Kepler-22b: bewohnbar oder doch eher unwirtlich?
Das Kepler-Weltraumteleskop entdeckt einen Exoplaneten mit dem 2,4-fachen Erdradius, der um einen sonnenähnlichen Stern kreist. Für die Nasa ein „Meilenstein auf der Suche nach einer Zweiten Erde“. Doch zahlreiche Experten äußern Skepsis.
Ein Nasa-Team unter der Führung von William Borucki vom Ames Research Center hat photometrische Daten des Kepler-Weltraumteleskops ausgewertet. Der Satellit registriert die Helligkeit von 155.000 Sternen. Planeten, deren Umlaufbahnen so verlaufen, dass sie vor dem Stern vorüber ziehen, schatten dessen Licht zeitweilig ab. Für den Planeten Kepler-22b und seinen Stern des Spektraltyps G5 konnte eine solche Abschattung dreimal nachgewiesen werden. Die Zeitabstände entsprechen einer Umlaufdauer von 290 Tagen.
Abb.: Vergleich unseres Sonnensystems mit dem Sternensystem Kepler-22. (Bild: Nasa / Ames / JPL-Caltech)
Der G-Stern ist nur wenig kleiner und leichter als unsere Sonne und zählt damit als sonnenähnlich. Zwar ist der Stern von Kepler-22b ein Viertel weniger hell als unsere Sonne, doch da ihm der Planet 15 Prozent näher ist, erhält er doch genügend Strahlung, um in der habitablen Zone zu liegen. Dort sind die Temperaturen auf der Planetenoberfläche gerade so, dass Wasser in flüssiger Form vorliegt.
Zahlreiche Gasplaneten sind bereits bekannt, die ebenfalls in der habitablen Zone um sonnenähnliche Sterne kreisen. Diesen Gasriesen sprechen die Astrobiologen jedoch die Fähigkeit ab, Leben beherbergen zu können. Der neue Exoplanet hingegen ist der kleinste, der je in der Umlaufbahn eines Sterns entdeckt wurde. Sein Radius beträgt das 2,4-fache des Erdradius.
Doch selbst das könnte für einen bewohnbaren Planeten zu groß sein, glaubt Abel Mendez, Planetenforscher an der University of Puerto Rico in Arecibo und Herausgeber des „Habitable Exoplanets Catalog“, laut Medienangaben. Er hat aus dem Radius von Kepler-22b mögliche Massen und Dichten berechnet. Mendez zufolge bestünde der Planet nach der optimistischsten Vermutung größtenteils aus Wasser, mit einem globalen Ozean und einigen Wolken. Aber selbst dann wäre er nur in geringem Maße lebensfreundlich.
Auch Sara Seager vom Massachusetts Institute of Technology hat Zweifel daran, dass die Euphorie des Nasa-Teams berechtigt ist. Die Größe des Planeten lasse eine massive Atmosphäre mit einem gravierenden Treibhauseffekt vermuten. Ihren Berechnungen nach ist es dort zu heiß zum Überleben.
Die Nasa-Forscher vermuten bei Kepler-22b dagegen eine Oberflächentemperatur um 22 Grad Celsius. Dabei gehen sie von einer erdähnlichen Atmosphäre aus. Ohne die Kenntnis der Masse des Planeten lässt sich aber nicht sagen, ob er eine der Erde vergleichbare Zusammensetzung hat. Möglicherweise ist Kepler-22b ein dichter, felsiger Planet und damit der Erde ähnlich. Dann könnte er auch bewohnbar sein, vorausgesetzt, die Atmosphäre ist dünn genug. „Kepler hat jedoch bisher keinen einzigen terrestrischen Planeten gefunden“, gibt Seager zu bedenken.
Wie Don Polacco von der Queen’s University in Belfast der BBC sagte, habe er den Auftritt der Nasa-Forscher auf der Pressekonferenz als reine Fundraising-Veranstaltung empfunden. Das einzig wirklich neue sei, dass der Planet einen sonnenähnlichen Stern umkreise. Die Kepler-Mission der Nasa nähere sich dem Ende und für eine Verlängerung seien 200 Millionen Dollar nötig. Es gebe sehr gute, wichtige Ergebnisse, die diese Mission zu Stande gebracht habe, würdigt Polacco, aber dieses gehöre nicht dazu.
Philipp Hummel