19.10.2016

Kollidierende Sternwinde

Very Large Telescope Interferometer liefert hoch­auf­ge­löste Bilder des Doppel­sterns Eta Carinae.

Eta Carinae ist ein Doppelsternsystem mit zwei massereichen Kompo­nenten in etwa 7500 Licht­jahren Ent­fernung. Der Doppel­stern ist vom Homun­kulus-Nebel umgeben, dem Überrest von Material, das 1843 bei einem gewaltigen Ausbruch heraus­geschleu­dert wurde. Beide Kompo­nenten des Doppel­stern­systems sind extrem leucht­kräftig. Ihre gewaltige Strahlung stößt große Mengen von Material in Form von schnellen Stern­winden von der Ober­fläche ab. Diese Hoch­geschwin­dig­keits-Stern­winde stoßen im Raum zwischen beiden Sternen zusammen. Das führt zu extremen physika­lischen Prozessen in der zentralen Region zwischen beiden Sternen, wo der Stern­wind der Sekundär­kompo­nente mit einer Geschwin­digkeit von rund 3000 km/s auf den dichten Stern­wind der Primär­kompo­nente stößt. Im Kolli­sions­gebiet steigt die Tempe­ratur auf über zehn Millionen Grad, heiß genug für die Erzeugung von Röntgen­strahlung. Bislang war es nicht möglich, diese zentrale Region räumlich aufzu­lösen, da ihre Winkel­aus­dehnung selbst für die größten existie­renden Tele­skope zu gering war.

Abb.: Links: der Homunkulus-Nebel um das masse­reiche Doppel­stern­system Eta Carinae. Rechts: hoch­auf­ge­löstes Bild der Wind­kolli­sions­zone im Zentral­bereich von Eta Carinae. Dieses Gebiet ist rund hundert­mal größer als der Durch­messer von jedem der beiden Sterne. Die gelbe Ellipse zeigt die Umlauf­bahn des Doppel­stern­systems und die zwei roten Punkte die Posi­tionen der beiden Sterne zum Zeit­punkt der Beob­achtung. (Bild: ESO / G. Weigelt, MPIfR)

Ein internationales Team von Astronomen unter der Leitung von Gerd Weigelt vom MPI für Radio­astro­nomie hat nun mit einer neu­artigen Bild­verarbei­tungs­technik auf der Grundlage von inter­fero­metrischen Beob­achtungen mit großen Basis­linien extrem hoch­aufge­löste Bilder von Eta Carinae erhalten. Die Technik kombi­niert das Licht von drei oder mehr Tele­skopen zu Multi-Tele­skop­bildern oder Inter­fero­grammen. Aus einer großen Anzahl solcher Inter­fero­gramme können mit ausge­feilten Bild­rekon­struk­tions­methoden extrem scharfe Bilder gewonnen werden. Mit dieser Methode werden Winkel­auf­lösungen erreicht, die propor­tional zum Abstand zwischen den einzelnen Tele­skopen sind. Die neuen Beob­achtungen von Eta Carinae wurden mit dem Inter­fero­metrie-Instru­ment AMBER am Very Large Tele­scope Inter­fero­meter der Euro­pä­ischen Süd­stern­warte ESO gewonnen. Die in drei der beweg­lichen 1,8m-VLTI-Tele­skope einfal­lende Infra­rot­strahlung wurde mit AMBER kombi­niert. Mit einem maxi­malen Abstand von 130 Metern zwischen den Tele­skopen konnte eine Winkel­auf­lösung erreicht werden, die die­jenige der größten Einzel­tele­skope um das Zehn­fache über­steigt.

Die Anwendung der Bildtechniken zur Erzeugung von Infra­rot­bildern mit extrem hoher Auf­lösung hat es dem Forscher­team zum ersten Mal ermöglicht, direkte Abbil­dungen sowohl von der Stern­wind­zone um den Primär­stern als auch von der Kolli­sions­zone beider Stern­winde zwischen Primär- und Sekundär­stern zu erhalten. Da die Bild­verar­beitung neben der hohen räum­lichen Auf­lösung gleicher­maßen eine hohe spektrale Auf­lösung liefert, war es möglich, Spektral­bilder bei mehr als hundert unter­schied­lichen Wellen­längen inner­halb der Brackett-Gamma-Linie des Wasser­stoffs zu erhalten. Das ist für astro­physi­ka­lische Unter­suchungen von Eta Carinae von großer Bedeutung, da solche Multi­frequenz­auf­nahmen sowohl die Strahlungs­inten­sität als auch die Geschwin­digkeits­ver­teilung direkt in der Kollisions­zone zeigen. Die Geschwin­dig­keiten werden dabei aus Frequenz­ver­schie­bungen über den Doppler­effekt abge­leitet. Die Ergeb­nisse dienen dazu, physi­ka­lische Modelle der Stern­wind-Kolli­sions­zonen zu verbessern und besser zu verstehen, wie extrem masse­reiche Sterne im Zuge ihrer Entwicklung Masse in Form von Stern­winden abgeben.

Die Modelle zur Sternwind-Kollision, die zur Interpre­tation der neuen Resultate ange­wendet werden, wurden von Tom Madura an der San Jose State Uni­ver­sity in den USA und seinen Mitar­beitern erstellt. „Die neuen VLTI-Beob­achtungen werden eine wichtige Rolle für zukünf­tige Modell­rech­nungen spielen, da wir nun Infor­ma­tionen bei wesent­lich höherer Auf­lösung als jemals zuvor haben, um die Modelle anzu­passen“, erklärt Madura. Und Karl-Heinz Hof­mann vom MPI für Radio­astro­nomie betont: „Unsere Rekon­struk­tion­smethode für Multi­frequenz­bilder hat es ermög­licht, uner­wartete Struk­turen in einem weiten Geschwin­dig­keits­bereich zu erfassen. Es ist klar, dass die Infra­rot-Inter­fero­metrie die Infra­rot­astro­nomie revolu­tio­nieren wird.“

MPIfR / RK

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