Eta Carinae ist ein Doppelsternsystem mit zwei massereichen Komponenten in etwa 7500 Lichtjahren Entfernung. Der Doppelstern ist vom Homunkulus-Nebel umgeben, dem Überrest von Material, das 1843 bei einem gewaltigen Ausbruch herausgeschleudert wurde. Beide Komponenten des Doppelsternsystems sind extrem leuchtkräftig. Ihre gewaltige Strahlung stößt große Mengen von Material in Form von schnellen Sternwinden von der Oberfläche ab. Diese Hochgeschwindigkeits-Sternwinde stoßen im Raum zwischen beiden Sternen zusammen. Das führt zu extremen physikalischen Prozessen in der zentralen Region zwischen beiden Sternen, wo der Sternwind der Sekundärkomponente mit einer Geschwindigkeit von rund 3000 km/s auf den dichten Sternwind der Primärkomponente stößt. Im Kollisionsgebiet steigt die Temperatur auf über zehn Millionen Grad, heiß genug für die Erzeugung von Röntgenstrahlung. Bislang war es nicht möglich, diese zentrale Region räumlich aufzulösen, da ihre Winkelausdehnung selbst für die größten existierenden Teleskope zu gering war.
Abb.: Links: der Homunkulus-Nebel um das massereiche Doppelsternsystem Eta Carinae. Rechts: hochaufgelöstes Bild der Windkollisionszone im Zentralbereich von Eta Carinae. Dieses Gebiet ist rund hundertmal größer als der Durchmesser von jedem der beiden Sterne. Die gelbe Ellipse zeigt die Umlaufbahn des Doppelsternsystems und die zwei roten Punkte die Positionen der beiden Sterne zum Zeitpunkt der Beobachtung. (Bild: ESO / G. Weigelt, MPIfR)
Ein internationales Team von Astronomen unter der Leitung von Gerd Weigelt vom MPI für Radioastronomie hat nun mit einer neuartigen Bildverarbeitungstechnik auf der Grundlage von interferometrischen Beobachtungen mit großen Basislinien extrem hochaufgelöste Bilder von Eta Carinae erhalten. Die Technik kombiniert das Licht von drei oder mehr Teleskopen zu Multi-Teleskopbildern oder Interferogrammen. Aus einer großen Anzahl solcher Interferogramme können mit ausgefeilten Bildrekonstruktionsmethoden extrem scharfe Bilder gewonnen werden. Mit dieser Methode werden Winkelauflösungen erreicht, die proportional zum Abstand zwischen den einzelnen Teleskopen sind. Die neuen Beobachtungen von Eta Carinae wurden mit dem Interferometrie-Instrument AMBER am Very Large Telescope Interferometer der Europäischen Südsternwarte ESO gewonnen. Die in drei der beweglichen 1,8m-VLTI-Teleskope einfallende Infrarotstrahlung wurde mit AMBER kombiniert. Mit einem maximalen Abstand von 130 Metern zwischen den Teleskopen konnte eine Winkelauflösung erreicht werden, die diejenige der größten Einzelteleskope um das Zehnfache übersteigt.
Die Anwendung der Bildtechniken zur Erzeugung von Infrarotbildern mit extrem hoher Auflösung hat es dem Forscherteam zum ersten Mal ermöglicht, direkte Abbildungen sowohl von der Sternwindzone um den Primärstern als auch von der Kollisionszone beider Sternwinde zwischen Primär- und Sekundärstern zu erhalten. Da die Bildverarbeitung neben der hohen räumlichen Auflösung gleichermaßen eine hohe spektrale Auflösung liefert, war es möglich, Spektralbilder bei mehr als hundert unterschiedlichen Wellenlängen innerhalb der Brackett-Gamma-Linie des Wasserstoffs zu erhalten. Das ist für astrophysikalische Untersuchungen von Eta Carinae von großer Bedeutung, da solche Multifrequenzaufnahmen sowohl die Strahlungsintensität als auch die Geschwindigkeitsverteilung direkt in der Kollisionszone zeigen. Die Geschwindigkeiten werden dabei aus Frequenzverschiebungen über den Dopplereffekt abgeleitet. Die Ergebnisse dienen dazu, physikalische Modelle der Sternwind-Kollisionszonen zu verbessern und besser zu verstehen, wie extrem massereiche Sterne im Zuge ihrer Entwicklung Masse in Form von Sternwinden abgeben.
Die Modelle zur Sternwind-Kollision, die zur Interpretation der neuen Resultate angewendet werden, wurden von Tom Madura an der San Jose State University in den USA und seinen Mitarbeitern erstellt. „Die neuen VLTI-Beobachtungen werden eine wichtige Rolle für zukünftige Modellrechnungen spielen, da wir nun Informationen bei wesentlich höherer Auflösung als jemals zuvor haben, um die Modelle anzupassen“, erklärt Madura. Und Karl-Heinz Hofmann vom MPI für Radioastronomie betont: „Unsere Rekonstruktionsmethode für Multifrequenzbilder hat es ermöglicht, unerwartete Strukturen in einem weiten Geschwindigkeitsbereich zu erfassen. Es ist klar, dass die Infrarot-Interferometrie die Infrarotastronomie revolutionieren wird.“
MPIfR / RK