Klingende Polaritonen
Gitter aus Schallwellen können Polaritonen dazu bewegen, zu einem Riesenpolariton zu verschmelzen.
Licht-Materie-Quantenteilchen lassen sich in Halbleitern durch Töne beeinflussen. Berliner Physikern konnten jetzt erstmals die Teilchen in einer zweidimensionalen Gitterstruktur aus Schallwellen, die einem Eierkarton ähnelt, einfangen und manipulieren. Dabei verhielten sich die Quantenteilchen überraschenderweise so, als hätten sie eine negative Masse. Das Verfahren könnte für den Bau von optischen hilfreich Computern sein, aber auch neuartige Konzepte in der Kommunikationstechnik ermöglichen.
Abb.: Der Halbleiter links bildet einen Resonator für Polaritonen. Akustische Wellen erzeugen eine Gitterstruktur auf der Oberfläche. Die Superpolaritonen mit negativer Masse zeigen rechts sich in den roten Bereichen. (Bild: PDI)
Edgar Cerda und sein Team am Paul-Drude-Institut für Festkörperelektronik in Berlin (PDI) erzeugten in Zusammenarbeit mit Forschern der Universität Sheffield eine Gitterstruktur durch zwei im rechten Winkel eingestrahlte Schallwellen. Dies gelang mit einer besonders ausgefeilten Art von Halbleiterkristall: Das Team im PDI dampfte auf eine Galliumarsenid-Unterlage rund achtzig Schichten des Halbleitermaterials auf, die jeweils genau definiert zwischen zehn und 200 Nanometer dick sind und unterschiedliche Anteile an Aluminium enthalten. Das Aluminium verändert den Brechungsindex der Schichten. Durch das Einstrahlen von Photonen entsteht ein besonderer Quantenzustand. Die Photonen koppeln mit Exzitonen im Halbleiter und erzeugen damit Polaritonen.
Dabei werden ständig Photonen aufgenommen und wieder abgegeben. Sobald genügend Polaritonen in den Halbleiterschichten, dem optischen Resonator, entstanden sind, verhalten sie sich nicht mehr wie individuelle Teilchen, sondern verschmelzen zu einem Riesenpolariton. Albert Einstein und Satyendranath Bose hatten ähnliche makroskopische Quantenzustände nicht mehr unterscheidbarer Teilchen bereits 1924 vorausgesagt; der Nachweis von Bose-Einstein-Kondensaten im Labor gelang allerdings erst 1995.
Versetzt man nun die Oberfläche des Halbleiters in akustische Schwingungen, treten die Polaritonen mit diesen in Wechselwirkung. Erstmals konnten Cerda und sein Team dabei Polaritonen beobachteten, die sich so verhalten, als hätten sie eine negative Masse, wenn sie sich in eine bestimmte Richtung des Gitters bewegten. Durch diesen negativen Masse-Effekt können diese speziellen Polaritonen leichter zusammenbleiben und ein ganz besonderes Riesenpolariton formen. Negative Massezustände ließen sich bereits vorher in reinen Photoniksystemen beobachten, erstmals aber wurde es jetzt mit Polaritonen demonstriert. „Diese Technik der Schallwellen an der Oberfläche ist sehr flexibel“, erläutert Cerda. „Wir können die Kreuzgitter in verschiedenen Abmessungen und Tiefen erzeugen, um die optimalen Konditionen für das Superpolariton mit negativer Masse zu erreichen.“ Damit stehe den Forschern eine ausgesprochen flexible Plattform zur Verfügung, mit der sich faszinierende physikalische Phänomene untersuchen lassen. So gebe es bereits theoretische Ansätze und Überlegungen zur Erzeugung anderer exotischer Zustände. „Sie können vielleicht genutzt werden, um Informationen unkonventionell zu verarbeiten.“ Ein weiterer Ansatzpunkt wäre für Cerda ein Mikrochip, auf dem sich Quantenpunkte einzeln in der gekreuzten Gitterstruktur einfangen lassen.
Momentan arbeiten die Physiker gezwungenermaßen noch bei extrem tiefen Temperaturen von rund sechs Kelvin. „Galliumarsenid ist bereits in vielen Anwendungen üblich und deshalb in der notwendigen Reinheit erhältlich“, sagt Cerda. Der Physiker hofft aber, dass seine Arbeitsgruppe später mit ähnlichen Kristallen aus Galliumnitrat den gleichen Effekt auch bei Raumtemperatur erzielen kann.
PDI / DE