Kohlenstoff schwärzt Vestas Krater
Gewaltige Einschläge von Asteroiden könnten kohlenstoffreiches Material auf den Protoplaneten getragen haben.
Vesta ist in vielerlei Hinsicht bemerkenswert. Zum einen ist der Himmelskörper, der zwischen den Bahnen von Mars und Jupiter um die Sonne kreist und einen Durchmesser von etwa 530 Kilometern hat, einer der wenigen Protoplaneten in unserem Sonnensystem, die heute noch intakt sind. Wie andere Protoplaneten war Vesta vor etwa 4,5 Milliarden Jahren ein heißer, geschmolzener Körper. Wissenschaftler gehen jedoch davon aus, dass der Großteil der vulkanischen Aktivität nach nur wenigen Millionen Jahren zum Erliegen kam. Vesta ist somit eine Art Zeitkapsel aus einer frühen Entwicklungsphase des Sonnensystems.
Abb.: In dieser dreidimensionalen Darstellung eines kleineren Kraters auf der Vesta ist das dunkle, kohlenstoffreiche Material im Inneren des Kraters sichtbar. (Bild: NASA/JPL-Caltech/UCLA/MPS/DLR/IDA)
Zum anderen haben die Aufnahmen der Raumsonde Dawn eine Oberfläche mit ausgeprägten Unterschieden in Helligkeit und Zusammensetzung offenbart. Es gibt auf Vesta helles Material, das so weiß ist wie Schnee, und dunkle Bereiche, die so schwarz sind wie Kohle. Besonders dieses rätselhafte, dunkle Material könnte weiteren Aufschluss über die Entwicklung und Vergangenheit des Protoplaneten – und damit des gesamten Sonnensystems – geben. Eine Forschergruppe unter Leitung des Max-Planck-Instituts in Katlenburg-Lindau konnte nun zeigen, dass dieses Material nicht ursprünglich zu Vesta gehörte, sondern durch Einschläge von Asteroiden eingebracht wurde.
„Vieles spricht dafür, dass das dunkle Material sehr reich an Kohlenstoff ist“, erklärt Vishnu Reddy vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung und der Universität von North Dakota in den USA, Erstautor der neuen Studie. Er und seine Kollegen haben die bisher umfassendste Analyse dieses Materials vorgelegt. Die detaillierten Untersuchungen legen einen Zusammenhang zwischen dem dunklen Material und den beiden riesigen Asteroideneinschlägen nahe, die Vestas Südhalbkugel prägen
„In einem ersten Schritt haben wir eine genaue Übersichtskarte erstellt, welche die Verteilung des dunklen Materials zeigt“, erklärt Lucille Le Corre vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung. Diese Informationen konnten die Forscher den Aufnahmen des Kamerasystems an Bord der Raumsonde Dawn entnehmen. „Dabei haben wir etwas Erstaunliches entdeckt“, fährt sie fort. Das dunkle Material gruppiert sich in erster Linie um die Ränder der beiden großen Krater auf der Südhalbkugel. Genauere Untersuchungen zeigten, dass dieses Gestein wahrscheinlich mit dem ersten der beiden Einschläge, der vor etwa zwei bis drei Milliarden Jahren das Veneneia-Becken bildete, auf den Protoplaneten kam. Der zweite Einschlag, in dessen Folge das riesige Rheasilvia-Becken entstand, hat einen Teil dieses Material dann später überdeckt.
Abb.: Übersichtskarte der Südhalbkugel der Vesta. Die Kreise, Rauten und Sterne zeigen die Fundstellen des dunklen, kohlenstoffreichen Materials. Die rote Linie zeigt den Rand des Veneneia-Beckens, die schwarze Linie den Rand des Rheasilvia-Beckens. (Bild: NASA/JPL-Caltech/UCLA/MPS/DLR/IDA)
Umfangreiche Modellrechnungen der Forscher unterstützen die Theorie der zwei Einschläge – und erlauben zudem genaueren Aufschluss über deren Verlauf. So konnten die Wissenschaftler in Computersimulationen bestimmen, welche Aufprallgeschwindigkeiten mit den gefundenen Konzentrationen des dunklen Materials vereinbar sind. „Alles spricht für einen vergleichsweise langsamen Zusammenstoß mit Geschwindigkeiten von weniger als zwei Kilometern pro Sekunde“, so Reddy. Der Einschlag im Nördlinger Ries im Süden Deutschlands geschah dagegen bei etwa 20 Kilometern pro Sekunde. Und auch die räumliche Verteilung des Materials, welche die Forscher berechnen konnten, entspricht dem Bild, das sich heute zeigt.
Informationen über das dunkle Material liefern auch die sogenannten HED-Meteorite, die der Vesta entstammen. Einige dieser Meteoriten zeigen dunkle Einschlüsse, die ebenfalls reich an Kohlenstoff sind. Das Kürzel HED steht dabei für die Gesteinsarten Howardit, Eucrit und Diogenit, aus denen diese Meteoriten in erster Linie bestehen. „Durch genaue Analyse des dunklen Materials auf der Vesta und Vergleichen mit Laboruntersuchungen dieser Meteorite konnten wir nun den ersten direkten Beweis liefern, dass die HED-Meteorite tatsächlich Bruchstücke von Vesta sind“, so Le Corre.
„Bei unseren Analysen geht es längst nicht nur darum, die genaue Entwicklungsgeschichte der Vesta zu rekonstruieren“, betont Holger Sierks, Co-Investigator der Dawn-Mission am Max-Planck-Institut in Katlenburg-Lindau. Vielmehr wollen die Forscher die Bedingungen im frühen Sonnensystem verstehen.
Die Mission Dawn startete vor etwa fünf Jahren ins All und schwenkte am 16. Juli 2011 in eine Umlaufbahn um den Protoplaneten Vesta ein. 2015 soll die Raumsonde ihr zweites Reiseziel, den Zwergplaneten Ceres, erreichen, der wie Vesta im Asteroidengürtel zwischen den Umlaufbahnen des Mars und des Jupiter um die Sonne kreist.
MPG / PH