14.06.2022

Kleine Kügelchen als vielseitige Sensoren

Neue Methode kombiniert Messung von Strömungsdynamik und Sauerstoffgehalt.

Ein internationales Forschungsteam unter Leitung des Bremer Max-Planck-Instituts für marine Mikro­biologie, der Universität Aarhus und des Science for Life Institute in Uppsala hat winzige Partikel entwickelt, die den Sauerstoffgehalt in ihrer Umgebung anzeigen. So schlagen sie zwei Fliegen mit einer Klappe: Mit den kleinen Kügelchen können sie Strömungen und gleichzeitig den Sauerstoff­gehalt verfolgen – spannende Perspektiven für viele Forschungs­gebiete, von der Biologie bis zur Physik.

 

Abb.: Der Strom der neu entwickelten Partikel über die Korallen­oberfläche...
Abb.: Der Strom der neu entwickelten Partikel über die Korallen­oberfläche ist klar erkennbar. (Bild: S. Ahmerkamp / MPI Bremen)

Die Oberfläche einer Koralle ist rau. Das harte Skelett ist besiedelt von Polypen, die ihre Tentakel ins umliegende Wasser strecken, um Nahrung herauszufiltern. Aber wie genau fließt das Wasser über die Korallen­oberfläche, welche Wirbel und Strömungen entstehen, und was bedeutet das für die Versorgung der Koralle und ihrer assoziierten Algen? Bislang gab es keine Antwort auf diese Fragen. Jetzt hat ein internationales Forschungsteam um Soeren Ahmerkamp vom Max-Planck-Institut für marine Mikrobiologie in Bremen, Klaus Koren von der dänischen Universität Aarhus und Lars Behrendt von der Universität Uppsala und dem SciLifeLab in Schweden eine Methode entwickelt, mit der sich Strömungen und Sauerstoffkonzentrationen gleichzeitig auf kleinstem Raum untersuchen lassen. Und tatsächlich: Nun kann man sehen, wie die Korallen mit ihren kleinen Flimmer­haaren eine Strömung erzeugen, mit der sie mehr Sauerstoff heranfächeln.

Sauerstoff und Leben sind untrennbar verknüpft, von einzelnen Zellen bis hin zu ganzen Organismen. In kleinster räumlicher und zeitlicher Auflösung, auf wenigen Mikrometern und innerhalb von Millisekunden, verändern sich Sauerstoff­werte infolge von Strömungen oder dadurch, was die Organismen machen. Bisherige Methoden haben Sauerstoffwerte und Strömungen meist getrennt gemessen, wodurch viele Zusammenhänge nicht erfasst werden konnten. Ahmerkamp und seine Kollegen machen das nun in einem: Sie messen die Sauerstoffkonzentration und Strömung gleichzeitig und mit bisher unerreichter Genauigkeit und Geschwindigkeit. Die Forscher taufen ihre neu entwickelte Methode sensPIV. PIV ist die Abkürzung für „Particle Image Velocimetry“, eine etablierte Methode zur Strömungs­messung mit Partikeln. Nun kommt noch das „sens“ hinzu, die Partikel werden quasi gefühlvoll.

Die Arbeit war eine technische Herausforderung. In tüfteliger Kleinarbeit gelang es dem Team, winzige Kügelchen mit einem Durchmesser von unter einem Mikrometer herzustellen, die mit einem fluoreszierenden Farbstoff getränkt sind. Dieser Farbstoff leuchtet umso heller, je weniger Sauerstoff vorhanden ist. „Wichtig war es vor allem, dass der Farbstoff sehr schnell auf den Sauerstoff­gehalt reagiert. Zudem brauchten wir Kamera­techniken, die die Fluoreszenz gut aufnehmen können“, erklärt Mitautor Farooq Moin Jalaluddin vom Bremer Max-Planck-Institut. „Mit der sensPIV-Methode sind wir nun in der Lage, auch in schnellen und kleinräumigen Strömungen mit ausreichender Auflösung zu messen.“

Die Anwendungsmöglichkeiten der neuen Methode sind vielfältig. Viele Organismen interagieren mit Sauerstoff, und so kann sensPIV helfen, offene Fragen in den Biowissenschaften zu beantworten. Ahmerkamp und seine Kollegen nutzten es beispielsweise nicht nur an Korallen, sondern auch um detailliert zu betrachten, wie Sauerstoff durch Sand fließt. Auch klein­skalige Stoffwechsel­vorgänge an Mikroben, Tieren und Pflanzen können so untersucht werden. In der Mikrofluidik, die untersucht, wie sich Flüssigkeiten auf kleinstem Raum verhalten, und in der Medizin eröffnen sich zahlreiche weitere Anwendungs­möglichkeiten.

Die erste Idee zu dieser Messmethode entstand schon vor einigen Jahren. „Aber erst durch das tolle internationale Team und unsere enge Zusammen­arbeit war es möglich, dass aus der Idee nun eine funktionierende und vielseitig einsetzbare Anwendung wird“, sagt Ahmerkamp. Nun ist das Team gespannt auf die kommenden Einsatz­bereiche der Methode. „Die Partikel sind nicht schwer herzustellen, wenn man erst mal weiß, wie es geht“, so Klaus Koren. Auch an eine Weiter­entwicklung der Methode wird schon gedacht: „Gerne würden wir sensPIV auch für andere Substanzen als Sauerstoff sensibilisieren. Klaus Koren ist schon wieder am tüfteln.“ sagt Lars Behrendt.

MPI Bremen / DE

 

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