­monoxid in Kohlen­dioxid sowie eine Reduzierung schädlicher Stickoxide ermöglichen.

„Trotz ihres breiten Einsatzes und ihrer großen Bedeutung, kennen wir viele wichtige Details der genauen Funktionsweise der verschiedenen Katalysatoren noch nicht“, berichtet Stierle, der das DESY NanoLab leitet. „Es ist daher ein lang­gehegtes Ziel, reale Katalysator­materialien im Betrieb zu untersuchen.“ Das ist nicht so einfach, denn um die aktive Oberfläche möglichst groß zu gestalten, werden Katalysator­materialien meist als winzige Nanopartikel eingesetzt, und die Änderungen, die ihre Aktivität beeinflussen, spielen sich auf ihrer Oberfläche ab.

Das Team aus dem DESY NanoLab hat im Rahmen des EU-Projekts Nanoscience Foundries and Fine Analysis (NFFA), eine Technik entwickelt, mit der sich einzelne Nanopartikel markieren und dadurch in der Probe identifizieren lassen. „Für die Untersuchung haben wir im Labor Nanopartikel aus einer Platin-Rhodium-Mischung, einer Legierung, auf einem Träger­material wachsen lassen und ein spezielles Partikel markiert“, berichtet Thomas Keller aus dem DESY-NanoLab. „Das markierte Partikel hat einen Durchmesser von rund 100 Nanometern und ähnelt Partikeln, wie sie im Auto-Katalysator zum Einsatz kommen.“

Mit dem Röntgenlicht der Europäischen Synchrotron­strahlungs­quelle ESRF in Grenoble konnte das Team nicht nur ein detailliertes Abbild des Nano­partikels erstellen, sondern auch die mechanische Spannung in seiner Oberfläche vermessen. „Die Oberflächen­spannung ist ein Maß für ihre chemische Zusammen­setzung aus Platin- und Rhodium-Atomen“, erläutert Philipp Pleßow vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT). Seine Gruppe hat eine Theorie entwickelt, die den Zusammenhang zwischen Oberflächen­spannung und chemischer Zusammensetzung für die jeweiligen Facetten des Nanopartikels beschreibt. Wie bei geschliffenen Edel­steinen werden die verschiedenen Oberflächen eines Nanopartikels als Facetten bezeichnet.

Nach dem Wachstum des Nanopartikel befinden sich vor allem Platinatome an der Oberfläche, weil dies energetisch günstiger ist. Die Wissenschaftler untersuchten Form und Oberflächenspannung des Partikels dann unter verschiedenen Bedingungen, darunter auch Betriebs­bedingungen wie im Auto-Katalysator. Dazu heizten sie das Partikel auf rund 430 Grad Celsius auf und ließen Kohlenmonoxid- und Sauerstoff­moleküle an ihm vorbei strömen. „Unter diesen Reaktions­bedingungen werden Rhodium-Atome im Inneren des Partikels mobil und wandern an die Oberfläche, weil Rhodium stärker als Platin mit Sauerstoff wechselwirkt“, erläutert Pleßow. Auch das sagt die Theorie korrekt voraus.

„In der Folge ändern sich Oberflächenspannung und Form des Partikels“, berichtet Ivan Vartaniants von DESY, dessen Team die Form- und Oberflächen­spannungs­messungen in räumliche Bilder umgewandelt hat. „Es findet eine facettenabhängige Rhodium­anreicherung statt, und es bilden sich mehr Ecken und Kanten.“ Die chemische Zusammensetzung der Oberfläche, Form und Größe der Partikel haben erheblichen Einfluss auf ihre Funktion und Effizienz. Wie dies genau zusammenhängt und auf welche Weise sich die Struktur und Zusammen­setzung der Nanopartikel beeinflussen lässt, beginnen Wissenschaftler allerdings erst zu verstehen. Im Röntgenlicht lassen sich noch Spannungs­änderungen von 0,1 Promille erkennen, das entspricht in dieser Untersuchung einer Genauigkeit von etwa 0,3 Pikometern.

„Wir können hier erstmals die Details der Struktur­änderungen von solchen Katalysator-Nanopartikeln im Betrieb verfolgen“, betont Stierle, leitender Wissenschaftler bei DESY und Professor für Nanowissenschaften an der Universität Hamburg. „Das ist ein großer Fortschritt und hilft uns beim Verständnis einer ganzen Klasse von Reaktionen, bei denen Legierungs­nanopartikel eingesetzt werden.“ In dem neuen, von der Deutschen Forschungs­gemeinschaft (DFG) geförderten Sonder­forschungs­bereich 1441 mit dem Titel „Verfolgung der aktiven Zentren in heterogenen Katalysatoren für die Emissions­kontrolle (TrackAct)“ wollen Forscher von KIT und DESY dies nun systematisch erkunden.

„Unsere Untersuchung ist ein wichtiger Schritt zur Analyse realer Katalysator­materialien“, betont Stierle. Bislang züchtet man für solche Untersuchungen Modellsysteme im Labor. „Wir sind bei dieser Untersuchung an die Grenze des Machbaren vorgestoßen. Mit dem bei DESY geplanten Röntgen­mikroskop PETRA IV werden wir einzelne, zehnmal kleinere Partikel in realen Katalysatoren unter Reaktions­bedingungen anschauen können.“

DESY / DE

 

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