Klein klebt besser
Nanoteilchen lassen Hydrogele und Gewebe schon nach kurzem Kontakt aneinander haften.
Hydrogele sind Materialien mit vielfachen Anwendungsmöglichkeiten. Weiche Kontaktlinsen etwa bestehen aus ihnen, aber auch in der Medizin beruhen einige Hoffnungen auf besser einsetzbaren Hydrogelen. Ein besonderes Problem bei diesen Materialien, die aus wasserhaltigen Polymeren bestehen, liegt aber darin, wie sie sich verbinden lassen: Denn üblicherweise bleiben Hydrogele nicht aneinander haften und die Reibungs- und Adhäsionskräfte zwischen ihnen sind sehr gering. Zwar gibt es Polymere mit supramolekularen oder reversiblen kovalenten Bindungen, die zu einer Selbsthaftung führen können. Selbstklebende Gele sind aber nicht immer praktisch und können bei medizinischen Anwendungen auch durchaus problematisch sein.
Abb.: Die Gelstücke haften nicht von allein aneinander (links). Nach Betröpfeln mit einer Nanosilica-Lösung kleben sie nach nur zehn Sekunden Kontakt (rechts; Bild: MMC Lab. / ESPCI / CNRS).
Ein Forscherteam um Ludwik Leibler von der École Supérieure de Physique et de Chimie Industrielles in Paris haben deshalb untersucht, wie sich mit Hilfe von gelösten Nanoteilchen verschiedene Hydrogele miteinander verkleben lassen. „Die Vorstellung, mit Nanopartikeln zu kleben, mag zunächst paradox klingen“, berichtet Séverine Rose von der Universitè Pierre und Marie Curie in Paris. „Vor allem wenn man bedenkt, dass das Einstäuben mit Nanopartikeln wie etwa Talkum üblicherweise dazu dient, die Haftung zu verringern.“ Andere Forschungsgruppen hatten aber schon untersucht, wie sich die Haftungskräfte steigern lassen, wenn die Wechselwirkungen zwischen dem Gel und den Nanoteilchen passend eingestellt sind.
Abb.: Die Klebestelle verträgt einigen Zug, ohne zu reißen. (Bild: MMC Laboratory / ESPCI / CNRS)
Die Forscher synthetisierten deshalb zwei verschiedene Hydrogele, Polydimethylacrylamid (PDMA) und Polyacrylamid. Beide besitzen ähnliche Eigenschaften und sind nicht selbsthaftend. Selbst wenn die Forscher zwei dünne Stücke diese Gele lange Zeit und fest aufeinander drückten, hielt diese Verbindung nicht einmal dem eigenen Gewicht stand. Gaben die Forscher vorher eine Lösung aus dreißig Nanometer großen Silica-Nanoteilchen auf die Verbindungsstelle, so genügte schon ein kurzer Druck von wenigen Sekunden, um beide Hydrogele fest miteinander zu verbinden. Bei PDMA war der Klebeffekt sogar stärker als das Gel selbst, sodass sich bei hohem Zug nur außerhalb der Klebstelle Risse bildeten. Nur wenn die Länge der Klebstelle vergleichbar kurz gewählt wurde wie die Dicke des Gels, konnten die Forscher ein Aufreißen der Verbindung beobachten. Die Nanoteilchen sorgten für die feste Haftung, indem sie zu beiden Hydrogelen eine starke Adsorption aufbauten und dadurch als Verbindungsglied zwischen den Gelen wirkten.
Abb.: Auch organische Gewebe lassen sich mit der Silica-Lösung kleben: Zwei Stück Kalbsleber bleiben nach dreißig Sekunden Kontakt aneinander haften. (Bild: MMC Lab. / ESPCI / CNRS)
Aber nicht nur Hydrogele, auch organische Gewebe lassen sich mit Nanosilica-Lösungen verkleben. Die Wissenschaftler testeten ihr Verfahren deshalb an einem Stück Kalbsleber, das sie mit einem Skalpell in zwei Teile geschnitten und nicht weiter behandelt hatten. Nach Beträufeln mit der Lösung drückten sie beide Hälften eine halbe Minute lang aufeinander. Die Stücke blieben aneinander kleben. Aber auch unterschiedlich harte oder weiche Hydrogele ließen sich mit diesen oder anderen Nanoteilchen verkleben. So eigneten sich etwa Zellulose-Nanokristalle mit Sulfatgruppen ähnlich gut wie Nanosilica, während andere Nanokristalle mit Hydroxylgruppen sich zum Kleben als untauglich erwiesen.
Dirk Eidemüller
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