Keplersche Gesetze im Wasser-Tornado
Forschende der Universität Greifswald und des Max-Planck-Instituts für Astronomie stellen Planetenentstehung in einem mit Wasser gefüllten Plexiglasbecken nach.
Akkretionsscheiben finden sich im Universum in verschiedensten Größen. Eine gemeinsame Eigenschaft ist, dass Materie um ein zentrales Objekt kreist, das mit seiner Schwerkraft die Umgebung beeinflusst. Ein Teil des Gases gelangt allmählich ins Zentrum der Scheibe, wodurch das zentrale Objekt an Masse gewinnt. Akkretionsscheiben umgeben unter anderem junge Sterne. Das Gas ist hierbei mit mikroskopisch kleinen Partikeln durchsetzt. Diese Staubteilchen haften aneinander und können allmählich zu Objekten von bis zu Tausenden Kilometern wachsen, den Vorläufern von Planeten. Diese komplexen Prozesse, die sich im Kleinen wie im Großen abspielen, wobei geordnete Bahnen, aber auch kompakte Strudel auftreten können, sind jedoch schwer zu beobachten.

Forschende greifen deswegen häufig auf Simulationen zurück, um die Vorgänge über die mathematische Beschreibung von physikalischen Gesetzen im Computer nachzubilden. Allerdings ist es schwierig, mit solchen Berechnungen alle Größenskalen einer solchen planetenbildenden Scheibe über große Zeiträume zu erfassen. Zudem müssen die Simulationen stets mit Messungen von realen Objekten abgeglichen werden, da Rechenartefakte die Ergebnisse verfälschen können. Das neu entwickelte Wasser-Tornado-Modell könnte ein eleganter Weg sein, um einige dieser Schwierigkeiten zu vermindern. Entgegen früheren Versuchen, ein solches Analogexperiment zu entwickeln, hat der neue Ansatz zwei entscheidende Vorteile. Einerseits erlaubt es, Scheiben weiträumig in radialer Richtung nachzubilden. Frühere Ansätze ermöglichten nur die Untersuchung schmaler, ringförmiger Zonen.
„Andererseits entsprechen die Bewegungen und Strömungen weitgehend denjenigen, die man auch in planetenbildenden Scheiben und Planetensystemen findet“, erläutert Stefan Knauer von der Universität Greifswald. Einige grundlegende physikalische Gesetzmäßigkeiten von Planetenbahnen hat Johannes Kepler zu Anfang des 17. Jahrhunderts in seinen berühmten Keplerschen Gesetzen ausformuliert und können zudem auf Gase in einer Scheibe angewandt werden. Erste Versuche haben gezeigt, dass diese Gesetze weitgehend auch im Wasser-Tornado-Modell gültig sind.
„Wir erhoffen uns durch den Einsatz dieses neuen Analogexperiments Erkenntnisse insbesondere darüber, wie Prozesse in planetenbildenden Scheiben über große Abstände hinweg ablaufen“, sagt MPIA-Forscher Mario Flock. Diese Ergebnisse könnten Computersimulationen um solche Aspekte ergänzen, die den Beobachtungen von realen Scheiben verborgen bleiben und sie somit neue Erkenntnisse liefern. Ein Aspekt, der die Astronom*innen dabei besonders interessiert, ist, wie sich die Staubteilchen und das Gas gegenseitig beeinflussen und so die Bildung von Planeten begünstigen.
Bei der Konzeption des Versuchsaufbaus musste beachtet werden, dass er das Gravitationspotential eines Sterns im Zentrum einer protoplanetaren Scheibe möglichst gut nachbildet. Die Lösung dieser Aufgabe lieferte ein Experiment, das denkbar einfach aufgebaut ist.
Der Wasserbehälter besteht aus zwei unterschiedlich breiten Zylindern aus Plexiglas, die übereinander angeordnet sind. Am Boden des unteren, 15 cm schmalen Zylinders befindet sich in der Mitte ein Abfluss. Weiter außen sind zwei Düsen montiert, über die Wasser parallel zum Beckenboden und in entgegengesetzter Richtung hineingepumpt wird. Die Pumpe stammt aus dem Aquariumshandel.
Die Strömung versetzt das Wasser im Becken in Rotation. Dabei bildet sie einen Trichter aus, dessen Oberfläche vom Beckenboden bis zur Wand des oberen, 50 cm breiten, Behälters reicht. Etwa bei einem Abstand von 3 cm von der Mitte des Aufbaus beginnt die für die Experimente verfügbare Zone und reicht nahezu bis zum Beckenrand. Die Form des Wasser-Tornados erfüllt dabei die geforderte Eigenschaft, ein Gravitationsfeld nachzuahmen.
Um das Strömungsverhalten der Wasseroberfläche zu erfassen, hat die Forschungsgruppe kleine Kugeln aus Polypropylen in den Wirbel gegeben. Da dieser Kunststoff etwa die Dichte von Wasser besitzt, blieben diese Teilchen nahe an der Wasseroberfläche und wurden mit dem Strudel mitgerissen. Zur Auswertung dienten Bilder einer Hochgeschwindigkeitskamera, die die Positionen der Kugeln aufzeichnete. Ein Computeralgorithmus ermittelte daraus ihre Bahnen.
Wie erwartet, erfüllten viele Bahnen das erste Keplersche Gesetz nicht. Dieses besagt, dass die Objekte sich entlang von Ellipsen bewegen. Trichterförmige Versuchsanordnungen neigen jedoch dazu, spiralförmigen oder nicht geschlossenen Bahnen zu erzeugen. Dieser Nachteil lässt sich allerdings durch eine geeignete Skalierung der Versuchsanordnung verringern. Eines der nächsten Experimente wird daher deutlich größer ausgelegt werden.
Im Durchschnitt schienen aber die beiden anderen Keplerschen Gesetze die Bewegung der Teilchen gut wiederzugeben. Das zweite Gesetz besagt, dass der Fahrstrahl eines bewegten Objekts entlang seines Orbits in gleichen Zeiträumen dieselbe Fläche überstreicht. Die Bahnen im Wasser-Tornado zeigten mit leichten zeitlichen Schwankungen dasselbe Verhalten.
Das dritte Keplersche Gesetz etabliert einen mathematischen Zusammenhang zwischen der Umlaufzeit und dem Durchmesser einer Planetenbahn. Auch in diesem Sinn verhielten sich die Kugeln im Wasser-Tornado sehr ähnlich.
Weiterhin zeigte eine detailliertere Auswertung, dass die hydrodynamischen Kennzahlen im Wasser-Tornado weitgehend denen entsprechen, die typischerweise in protoplanetaren Scheiben ermittelt werden. Demnach sollten sich hinreichend kleine Teilchen, die im Laborexperiment dem Wassertrichter zugesetzt werden, ähnlich wie Staubteilchen in planetenbildenden Scheiben verhalten. [U Greifsald / MPIA / dre]