Kohärenz macht den Unterschied
Quanteneffekte bewirken extrem effiziente Umwandlung von Sonnenlicht in chemische Energie.
Die Photosynthese ist der grundlegende Prozess, der das Licht der Sonne mit dem Leben auf der Erde verbindet. Trotzdem sind noch viele Schritte auf diesem Weg unerforscht. Insbesondere die außerordentlich hohe Effizienz von über neunzig Prozent, mit der die einfallenden Photonen in Zentrum der photoaktiven Moleküle in getrennte Ladungen umgewandelt werden, wirft Rätsel auf. Schon länger vermuten Forscher, quantenphysikalische Kohärenzeffekte seien für diesen hohen Wirkungsgrad verantwortlich. Diese ersten Schritte bei der Photosynthese laufen aber einerseits enorm schnell ab, andererseits jedoch in einer warmen Umgebung und in einem komplexen biochemischen Umfeld, in dem viele Faktoren zu zügiger Dekohärenz führen können. Neue Messungen zeigen nun im Detail, wie die kohärente Kombination von elektronischer Anregung und molekularen Vibrationszuständen zur effizienten und schnellen Ladungstrennung führen kann, die für die weiteren Schritte der Photosynthese wichtig ist.
Abb.: Die kohärenten Anregungszustände im Photosystem-II sorgen für eine extrem effiziente und schnelle Umwandlung des Sonnenlichts. (Bild: E. Romero et al.)
Wissenschaftler der Freien Universität Amsterdam in Kollaboration mit der Moskauer State University und der Universität Lund haben hierfür das Photosystem-II untersucht, das – trotz seines historisch bedingten Namens – die ersten Schritte bei der Umwandlung von Sonnenlicht bewerkstelligt. Das Photosystem-II besteht aus einem Antennensystem, das die Photonen einfängt, sowie einem Reaktionszentrum, in dem schließlich die Anregungsenergie zur Ladungstrennung an einer Membran führt. Da biologische Systeme die Photosynthese zur längerfristigen Speicherung von Energie nutzen, folgen auf diesen Prozess dann weitere Reaktionsschritte, vor allem über das Photosystem-I, die schließlich zum Aufbau von Kohlenstoffverbindungen führen.
Zur Bestimmung der Kohärenzeffekte verwandten die Wissenschaftler um Rienk van Grondelle Molekülkomplexe aus dem Reaktionszentrum von Spinatpflanzen. Sie untersuchten deren Verhalten mit Hilfe zweidimensionaler Elektronenspektroskopie, und zwar sowohl bei Raumtemperatur als auch unter kryogenischen Bedingungen bei achtzig Kelvin. Die Messungen bei Zimmertemperatur lieferten dabei realistische Bedingungen, wie sie auch in lebenden Pflanzen auftreten. Allerdings sind die Spektren bei diesen Temperaturen nicht sehr scharf. Die Forscher konnten mit Hilfe der kryogenischen Daten diese Defizite ausgleichen und besser interpretieren.
Im Reaktionszentrum des Photosystems-II befinden sich neben anderen molekularen Verbindungen unter anderem sechs Chlorophyll-Moleküle. Die zentrale Struktur ist in quasisymmetrischen Zweigen angeordnet. Wenn Sonnenlicht auf das Chlorophyll fällt, entstehen dort Exzitonen, die über mehrstufigen Elektronentransfer zu getrennten Ladungen führen. Hier können aber an vielen Stellen Effekte auftreten, die die beobachtete Effizienz stören. Die energetische Unordnung bei Raumtemperatur kann über die Vibrationen der Pigmente und Proteine einerseits dynamische Unordnung bewirken. Außerdem erzeugt die langsame Bewegung der Moleküle statische Unordnung, wodurch sich die energetische Landkarte verschiebt. Dies wiederum hat Einfluss auf die Energie der Elektronenzustände und damit auch auf die Elektronenkonfiguration, die für die Ladungstrennung entscheidend ist.
„Zur Messung diente ein ultraschnelles Lasersystem mit einer komplexen Anordnung optischer Elemente“, sagt Elisabet Romero. Die Forscher bestrahlten den Reaktionskomplex mit einer Serie von drei kurzen Laserpulsen, deren zeitlichen Abstand sie an die an die Reaktionsraten anpassten. Die Laserstrahlung hatte ein Maximum bei 680 Nanometern bei einer Halbwertsbreite von 80 Nanometern und 16 Femtosekunden Pulsdauer. Die spektroskopischen Daten kombinierten die Forscher mit theoretischen Modelle, die die unbeobachtbaren Lücken zwischen den Reaktionsschritten schließen halfen.
Zum einen zeigten die beiden Exzitonen, die schließlich zur Ladungstrennung führen, Kohärenz. Und zum anderen konnten die Forscher auch zwischen Exziton und dem ersten Ladungstrennungszustand Kohärenz nachweisen. Insgesamt spielt quantenphysikalische Kohärenz also eine bedeutende Rolle für die hocheffiziente Umwandlung von Sonnenenergie. Außerdem fanden die Forscher heraus, dass der Ursprung der Kohärenz zwischen den Chlorophyll-Molekülen in synchronisierten Schwingungszuständen bestand. Die Lebensdauer der kohärenten Zustände ist auch unter Umgebungsbedingungen lang genug, um Ladungstrennung zu bewirken.
Der gesamte Prozess läuft über die gemeinsame Anregung von Vibrationen und elektronischen Zuständen ab und führt innerhalb einiger Dutzend bis Hundert Femtosekunden zur gewünschten Ladungstrennung. Dabei delokalisiert sich die Energie der einfallenden Photonen über mehrere Kofaktoren, wobei ein Mischzustand von Exzitonen und Ladungstrennungszuständen entsteht, der sehr schnelle Kanäle für die Relaxation und den Ladungstransfer liefert.
Damit erklärt sich auch die enorme Effizienz des gesamten Vorgangs: Denn dank der delokalisierten und kohärenten Anregungszustände läuft der Prozess parallel und wellenförmig über verschiedene Wege ab. Wenn ein Pfad blockiert oder gestört ist, wählt der kohärente Zustand einen anderen. Damit kann sich der Prozess sozusagen die optimale Route durch die energetische Landschaft wählen, die am einfachsten zur Ladungstrennung führt. Die Evolution hat hier also ein enorm effizientes System gefunden, wie sich Sonnenenergie in chemische umsetzen lässt. „In Zukunft könnte man vielleicht auch künstliche Systeme auf der Basis quantenkohärenter Effekte entwickeln, um Sonnenenergie hocheffizient zu nutzen“, so Romero.
Dirk Eidemüller
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