27.05.2020

Kavli-Preis 2020 für Arbeiten zur Elektronenmikroskopie

Maximilian Haider, Harald Rose, Knut Urban und Ondrej Krivanek werden für ihre Beiträge zur Entwicklung der Elektronenmikroskopie ausgezeichnet.

Elektronenmikroskope ermöglichen es heutzutage, Materialien mit atomarer Auflösung abzubilden und zu untersuchen. Für bildgebende Verfahren mit Sub-Angström-Auflösung und chemische Analysen mit Elektronenstrahlen erhalten Maximilian Haider (CEOS GmbH, Heidelberg), Harald Rose (Universität Ulm, TU Darmstadt), Knut Urban (Forschungszentrum Jülich) und Ondrej Krivanek (Nion Company, Seattle, USA) den diesjährigen Kavli-Preis für Nanowissenschaften. Dies gab die Kavli Foundation am 27. Mai in Oslo bekannt.

Die Elektronenmikroskopie gehört zum Schlüsselinstrumentarium der modernen Wissenschaft. Ihre Beiträge zur Erforschung der kondensierten Materie, der Festkörperphysik, Materialforschung, industriellen Technik, Biologie und Medizin sind nicht zu überschätzen. In den ersten fünfzig Jahren nach seiner Erfindung durch Ernst Ruska (1932) hatte das Elektronenmikroskop eine Auflösung von etwa 0,5 nm und war damit in der Lage, Strukturen und Objekte abzubilden, die mit Lichtmikroskopen nicht zu erkennen sind.

Seit den Achtzigerjahren entwickelte sich das Elektronenmikroskop von einem rein abbildenden Gerät zu einem analytischen Instrument, das quantitative Information über die atomare Struktur, die lokale chemische Zusammensetzung und die elektronischen Eigenschaften liefert. Außerdem ermöglichte die aberrationskorrigierte Elektronenoptik eine neue Generation von Elektronenmikroskopen, die den Sub-Ångströmbereich erschließt.

Die Preisträger Maximilian Haider, Harald Rose und Knut Urban anlässlich der...
Die Preisträger Maximilian Haider, Harald Rose und Knut Urban anlässlich der Verleihung des Wolf Prize in Physics 2011 (v.l., Quelle: SALVE III, U Ulm)

Zwischen 1991 und 1997 bauten Maximilian Haider, Harald Rose und Knut Urban im Rahmen eines von der Volkswagenstiftung finanzierten Projekts das weltweit erste Elektronenmikroskop mit aberrationskorrigierten Linsen auf. Um die bis dahin technisch unvermeidbaren Abbildungsfehler der Elektronenoptik zu korrigieren, nutzten sie magnetische Multipole als unrunde Linsen. Dieses Gerät wurde zur Mutter einer neuen industriellen Generation von Höchstpräzisionsgeräten, von denen bis heute über 900 Anlagen weltweit installiert wurden.

Die Elektronenmikroskopie erlaubt es, die Präzision von Materialien und Funktionen bis in den atomaren Bereich zu kontrollieren und für die Anwendung maßzuschneidern: darunter die Physik und die Fertigung neuer Chips für die Mikroelektronik, die Entwicklung von Höchstleistungswerkstoffen für eine sichere und energiesparende Verkehrstechnik bis hin zur Photovoltaik und anderen Formen kohlendioxidfreier Energieerzeugung.

Ernst Ruska an dem Elektronenmikroskop, mit dem er am 23. September 1933...
Ernst Ruska an dem Elektronenmikroskop, mit dem er am 23. September 1933 erstmals die Auflösung des Lichtmikroskops übertraf. Zum Zeitpunkt der Aufnahme, am 8. Februar 1944, war das Gerät offenbar noch betriebsfähig.

Maximilian Haider, Harald Rose und Knut Urban erhielten bereits zahlreiche Preise für ihre Forschungsarbeiten, darunter gemeinsam den Karl Heinz Beckurts-Preis für Innovation 2006, den japanischen Honda-Prize 2008, den Wolf-Preis für Physik 2011 und den Frontiers of Knowledge Award 2014.

Maximilian Haider ist österreichischer Physiker und studierte an der Universität Kiel und der TH Darmstadt. 1989 wurde er Gruppenleiter am Europäischen Molekularbiologischen Labor in Heidelberg, 1996 gründete er zusammen mit Joachim Zach die CEOS GmbH.

Harald Rose studierte ebenfalls Physik an der TH Darmstadt und promovierte 1965 über ein Thema der theoretischen Elektronenoptik. Anschließend hatte er verschiedene Positionen im In- und Ausland inne, bevor er 1980 auf eine Professur in Darmstadt berufen wurde, der er bis zu seiner Pensionierung 2000 treu blieb. Bis heute stellt ihm die TU Darmstadt ein Dienstzimmer zur Verfügung. 2009 erhielt er den Robert-Wichard-Pohl-Preis der DPG für seine herausragenden Verdienste in der Entwicklung aberrationskorrigierter Elektronenmikroskope. Seit 2009 ist er Inhaber einer von Carl Zeiss gestifteten Senior-Professur an der Universität Ulm.

Knut Urban studierte Physik an der Universität Stuttgart und arbeitete im Rahmen seiner Promotion einige Zeit bei Ernst Ruska. Er ist einer der beiden Gründungsdirektoren des Ernst-Ruska-Centrums für Elektronenmikroskopie und -spektroskopie. Von 1987 bis 2010 war er Direktor des Instituts für Mikrostrukturforschung des Forschungszentrums Jülich, darüber hinaus hatte er einen Lehrstuhl für Experimentalphysik an der RWTH Aachen inne. Von 2004 bis 2006 war Urban Präsident der Deutschen Physikalischen Gesellschaft, 2015 wurde er mit der Ehrenmitgliedschaft der DPG ausgezeichnet, unter anderem in Anerkennung seiner grundlegenden Arbeiten zur Elektronenmikroskopie sowie seiner jahrzehntelangen Tätigkeit und seiner Verdienste für die DPG.

Der Kavli-Preis wird seit 2008 alle zwei Jahre für herausragende Forschung auf den Gebieten Astrophysik, Nanowissenschaften und Neurowissenschaften von der Kavli Foundation zusammen mit der Norwegischen Akademie der Wissenschaften und der Literatur sowie dem Norwegischen Ministerium für Erziehung und Wissenschaft verliehen. Gestiftet wurde er von dem norwegischen Geschäftsmann und Erfinder Fred Kavli (1927–2013). Er gründete 2000 die Kavli Foundation mit dem Ziel, die Wissenschaft zum Wohl der Menschheit voranzubringen, das Verständnis der Öffentlichkeit für Wissenschaft zu fördern und Forscher in ihrer Arbeit zu unterstützen. Jeder der Preise ist mit einer Gesamtsumme von einer Million Dollar dotiert. Aufgrund der Corona-Pandemie findet die Preisverleihung im Herbst 2022 statt.  

Maike Pfalz

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