Kielfeld-Beschleuniger im Laborformat
Laser-Plasma-Elektronenbeschleuniger mit hoher Wiederholungsrate und kurzer Pulsdauer.
Laser-Plasma-Elektronenbeschleuniger, auch Kielfeld-Beschleuniger genannt, sind auf dem Vormarsch. Das in den späten 1970er Jahren entwickelte Konzept wird gerne mit einem Surfer in der Brandung verglichen: Eine durch einen Laserpuls induzierte Plasmawelle reißt Elektronen mit sich und beschleunigt sie auf Strecken von nur wenigen Millimetern auf relativistische Geschwindigkeiten. Der kompakte Aufbau besticht vor allem im Vergleich zu den oft kilometerlangen Röhren herkömmlicher Beschleuniger. Dennoch sind auch Laser-Plasma-Beschleuniger in der Regel Ungetüme, die ganze Laborräume ausfüllen. Einer französischen Forschergruppe um Jerome Faure ist nun die Entwicklung eines ebenso praktischen wie zuverlässigen Modells gelungen. Indem sie Abstriche in der maximal erreichbaren Energie in Kauf nahmen, konnten sie nicht nur extrem kurze Elektronenpulse mit einer hohen Wiederholungsrate erzeugen. Das neue System basiert zudem auf kommerziell erhältlicher Lasertechnologie und sollte in Zukunft locker auf einem Labortisch Platz finden.
Abb.: Simulation der Elektronendichte (blau), der Laserintensität (rot) und der relativistischen Elektronen (grün). (Bild: D. Guenot et al., NPG)
„Zurzeit besetzt unser selbst gebauter Laser noch zwei optische Tische“, gibt Faure zu. „Es gibt aber bereits kompakte Lasersysteme mit denselben Charakteristika, die auf einem halben Tisch Platz finden.“ Dem Forscher zufolge sollte diese Art von Plasma-Laser-Technologie schon bald in kompakter und günstiger Form für verschiedenste Zwecke zur Verfügung stehen. Dabei handelt es sich bei dem neuen System keineswegs nur um eine Art Billigvariante. Mit einer Wiederholungsrate im Kilohertzbereich und einer Pulsdauer von nur etwa einer Femtosekunde weist es einzigartige Charakteristika auf, die für eine Vielzahl experimenteller Anwendungen interessant sein könnten.
Auf maximale Energie getrimmte Beschleuniger können Elektronen bereits auf mehrere Gigaelektronenvolt beschleunigen. Dazu werden Laserpulse in einem Plasma fokussiert und extreme Intensitäten erzeugt. Die ponderomotorische Kraft, also der niederfrequente Anteil der Kraft des räumlich inhomogenen, hochfrequenten elektromagnetischen Feldes, führt zu einer Ladungstrennung. So entstehen Plasmawellen, die enorme elektrische Felder von über 100 Gigavolt pro Meter tragen und die Elektronen mitreißen. In der Regel werden dazu Laser eingesetzt, die Pulse mit Energien im Joulebereich liefern, aber dafür nur wenige Pulse pro Sekunde liefern.
Die Gruppe von der Universität Paris-Saclay begnügte sich dagegen mit einer Maximalenergie von fünf Megaelektronenvolt, was aber immerhin knapp 99 Prozent der Lichtgeschwindigkeit entspricht. Das erlaubte den Forschern den Einsatz eines Millijoule-Lasersystems mit kürzerer Pulsdauer und höherer Wiederholungsrate. „Es hat uns einige Jahre gekostet, einen Weg zu finden, diese speziellen Laserpulse mit einer Dauer von nur etwa einer Schwingungsperiode auf zuverlässige Art und Weise zu erzeugen“, erklärt Faure. „Das war definitiv die größte Herausforderung. Nachdem der Laser fertig war, hat das ganze System fast sofort funktioniert.“
Konkret handelt es sich um Laserpulse mit einer Energie von je 2,1 Millijoule und einer Dauer von 3,4 Femtosekunden, was ungefähr einer Schwingungsperiode entspricht. Solche ultrakurzen Pulse haben von Natur aus eine spektrale Bandbreite von mehr als einer ganzen Oktave. Dadurch kommt es zu erheblichen Dispersionseffekten, während sich der Puls durch das Plasma ausbreitet. Um diesen Effekt zu kompensieren, musste das ursprüngliche Signal angepasst werden. Indem sie dessen Frequenz im zeitlichen Verlauf vergrößerten („positiver Chirp“) konnten die Forscher die Plasmadispersion ausgleichen und so höhere Intensitäten erreichen. Dadurch vergrößerte sich auch die Amplitude der Plasmawelle und damit sowohl die Energie als auch die Anzahl der Elektronen pro Puls.
Die Laserstrahlung war auf einen kontinuierlich fließenden Strom aus gasförmigem Stickstoff mit einem Durchmesser von 100 Mikrometern fokussiert. Durch die hohe Intensität von etwa 3×1018 Watt pro Quadratzentimeter wurde jedes Stickstoffatom fünffach ionisiert. Die räumliche Divergenz des erzeugten Elektronenstrahls betrug nur etwa 45 Millirad. Auch die Stabilität der Richtung des Strahls war mit gemessenen Fluktuationen von wenigen Millirad hoch. Die Ladung pro Puls hing dagegen stark von der Elektronendichte ab und konnte über den Abstand zwischen Fokus des Lasers und der Düse, aus der der Stickstoffstrahl austritt, variiert werden. Messungen lieferten Werte zwischen einem halben und einem Picocoulomb. Die spektrale Verteilung der Elektronen wurde über die Ablenkung des Strahls durch Permanentmagneten bestimmt und wies bei einer Spitze von fünf Megaelektronenvolt eine Breite von etwa drei Megaelektronenvolt auf.
Was mögliche zukünftige Anwendungen ihres Systems betrifft, haben Faure und seine Kollegen vor allem ultraschnelle Elektronenbeugung im Visier. Damit ließe sich etwa die Dynamik von Phasenübergängen in Supraleitern oder Schwingungsmoden untersuchen. „Es gibt zum Beispiel eine spezielle Mode in Graphen mit einer Frequenz von 20 Femtosekunden, die sehr schwer beobachtbar ist“, erklärt Faure. „Wir möchten versuchen, mit der extrem kurzen Pulsdauer unseres Elektronenstrahls diese Vibrationen zu messen, um so vielleicht neue Informationen über die grundlegende Physik dieses Materials zu erhalten.“
Thomas Brandstetter
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