Kleinstwinkel-Neutronenstreuung charakterisiert Netzwerke von Mikroporen in Sedimentgestein
Ob Sedimentgesteine fossile Kohlenwasserstoffe speichern können, hängt von Form, Anordnung, Struktur und Vernetzung der Porenräume ab.
Ob Sedimentgesteine fossile Kohlenwasserstoffe speichern können oder als undurchlässige Schichten dafür sorgen, dass Erdöl, Erdgas oder auch eingelagertes Kohlendioxid nicht an die Oberfläche dringen, hängt von der Porosität ab. Entscheidend sind dabei Form, Anordnung, Struktur und Vernetzung der Porenräume. An der Forschungs-Neutronenquelle Heinz-Maier-Leibnitz FRM II der TU München ist es gelungen, mit Klein- und Kleinstwinkel-Neutronenstreuung die Netzwerke von Mikroporen zu charakterisieren.
Dicht, dunkel, kompakt: Auf den ersten Blick unterscheiden sich die Sedimentgesteinsproben, die Amirsaman Rezaeyan auf seinem Labortisch liegen hat, nur wenig. Poren sind in den Ton- und Siltsteinen, englisch Mudrocks, mit bloßem Auge nicht zu erkennen. Dennoch verleihen winzige Hohlräume den Gesteinen ihre besonderen Eigenschaften: Die nur Nanometer kleinen Poren, die während der Sedimentation entstehen und im Laufe der Zeit verdichtet werden, sind entscheidend für die Durchlässigkeit. Und von dieser hängt ab, ob Gesteine Erdöl oder Erdgas aufnehmen oder ob sie undurchlässige Schichten bilden, unter denen sich fossile Energieträger sammeln können.
„Abhängig von der Verteilung, Größe und Struktur der Poren, eignen sich die feinkörnigen Sedimentgesteine auch, um radioaktive Abfälle zu deponieren oder Kohlendioxid, das zuvor der Atmosphäre entzogen wurden, im Untergrund zu versiegeln“, erklärt Rezaeyan von der Uni Calgary in Kanada. „Die Porenstruktur der Mudrocks und ihr Einfluss auf die Durchlässigkeit für Flüssigkeiten sind bisher kaum erforscht, jedoch enorm wichtig, wenn man das Potenzial der Mudrocks als Ölreservoire oder undurchlässige Schichten beurteilen will.“
Doch wie vermisst man Poren, die nicht größer sind als Bakterien? Tatsächlich gibt es unterschiedliche Verfahren, mit denen sich das Porenvolumen vollständig quantifizieren lässt – die meisten können jedoch nur größere Strukturen oder begrenzte Porengrößen aufspüren. „Für die Quantifizierung von Poren zwischen wenigen Nano- und einigen Mikrometern eignet sich nur Klein- und Kleinstwinkel Neutronen Streuung“, betont Rezaeyan, der zusammen mit einem internationalen Team an der Forschungs-Neutronenquelle Heinz-Maier-Leibnitz der TU München die Porosität von einem Dutzend Sedimentgesteinen aus Europa und Amerika erforscht hat.
Messeinrichtungen für Small Angle Neutron Scattering und Very Small Angle Neutron Scattering gibt es nur wenige auf der Welt. Zwei davon, die KWS-1 und KWS-3, betreibt das Forschungszentrum Jülich am Heinz-Maier-Leibnitz-Zentrum. Das MLZ ist die wissenschaftliche Kooperation aus TU München, Forschungszentrum Jülich und Helmholtz-Zentrum Hereon, die die Neutronen des FRM II für Gastwissenschaftler in Form von wissenschaftlichen Instrumenten verfügbar machen. Und so reiste Rezaeyan vom Lyell Centre der Heriot-Watt University in Edinburgh, Schottland, wo er damals tätig war, mit seinen Gesteinsproben – alle dünn geschliffen und ohne Gas- oder Flüssigkeitseinschlüsse – nach Garching, um Mikroporen aufzuspüren.
In den Kleinwinkelstreuinstrumenten am FRM II wurden die Proben mit Neutronen aus dem Reaktor bestrahlt. Da Neutronen nur mit den Kernen von Atomen interagieren, lässt sich aus dem Beugungsmuster, das der Detektor erfasst, die Anordnung der Atome und damit – indirekt – auch die der atomfreien Poren ableiten.
Zurück in Schottland korrelierte der Forscher die Messergebnisse mit den mikroskopischen Eigenschaften der Gesteinsproben. Das Ergebnis wurde jetzt veröffentlicht: Die Porosität der feinkörnigen Mudrocks ist demnach abhängig vom Anteil der Tonmineralien, welche die Sedimente enthalten: Je mehr Ton, desto größer die Wahrscheinlichkeit für kleine Poren mit weniger als fünfzig Nanometern Durchmesser. Gesteine mit einem hohen Ton-Gehalt sind daher potenziell geeignet, um als undurchlässige Schichten eine Deponie oder einen Gasspeicher im Untergrund zu versiegeln.
„Der Tongehalt ist dabei allerdings nur ein Teil des Puzzles: Es gibt eine ganze Reihe von Faktoren, die bei der Auswahl geeigneter Mudrock-Schichten für die Öl- und Gasgewinnung oder die Kohlendioxid-Speicherung berücksichtig werden müssen“, betont Rezaeyan. „Wir haben in die Datenanalyse daher weitere Faktoren – beispielsweise den Grad der Verdichtung des Gesteins und den Anteil an organischem Material – mitaufgenommen. Auf diese Weise konnten wir Korrelationen hoher statistischer Signifikanz herstellen.“
Mit Hilfe dieser Korrelationen soll es künftig möglich sein, auf Basis der Sedimentationsbedingungen abzuschätzen, welche physikalischen Eigenschaften feinkörnige Sedimentgesteine haben und ob sie als undurchlässige Deckschichten für Endlager und Kohlendioxid-Speicher geeignet sind.
TU München / RK