Kohlenmonoxid in metallarmer Zwerggalaxie
Das Gas dient als Indikator für interstellare Wolken und beschleunigt die Sternentstehung – Nachweis erstmals in Galaxie mit wenigen schweren Elementen.
In gewöhnlichen Galaxien wie unserer Milchstraße ist Kohlenmonoxid ein wichtiges Hilfsmittel für Astronomen. Es findet sich in hinreichender Menge in kalten interstellaren Wolken und besitzt Anregungszustände in seinem Rotationsspektrum, die bei diesen Temperaturen gut messbar sind. Forscher benutzen deshalb Kohlenmonoxid als Indikator für die Existenz von interstellaren Wolken. Bislang hatten Astronomen dieses Gas aber nur in älteren, weit entwickelten Galaxien nachweisen können, die relativ reich an Metallen sind. Astronomen bezeichnen alle Elemente, die schwerer als Helium sind, als Metalle. Manche Zwerggalaxien jedoch, die sich langsamer entwickeln und in ihrer Elementkomposition damit den Zustand des Universums in früheren Zeiten widerspiegeln, besitzen einen deutlich geringeren Anteil an „Metallen“.
Abb.: Kompositbild der gasreichen Zwerggalaxie Wolf-Lundmark-Melotte. In den Regionen A und B konnten die Astronomen Kohlenmonoxid nachweisen. Die mit Kreuzen markierten Bereiche untersuchten sie ebenfalls; die Messungen ergaben aber kein klares Signal. (Bild: B. G. Elmegreen et al., Nature)
Da molekularer Wasserstoff bei den in Molekülwolken herrschenden Temperaturen von wenigen Dutzend Kelvin nicht nachweisbar ist, nutzen Astronomen zur Identifikation solcher Wolken die Rotationsübergänge von Kohlenmonoxid. Außerdem ist die Ausdehnung von Molekülwolken mit der Linienbreite dieser Übergänge verknüpft. Einem amerikanisch-chilenischen Team ist es nun gelungen, in einer metallarmen Zwerggalaxie über eine Kombination von Radio-, Infrarot- und Submillimeter-Aufnahmen Kohlenmonoxid nachzuweisen. In metallarmen Galaxien, in denen das Verhältnis von Sauerstoff zu Wasserstoff weniger als zwanzig Prozent dessen in unserer Sonne beträgt, konnten Forscher bislang noch nie Kohlenmonoxid nachweisen.
Die Astronomen untersuchten die Zwerggalaxie Wolf-Lundmark-Melotte, kurz WLM genannt. Sie liegt in gut drei Millionen Lichtjahren Entfernung isoliert am Rand unserer Lokalen Gruppe. Dies ist der Galaxienhaufen, zu dem neben der Milchstraße und Andromeda auch die Große und Kleine Magellansche Wolke sowie einige Dutzend unbekanntere Galaxien zählen. WLM hat eine irreguläre Form und besitzt nur rund ein Tausendstel der Masse unserer Milchstraße. Ihr Anteil an schweren Elementen beträgt lediglich 13 Prozent im Vergleich zur Zusammensetzung unserer Sonne. Während unsere Galaxie aber schon einen guten Teil ihrer Gas- und Molekülwolken in Sterne umgewandelt hat, ist WLM noch sehr gasreich und hat dementsprechend eine Sternentstehungsrate, die relativ zu ihrer Masse um einen Faktor zwölf höher liegt. Im Vergleich zu Sternentstehungsgebieten wie etwa dem Orion-Nebel liegt die Rate in den Molekülwolken von WLM aber um rund eine Größenordnung tiefer.
Von besonderem Interesse für die Forscher war es deshalb, den Anteil an Kohlenmonoxid zu bestimmen, um diese Rate mit weiter entwickelten Galaxien vergleichen und daraus Schlüsse auf die Sternbildung im jungen Universum ziehen zu können. Denn Kohlenmonoxid eignet sich nicht nur als Indikator für interstellare Wolken, in denen sich neue Sterne bilden können. Es beschleunigt auch die Sternentstehung. Bei deren Bildung muss die bei der Gaskontraktion entstehende Wärme nach außen fließen, sonst wirkt der steigende Druck der Verdichtung entgegen. Jeder Mechanismus, der bei den dort herrschenden, ohnehin tiefen Temperaturen Energie nach außen transportiert, erhöht somit die Sternentstehungsrate. Kohlenmonoxid wirkt dank seiner Strahlung als effektiver Katalysator.
Die Forscher kombinierten neue Aufnahmen des Atacama Pathfinder Experiments, eines Radioteleskops im chilenischen Hochland, mit Daten des Spitzer-Weltraumteleskops und älteren Archivaufnahmen. Dies ermöglichte ihnen, die Verhältnisse von elementarem und molekularem Wasserstoff sowie Kohlenmonoxid und Staub zu bestimmen. Kohlenmonoxid fanden sie in zwei Regionen einer Molekülwolke, wobei nicht alle Daten dieselbe räumliche Auflösung besaßen. Der Kohlenmonoxid-Anteil betrug zwar nur drei Prozent dessen, was in der Milchstraße üblich ist. Damit gelang es den Forschern jedoch, erstmals Kohlenmonoxid in einer metallarmen Galaxie nachzuweisen, und zwar bei Konzentrationen, die nur ein Sechstel der bisherigen Nachweisgrenze bei vergleichbaren Bedingungen betrugen.
Die Forscher untersuchten auch benachbarte Regionen, allerdings ohne eindeutiges Ergebnis. Sie konnten dort nur eine obere Grenze für die Konzentration an Kohlenmonoxid angeben. Mit ihren Ergebnissen konnten sie aber die Molekülwolke in WLM neu vermessen. Ihre Größe bestimmten sie zu etwa 100.000 Sonnenmassen. Die Masse einer Gassäule in dieser Wolke entsprach gut fünf Sonnenmassen pro Quadratlichtjahr. Die Wissenschaftler sind dank ihrer Ergebnisse optimistisch, Sternentstehungsprozesse auch in jungen Galaxien mit heutigen Techniken nachvollziehen zu können.
Dirk Eidemüller
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