06.09.2010

Knobelspiel mit Quantenwürfel

Ein einfaches Gerät misst das Quantenrauschen von Vakuumfluktuationen und liefert so echte Zufallszahlen.

Ein einfaches Gerät misst das Quantenrauschen von Vakuumfluktuationen und liefert so echte Zufallszahlen.

Was wir landläufig Zufall nennen, entspringt nur einem Mangel an Wissen: Wenn wir Ort, Geschwindigkeit und alle anderen klassischen Eigenschaften sämtlicher Teilchen im Universum absolut genau kennen würden, könnten wir fast alle Prozesse in der Welt unserer Alltagserfahrung vorhersagen. Selbst der Ausgang eines Knobelspiels oder die Lottozahlen ließen sich dann berechnen. Schon gar nicht zufällig sind die Ergebnisse, die Computerprogramme liefern, auch wenn sie dafür gemacht sind: "Sie gaukeln Zufall nur vor, mit geeigneten Tests und einer ausreichenden Datenmenge lässt sich darin aber meist schon ein Muster erkennen", sagt Christoph Marquardt. Eine Forschergruppe um Gerd Leuchs und Marquardt am Max-Planck-Institut für die Physik des Lichts und an der Universität Erlangen-Nürnberg, sowie Ulrik Andersen von der Technischen Universität Dänemark hat dagegen einen Generator für echten Zufall entwickelt.

 Abb.: Max-Planck-Forscher produzieren mithilfe der zufällig schwankende Intensität des Quantenrauschens eines starken Lasers, eines Strahlteiler und zweier identischer Detektoren echte Zufallszahlen. Die Verteilung der Messwerte folgt einer Gaußschen Glockenkurve (unten im Bild). Einzelne Messwerte werden Abschnitten der Glockenkurve zugeordnet, die jeweils einer Zahl entsprechen. (Bild: MPI für die Physik des Lichts)

Den gibt es nur in der Quantenwelt: Mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit hält sich ein Quantenteilchen mal an diesem Ort und mal an jenem auf, und bewegt sich mal mit dieser Geschwindigkeit und mal mit jener. "Diese Zufälligkeit quantenmechanischer Prozesse nutzen wir aus, um Zufallszahlen zu produzieren", sagt Christoph Marquardt.

Als "Quantenwürfel" dienen den Wissenschaftlern Vakuumfluktuationen. Diese Paare aus Teilchen und Anti-Teilchen, die den klassischen Energieerhaltungssatz überwinden können, hinterlassen in ausgeklügelten Messungen Spuren: das Quantenrauschen. Dieses völlig zufällige Rauschen entsteht dabei erst, wenn die Physiker hinsehen, also eine Messung vornehmen.

Zufallszahlen für die Datenverschlüsselung

Um das Quantenrauschen sichtbar zu machen, teilen die Forscher einen starken Laserstrahl an einem Strahlteiler gleichmäßig auf. Ein Strahlteiler besitzt zwei Eingänge und zwei Ausgänge. Den zweiten Eingang decken die Forscher ab, so dass kein Licht eintreten kann. Die Vakuumfluktuationen sind aber immer noch vorhanden und beeinflussen die beiden ausgehenden Teilstrahlen. Diese schicken die Physiker zu Photo-Detektoren, mit denen sie die Intensität des Photonenstroms messen.

Wenn die Wissenschaftler jetzt die Messkurven der beiden Detektoren voneinander subtrahieren, kommt nicht etwa nichts raus. Vielmehr bleibt das Quantenrauschen übrig. "Bei der Messung wird die quantenmechanische Wellenfunktion in einen Messwert umgewandelt", sagt Christian Gabriel, der das Experiment mit dem Zufallsgenerator gemeinsam mit seinen Kollegen am Erlanger Max-Planck-Institut vorgenommen hat: "Die Statistik ist dabei vorgegeben, aber welche Intensität jeweils gemessen wird, bleibt dem reinen Zufall überlassen." Verteilt nach einer Gaußschen Glockenkurve treten die schwächsten Messwerte häufiger auf, die stärksten nur sehr selten. Die Glockenkurve der Intensitätsverteilung teilen die Forscher in Abschnitte mit gleich großen Flächen und ordnen jedem Abschnitt eine Zahl zu. Mit diesen Abschnitten kann "gewürfelt" werden.

Das "quantenmechanische Würfelspiel" haben die Forscher natürlich nicht zum Zeitvertreib in ihren Kaffeepausen ausgetüftelt. "Echte Zufallszahlen sind schwer zu erzeugen, aber in vielen Bereichen gefragt", sagt Gerd Leuchs, Direktor am Erlanger Max-Planck-Institut für die Physik des Lichts. Vor allem die Sicherheitstechnik braucht zufällige Zahlenkombinationen, um damit etwa den Transfer von Bankdaten zu verschlüsseln. Mit Zufallszahlen lassen sich aber auch komplexe Prozesse simulieren, deren Ausgang von Wahrscheinlichkeiten abhängt. So sagen Ökonomen mit sogenannten Monte-Carlo-Simulationen Entwicklungen auf Märkten voraus, und Meteorologen modellieren damit Wetter- und Klimaveränderungen.

Der "Quantenwürfel" arbeitet mit Standardgeräten

Dass die Erlanger Physiker die Zufallszahlen ausgerechnet mit den Vakuumfluktuationen auswürfeln und nicht mit einem der zahlreichen anderen zufälligen Quantenprozesse, hat einen triftigen Grund. Beobachten Physiker etwa die Geschwindigkeitsverteilung von Elektronen oder das Quantenrauschen eines Lasers, wird das zufällige Quantenrauschen meist von klassischem Rauschen überlagert. Das wiederum ist letztlich eben nicht zufällig. "Wenn wir das Quantenrauschen eines Laserstrahls messen wollen, beobachten wir auch klassisches Rauschen, das zum Beispiel von einem wackelnden Spiegel stammt", sagt Christoffer Wittmann, der an dem Experiment mitgearbeitet hat. Als Prozess der klassischen Physik lässt sich das Vibrieren des Spiegels prinzipiell berechnen und verdirbt das Würfelspiel.

"Wir erhalten zwar auch einen Anteil klassischen Rauschens durch die Messelektronik", sagt Wolfgang Mauerer, der dies im Experiment untersucht hat: "Wir kennen unser System aber sehr gut und können diesen Anteil genau berechnen und entfernen." Quantenfluktuationen erlauben es den Physikern aber nicht nur, das reine Quantenrauschen zu belauschen, außer ihnen kann auch keiner mithören. "Die Vakuumfluktuationen liefern einzigartige Zufallszahlen", sagt Christoph Marquardt. Bei anderen Quantenprozessen fällt der Nachweis der Einzigartigkeit schwerer und es besteht die Gefahr, dass ein Datenspion eine Kopie der Zahlen erhält. "Das wollen wir natürlich vermeiden, wenn es um Zufallszahlen für Datenschlüssel geht", sagt Marquardt.

Und die Physiker brauchen nicht einmal besonders ausgeklügelte Geräte für das "Würfeln mit Quanten". Die technischen Komponenten ihres Zufallsgenerators gehören vielmehr zur Grundausstattung vieler Laserlabore. "Wir brauchen für den Aufbau weder einen besonders guten Laser noch besonders teure Detektoren", erklärt Christian Gabriel. Das dürfte ein Grund mehr sein, warum sich bereits Unternehmen für die Technik interessieren, um sie kommerziell zu nutzen.

Max-Planck-Gesellschaft/PH

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