22.11.2007

Klonverbot in der Quantenwelt

Mathematiker der Princeton Universität haben ein verschärftes Klonverbot für Quantenzustände gefunden. Die Forscher zogen daraus - auch aus philosophischer Sicht - einen bemerkenswerten Schluss.



Mathematiker der Princeton Universität haben ein verschärftes Klonverbot für Quantenzustände gefunden. Die Forscher zogen daraus - auch aus philosophischer Sicht - einen bemerkenswerten Schluss.

Einen beliebigen Quantenzustand kann man nicht perfekt kopieren oder „Klonen“, ohne ihn dabei zu verändern. Das hatten Bill Wootters und Wojciech Zurek schon 1982 gezeigt. Da dies auch für den Zustand eines Spin-1/2-Teilchens gilt, kann man selbst ein einzelnes Qbit nicht kopieren, wenn man über dessen Präparation nichts weiß. Jetzt haben zwei Mathematiker der Princeton Universität ein noch strikteres Klonverbot aufgestellt und bewiesen. Demnach lässt sich für drei Spin-1-Teilchen schon ein einziges klassisches Bit nicht kopieren, ja genauer gesagt nicht einmal 45/49 eines Bits.

Würde das allgemeine quantenmechanische Klonverbot nicht gelten, so könnte man mit zwei Photonen, deren Polarisationen verschränkt sind, Information schneller als das Licht übertragen. Dazu müsste Bob (der Empfänger) nur sein Photon hinreichend oft kopieren, so dass er dessen Polarisationszustand beliebig genau messen kann. Dadurch könnte er herausfinden, ob Alice (der Sender) die Polarisation ihres Photons schon gemessen und folglich die Verschränkung zerstört hat. Auf diese Weise ließen sich Informationen ohne Zeitverzögerung zwischen Alice und Bob übermitteln – und das kausale Gefüge des Universums ginge in die Brüche.

Das spezielle Klonverbot, das John Conway und Simon Kochen jetzt bewiesen haben, ist strikter und seine Konsequenzen sind subtiler. Wenn man für ein Spin-1-Teilchen (z. B. Orthohelium) den Spin längs einer beliebigen Raumrichtung misst, so erhält man einen der drei Eigenwerte, also <S a> = –1, 0 oder +1. Für <S a 2> erhält man deshalb die beiden Werte 0 oder 1. Für ein Spin-1-Teilchen vertauschen jedoch zwei Operatoren S a 2 und S b 2 miteinander, wenn die Richtungen a und b senkrecht zueinander stehen. Das hat zur Folge, dass z. B. die drei Operatoren S x 2, S y 2 und S z 2 gleichzeitig gemessen werden können und jeweils die Werte 0 oder 1 annehmen, dies tun sie aber nicht unabhängig voneinander. Für S=1 gilt nämlich: S x 2 + S y 2 + S z 2 = S(S+1) = 2. Demnach müssen stets zwei der drei Operatoren den Wert 1 und einer den Wert 0 annehmen.

Diese seltsame Abstimmung zwischen den quadrierten Spinkomponenten hatten Simon Kochen und Ernst Specker 1967 ausgenutzt, um ein nach ihnen benanntes weitreichendes Theorem zu beweisen. Demnach führt die in der klassischen Physik plausible Annahme, dass jeder der Operatoren S a 2 schon vor der Messung den – wenn auch unbekannten – Wert 0 oder 1 hat, zu einem Widerspruch. Das war ein heftiger Schlag für alle Versuche, die Quantenmechanik mithilfe von verborgenen Parametern zu „erklären“, denn solche Parameter sollte es nach Kochen und Specker für Systeme, deren Spin größer oder gleich 1 ist, nicht geben.

Im vergangenen Jahr hatten Conway und Kochen die Debatte um die Grundlagen der Quantentheorie weiter angeheizt. Dazu betrachteten sie zwei in solcher Weise verschränkte Spin-1-Zustände, dass deren Verhalten bei Spinmessungen perfekt miteinander abgestimmt war. Weiter nahmen sie an, dass Bob das eine Teilchen und Alice das andere untersucht, wobei Alice und Bob sicherheitshalber einige Lichtminuten voneinander entfernt sind. Wenn Alice für ein beliebiges rechtwinkliges Koordinatensystem die quadrierten Spinkomponenten S x 2, S y 2 und S z 2 misst, findet sie zweimal 1 und einmal 0. Doch welche der drei Komponente den Wert 0 hat, ist völlig unvorhersagbar. Wählt Bob dasselbe Koordinatensystem, so findet er für dieselbe Komponente den Wert 0 wie Alice.

Kochen und Specker zogen daraus einen bemerkenswerten Schluss. Wenn Alice und Bob wirklich frei sind in ihrer Entscheidung, für welches rechtwinklige Koordinatensystem sie die quadrierten Spinkomponenten ihres Teilchens messen wollen, dann sind ihre Messergebnisse durch nichts vorherbestimmt. Die beiden Teilchen sind zwar perfekt aufeinander abgestimmt, haben aber ansonsten völlige „Entscheidungsfreiheit“, welche Messwerte sie annehmen. Die Willensfreiheit der Experimentatoren hängt demnach direkt mit dieser Entscheidungsfreiheit der Teilchen zusammen. Will man die Quantenphysik dennoch auf eine klassisch-physikalische Grundlage stellen, wie es der holländische Theoretiker Gerard 't Hooft versucht, so geht dies offenbar nur dann, wenn man den freien Willen der Experimentatoren für eingeschränkt hält. Dazu scheint 't Hooft in letzter Konsequenz bereit zu sein.

Für solch ein Paar verschränkter Spin-1-Teilchen haben Conway und Kochen nun ein Klon-Verbot bewiesen. Demnach ist es nicht möglich, ein drittes Spin-1-Teilchen in einem Zustand zu präparieren, sodass z. B. sein S x 2 immer dann den Wert 0 hat, wenn dies auch für das Teilchenpaar gilt. Es gelingt also nicht, eine „Teilkopie“ des Paares herzustellen, die es gestatten würde, sein Verhalten teilweise vorherzusagen. Bei dieser Vorhersage würde man weniger als ein Bit Information erhalten, da die Messung in 2/3 aller Fälle den Wert 1 und in 1/3 aller Fälle den Wert 0 ergibt. Vielmehr erhielte man –(2/3) log 2 (2/3) – (1/3) log 2 (1/3), was etwas kleiner ist als 45/49. Man kann in diesem Fall also nicht einmal ein Bit klonen. Das gilt wohl auch dann, wenn unser Wille nicht frei ist.

Rainer Scharf

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