13.06.2017

Kometen brachten Xenon auf die Erde

67P/Churyumov-Gerasimenko zeigt Verbin­dung zwischen Kometen und Erd­atmosphäre.

Die schwierige, aber erfolg­reiche Messung mehrerer Isotopen des Edelgases Xenon beim Kometen 67P/Churyumov-Gerasimenko durch das Berner Mess­instrument ROSINA auf der Rosetta-Sonde zeigt, dass durch Einschläge von Kometen Material auf die Erde gelangte. Wie weitere Berner Messungen von Sili­zium-Isotopen nachweisen, war unser Sonnen­system am Anfang sehr heterogen. Zudem zeigt der hohe Anteil an schwerem Wasser, dass kometäres Eis älter ist als unser Sonnen­system.

Abb.: Bild des Kometen 67P/Churyumov-Gerasimenko von Ende Mai 2016, als Rosetta während drei Wochen so nah wie möglich am Kometen flog, um ROSINA den Nachweis der Xenon-Isotope zu ermöglichen. (Bild: ESA / NAVCAM)

Xenon reagiert fast nicht mit anderen Elementen und hat deshalb einen relativ stabilen atomaren Zustand. Es kann daher Verhält­nisse bei der Entstehung unseres Sonnen­systems relativ genau wieder­geben. Mit Xenon kann auch die alte Frage zu Kometen beant­wortet werden: Gelangte durch Kometen-Einschläge Material auf die Erde? Forscher um Kathrin Altwegg des Center for Space and Habi­tability (CSH) der Uni­versität Bern konnten nun zeigen, dass die Xenon-Mischung beim Kometen 67P/Churyumov–Gerasi­menko dem bereits seit 40 Jahren vermu­teten irdischen „Ur-Xenon“ sehr ähnlich ist, das kurz nach der Entstehung unseres Sonnen­systems von außen auf unseren Planeten gelangte. Diese Messungen zeigen, dass ungefähr ein Fünftel des irdischen Xenons von Kometen stammt. Damit konnte erstmal eine quan­titative Verbindung zwischen Kometen und der Erd­atmosphäre herge­stellt werden.

Xenon wird in einer Vielfalt von stellaren Prozessen geformt, etwa bei Supernova-Explo­sionen. Jedes dieser Phänomene führt zu einer typischen Xenon-Isotopen­verteilung. Wegen seiner vielen Isotope aus ver­schiedenen stel­laren Prozessen liefert Xenon wichtige Hinweise auf das Ur-Material, aus dem unser Sonnen­system entstand. Gemessen wurden Xenon-Isotopen bereits in der Atmo­sphäre von Erde und Mars, in Meteoriten, die von Aste­roiden abstammen, beim Jupiter und im Sonnen­wind. Die Xenon­mischung in der Erd­atmosphäre besitzt mehr schwere als leichte Isotope, da leichte Isotope eher aus dem Gravitations­feld der Erde ins All entweichen können. Indem sie diesen Effekt korrigierten, haben Forscher in den 1970er Jahren die ursprüng­liche Mischung dieses Edelgases, das Ur-Xenon berechnet, das einst in der Atmo­sphäre der Erde vor­herrschte.

Dieses Ur-Xenon enthält viel weniger schwere Isotope und die Zusammen­setzung der leichten Isotope gleicht derjenigen des Xenon von Asteroiden oder der Sonne. Deshalb wurde vermutet, dass das Ur-Xenon in der frühen Erd­atmosphäre einen anderen Ursprung hat als die sonst beobachtete Mischung im Sonnen­system. Dies bestätigen Daten, die dank dem Messgerät ROSINA auf der Rosetta-Sonde beim Kometen 67P/Churyumov-Gera­simenko gewonnen wurden.

