Kohlenstoff-Riesenmoleküle für neue Technologien
Zukunftsweisende Materialien aus Kunststoffen und Graphen in Verbundprojekt „FUNgraphen“ entwickelt.
Graphen war bisher nur in aufwendigen Verfahren mit hohen Kosten verfügbar und deshalb für Kunststoffanwendungen wenig geeignet. Die Gruppe um den geschäftsführenden Direktor des Freiburger Materialforschungszentrums (FMF) der Albert-Ludwigs-Universität, Rolf Mülhaupt, konnte nun Graphen mit Kunststoffmolekülen verbinden, es für Kunststoff-Anwendungen maßschneidern und im Kilogrammmaßstab für die Materialoptimierung bereitstellen.
Abb.: Klassisches Graphit besteht aus zahlreichen Lagen des Kohlenstoffs Graphen (l. o.). Die in Freiburg entwickelten Graphen-Riesenmoleküle sind weniger als ein millionstel Millimeter dick, aber großflächig und erreichen Weiten von mehr als einem hundertstel Millimeter (r.). Sie können mit Kunststoffen verknüpft werden, um diesen neue Eigenschaften zu verleihen (l. u.; Bild: U. Freiburg)
Die neuen Verfahren ermöglichen es, einzelne Kohlenstoffatomlagen mit wabenartiger Anordnung der Kohlenstoffatome aus natürlichem Graphit abzulösen. Es entstehen Kohlenstoff-Makromoleküle, die weniger als ein millionstel Millimeter dick, aber großflächig sind und Weiten von mehr als einem hundertstel Millimeter erreichen. Die Forscher können die Kohlenstoffmoleküle direkt mit den Molekülen von Kunststoffen chemisch und physikalisch verknüpfen. So entstehen molekulare Kohlenstoff-Verbundstoffe, die leicht, fest, bioverträglich, und elektrisch leitfähig sind. Zudem sind sie beständig gegen Hitze, Chemikalien und Strahlung sowie gas- und flüssigkeitsundurchlässig. „Sie können dazu beitragen, die Ressourcen- und Energieeffizienz von Kunststoffen erheblich zu steigern“, sagt Mülhaupt.
Darüber hinaus haben die Forscher ohne Zusatz von Bindemitteln einzelne dieser großflächigen Kohlenstoffmoleküle in Wasser, ungiftigen Lösemitteln und Kunststoffen fein verteilt und konzentrierte stabile Dispersionen hergestellt. Mit diesen Stoffgemengen können sie Oberflächen beschichten und leitfähige Kohlenstofffolien sowie Leiterbahnen drucken. Auf diese Weise kann Kohlenstoff teure Übergangsmetalle wie Palladium oder Indium ersetzen. „Anwendungen reichen von der druckbaren Elektronik bis hin zu gedruckten Katalysatoren mit Porendesign für die Herstellung von Feinchemikalien mit einfacher Katalysatorrückgewinnung“, sagt Mülhaupt. Im Vergleich zu Indiumzinnoxid-Schichten sind die leitfähigen Kohlenstoffschichten mechanisch erheblich robuster. Den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern am FMF gelang es außerdem, mit Kohlenstoff-Makromolekülen Kunststoffe und Gummi zu verstärken und sie gleichzeitig elektrisch leitfähig, strahlungsbeständig und gasdichter zu machen. Diese Stoffe sind für Anwendungen bei Benzintanks und Kraftstoffleitungen, bei Gehäusen, die gegen elektromagnetische Strahlung abgeschirmt sind, sowie bei Leichtlauf-Autoreifen für reduzierten Kraftstoffverbrauch von Interesse.
Beispiele aus der Forschungsarbeit der Projektpartner zeigen ebenfalls: Kohlenstoff-Makromoleküle sind vielseitige Bausteine, die im Vergleich zu den bisher üblichen Kohlenstoff-Nanopartikeln neue Potenziale eröffnen, um nachhaltige Materialien und Technologien zu entwickeln. Im „FUNgraphen“-Verbundprojektteam an der Universität Bayreuth hat Volker Altstädt die Zellgrößen von Schäumen durch die Zugabe von Kohlenstoff-Makromolekülen erheblich verkleinert. Auf dieser Basis können die Forscher die Wärmedämmwirkung von Schaumstoffen steigern und neue, hocheffiziente Dämmstoffe entwickeln. Der „FUNgraphen“-Gruppe um Bernhard Schartel an der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM) ist es gelungen, die Brandschutzwirkung halogenfreier Flammschutzmittel zu steigern, indem er sie mit geringen Zusätzen der neuen Kohlenstoff-Makromoleküle versehen hat. Ein Kunststoff, der mit diesem neuen Mittel ausgerüstet ist, entzündet sich auch nach mehrfachem Beflammen nicht – im Unterschied zu ungeschützten Kunststoffen, die sich bei hohen Temperaturen verformen lassen und sofort zu brennen beginnen, wenn sie mit Feuer in Kontakt kommen.
ALU / OD