16.07.2014

Kohärenz macht den Unterschied

Quanteneffekte bewirken extrem effiziente Umwandlung von Sonnenlicht in chemische Energie.

Die Photosynthese ist der grundlegende Prozess, der das Licht der Sonne mit dem Leben auf der Erde verbindet. Trotzdem sind noch viele Schritte auf diesem Weg unerforscht. Insbesondere die außerordentlich hohe Effizienz von über neunzig Prozent, mit der die einfallenden Photonen in Zentrum der photoaktiven Moleküle in getrennte Ladungen umgewandelt werden, wirft Rätsel auf. Schon länger vermuten Forscher, quanten­physi­kalische Kohärenz­effekte seien für diesen hohen Wirkungsgrad verantwortlich. Diese ersten Schritte bei der Photo­synthese laufen aber einerseits enorm schnell ab, andererseits jedoch in einer warmen Umgebung und in einem komplexen bio­chemischen Umfeld, in dem viele Faktoren zu zügiger Dekohärenz führen können. Neue Messungen zeigen nun im Detail, wie die kohärente Kombination von elektro­nischer Anregung und molekularen Vibrations­zuständen zur effizienten und schnellen Ladungs­trennung führen kann, die für die weiteren Schritte der Photo­synthese wichtig ist.

Abb.: Die kohärenten Anregungszustände im Photosystem-II sorgen für eine extrem effiziente und schnelle Umwandlung des Sonnenlichts. (Bild: E. Romero et al.)

Wissenschaftler der Freien Universität Amsterdam in Kollabo­ration mit der Moskauer State University und der Universität Lund haben hierfür das Photosystem-II untersucht, das – trotz seines historisch bedingten Namens – die ersten Schritte bei der Umwandlung von Sonnenlicht bewerkstelligt. Das Photosystem-II besteht aus einem Antennen­system, das die Photonen einfängt, sowie einem Reaktions­zentrum, in dem schließlich die Anregungs­energie zur Ladungs­trennung an einer Membran führt. Da biologische Systeme die Photo­synthese zur länger­fristigen Speicherung von Energie nutzen, folgen auf diesen Prozess dann weitere Reaktions­schritte, vor allem über das Photosystem-I, die schließlich zum Aufbau von Kohlenstoffverbindungen führen.

Zur Bestimmung der Kohärenz­effekte verwandten die Wissenschaftler um Rienk van Grondelle Molekül­komplexe aus dem Reaktions­zentrum von Spinat­pflanzen. Sie untersuchten deren Verhalten mit Hilfe zwei­dimensionaler Elektronen­spektroskopie, und zwar sowohl bei Raum­temperatur als auch unter kryoge­nischen Bedingungen bei achtzig Kelvin. Die Messungen bei Zimmer­temperatur lieferten dabei realistische Bedingungen, wie sie auch in lebenden Pflanzen auftreten. Allerdings sind die Spektren bei diesen Tempera­turen nicht sehr scharf. Die Forscher konnten mit Hilfe der kryogenischen Daten diese Defizite ausgleichen und besser interpretieren.

Im Reaktionszentrum des Photosystems-II befinden sich neben anderen molekularen Verbindungen unter anderem sechs Chlorophyll-Moleküle. Die zentrale Struktur ist in quasi­symmetrischen Zweigen angeordnet. Wenn Sonnen­licht auf das Chlorophyll fällt, entstehen dort Exzitonen, die über mehrstufigen Elektronen­transfer zu getrennten Ladungen führen. Hier können aber an vielen Stellen Effekte auftreten, die die beobachtete Effizienz stören. Die energetische Unordnung bei Raum­temperatur kann über die Vibrationen der Pigmente und Proteine einerseits dynamische Unordnung bewirken. Außerdem erzeugt die langsame Bewegung der Moleküle statische Unordnung, wodurch sich die energe­tische Land­karte verschiebt. Dies wiederum hat Einfluss auf die Energie der Elektronen­zustände und damit auch auf die Elektronen­konfiguration, die für die Ladungs­trennung entscheidend ist.

„Zur Messung diente ein ultra­schnelles Lasersystem mit einer komplexen Anordnung optischer Elemente“, sagt Elisabet Romero. Die Forscher bestrahlten den Reaktions­komplex mit einer Serie von drei kurzen Laserpulsen, deren zeitlichen Abstand sie an die an die Reaktionsraten anpassten. Die Laserstrahlung hatte ein Maximum bei 680 Nanometern bei einer Halbwertsbreite von 80 Nanometern und 16 Femto­sekunden Pulsdauer. Die spektroskopischen Daten kombinierten die Forscher mit theoretischen Modelle, die die unbeobacht­baren Lücken zwischen den Reaktionsschritten schließen halfen.

Zum einen zeigten die beiden Exzitonen, die schließlich zur Ladungs­trennung führen, Kohärenz. Und zum anderen konnten die Forscher auch zwischen Exziton und dem ersten Ladungs­trennungs­zustand Kohärenz nachweisen. Insgesamt spielt quanten­physikalische Kohärenz also eine bedeutende Rolle für die hoch­effiziente Umwandlung von Sonnen­energie. Außerdem fanden die Forscher heraus, dass der Ursprung der Kohärenz zwischen den Chlorophyll-Molekülen in synchro­nisierten Schwingungs­zuständen bestand. Die Lebens­dauer der kohärenten Zustände ist auch unter Umgebungs­bedingungen lang genug, um Ladungs­trennung zu bewirken.

Der gesamte Prozess läuft über die gemeinsame Anregung von Vibrationen und elektro­nischen Zuständen ab und führt innerhalb einiger Dutzend bis Hundert Femtosekunden zur gewünschten Ladungs­trennung. Dabei delokalisiert sich die Energie der einfallenden Photonen über mehrere Kofaktoren, wobei ein Misch­zustand von Exzitonen und Ladungs­trennungs­zuständen entsteht, der sehr schnelle Kanäle für die Relaxation und den Ladungs­transfer liefert.

Damit erklärt sich auch die enorme Effizienz des gesamten Vorgangs: Denn dank der delokali­sierten und kohärenten Anregungs­zustände läuft der Prozess parallel und wellen­förmig über verschiedene Wege ab. Wenn ein Pfad blockiert oder gestört ist, wählt der kohärente Zustand einen anderen. Damit kann sich der Prozess sozusagen die optimale Route durch die energetische Land­schaft wählen, die am einfachsten zur Ladungs­trennung führt. Die Evolution hat hier also ein enorm effizientes System gefunden, wie sich Sonnen­energie in chemische umsetzen lässt. „In Zukunft könnte man vielleicht auch künstliche Systeme auf der Basis quanten­kohärenter Effekte entwickeln, um Sonnen­energie hoch­effizient zu nutzen“, so Romero.

Dirk Eidemüller

OD

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