„Die Suche nach Xenon beim Kometen war wahr­scheinlich eine der wichtigsten und schwie­rigsten Messungen von ROSINA“, sagt Kathrin Altwegg. „Dass wir dabei einen Teil eines über 40 Jahre alten Rätsels gelöst haben, freut uns umso mehr.“ Xenon ist sehr selten in der sowieso schon dünnen Atmo­sphäre des Kometen. Die Sonde Rosetta musste deshalb wochen­lang sehr nahe am Kometen fliegen – sieben bis zehn Kilometer vom Kern­mittelpunkt –, so dass ROSINA genügend Signale für eine eindeutige Messung der sieben häu­figsten Isotope erhielt. Das Risiko dabei war, dass der dichte Staub nahe beim Kometen das Orientierungs­system der Sonde hätte beschä­digen können. ROSINA gelang es, neben anderen Edelgasen auch sieben Xenon-Isotope zu identi­fizieren.

Die Analyse der Daten zeigte, dass das kometäre Xenon, das bei der Entstehung des Kometen einge­froren wurde, sowohl von der Mischung im Sonnen­system als auch vom heutigen Mix in der Erd­atmosphäre abweicht. Die Zusammen­setzung des kometären Xenons gleicht am ehesten derjenigen des postu­lierten Ur-Xenons in der frühen Erd­atmosphäre. Es gibt aber gewisse Unter­schiede zwischen beiden Zusammen­setzungen, woraus die Forscher schließen, dass das ursprüng­liche Xenon teils von Kometen, teils von Asteroiden stammt: „Erstmals konnten wir den quanti­tativen Zusammenhang zwischen Kometen und unserer Erd­atmosphäre herstellen – demnach stammen 22 Prozent des ursprüng­lichen, atmo­sphärischen Xenons der Erde von Kometen, während der Rest von Asteroiden stammt“, fasst Altwegg zusammen.

Dieses Resultat steht nicht im Wider­spruch zu ROSINAS Isotopen­messung im Wasser des Kometen, die signi­fikant anders war als im ir­dischen Wasser. Da Xenon nur in Spuren in der Atmo­sphäre vorhanden ist, während die Erde große Wasser­mengen in den Ozeanen und der Atmosphäre enthält, konnten Kometen durchaus einen Beitrag zum irdischen Xenon leisten, ohne das irdische Wasser wesent­lich zu verändern. „Zudem vertragen sich die Ergebnisse des Xenons gut mit der Idee, dass durch Kometen organische Stoffe auf die Erde gelangten – wie Phosphor und die Amino­säure Glyzin, die ebenfalls von ROSINA beim Kometen gefunden wurden – das möglicher­weise ausschlag­gebend war für die Entwicklung von Leben auf der Erde“, sagt Altwegg.

Schließlich deutet der Unter­schied zwischen dem kometären Xenon und dem Xenon im Sonnen­system darauf hin, dass die proto­solare Wolke, aus der die Sonne, Planeten und Klein­körper gebildet wurden, ein chemisch ziemlich heterogener Ort war. „Dies stimmt überein mit früheren Messungen von ROSINA, wie die uner­wartete Entdeckung von molekularem Sauerstoff oder mole­kularem Schwefel“, sagt Altwegg.

Zudem konnte eine Forscher­gruppe unter der Leitung von Martin Rubin, ebenfalls CSH, zeigen, dass Silizium im Kometen nicht das mittlere Isotopen­verhältnis unseres Sonnen­systems aufweist. Damit zeigen die ROSINA-Daten, dass damit das Material unseres frühen Sonnen­systems von ver­schiedenen Vor­läufer-Sternen stammt. Wie beim Xenon spricht dies dafür, dass die chemische Zusammen­setzung des frühen Sonnen­systems heterogen, also nicht gleichmäßig durchmischt war, wie bisher vermutet. ROSINA hatte bereits früh in der Mission Silizium-Atome in der Gashülle des Kometen entdeckt, die durch Sonnen­wind aus der Oberfläche des Kometen hinaus­geschlagen wurden.

U Bern / JOL

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