Kometen brachten Xenon auf die Erde
67P/Churyumov-Gerasimenko zeigt Verbindung zwischen Kometen und Erdatmosphäre.
Die schwierige, aber erfolgreiche Messung mehrerer Isotopen des Edelgases Xenon beim Kometen 67P/Churyumov-Gerasimenko durch das Berner Messinstrument ROSINA auf der Rosetta-Sonde zeigt, dass durch Einschläge von Kometen Material auf die Erde gelangte. Wie weitere Berner Messungen von Silizium-Isotopen nachweisen, war unser Sonnensystem am Anfang sehr heterogen. Zudem zeigt der hohe Anteil an schwerem Wasser, dass kometäres Eis älter ist als unser Sonnensystem.
Abb.: Bild des Kometen 67P/Churyumov-Gerasimenko von Ende Mai 2016, als Rosetta während drei Wochen so nah wie möglich am Kometen flog, um ROSINA den Nachweis der Xenon-Isotope zu ermöglichen. (Bild: ESA / NAVCAM)
Xenon reagiert fast nicht mit anderen Elementen und hat deshalb einen relativ stabilen atomaren Zustand. Es kann daher Verhältnisse bei der Entstehung unseres Sonnensystems relativ genau wiedergeben. Mit Xenon kann auch die alte Frage zu Kometen beantwortet werden: Gelangte durch Kometen-Einschläge Material auf die Erde? Forscher um Kathrin Altwegg des Center for Space and Habitability (CSH) der Universität Bern konnten nun zeigen, dass die Xenon-Mischung beim Kometen 67P/Churyumov–Gerasimenko dem bereits seit 40 Jahren vermuteten irdischen „Ur-Xenon“ sehr ähnlich ist, das kurz nach der Entstehung unseres Sonnensystems von außen auf unseren Planeten gelangte. Diese Messungen zeigen, dass ungefähr ein Fünftel des irdischen Xenons von Kometen stammt. Damit konnte erstmal eine quantitative Verbindung zwischen Kometen und der Erdatmosphäre hergestellt werden.
Xenon wird in einer Vielfalt von stellaren Prozessen geformt, etwa bei Supernova-Explosionen. Jedes dieser Phänomene führt zu einer typischen Xenon-Isotopenverteilung. Wegen seiner vielen Isotope aus verschiedenen stellaren Prozessen liefert Xenon wichtige Hinweise auf das Ur-Material, aus dem unser Sonnensystem entstand. Gemessen wurden Xenon-Isotopen bereits in der Atmosphäre von Erde und Mars, in Meteoriten, die von Asteroiden abstammen, beim Jupiter und im Sonnenwind. Die Xenonmischung in der Erdatmosphäre besitzt mehr schwere als leichte Isotope, da leichte Isotope eher aus dem Gravitationsfeld der Erde ins All entweichen können. Indem sie diesen Effekt korrigierten, haben Forscher in den 1970er Jahren die ursprüngliche Mischung dieses Edelgases, das Ur-Xenon berechnet, das einst in der Atmosphäre der Erde vorherrschte.
Dieses Ur-Xenon enthält viel weniger schwere Isotope und die Zusammensetzung der leichten Isotope gleicht derjenigen des Xenon von Asteroiden oder der Sonne. Deshalb wurde vermutet, dass das Ur-Xenon in der frühen Erdatmosphäre einen anderen Ursprung hat als die sonst beobachtete Mischung im Sonnensystem. Dies bestätigen Daten, die dank dem Messgerät ROSINA auf der Rosetta-Sonde beim Kometen 67P/Churyumov-Gerasimenko gewonnen wurden.
„Die Suche nach Xenon beim Kometen war wahrscheinlich eine der wichtigsten und schwierigsten Messungen von ROSINA“, sagt Kathrin Altwegg. „Dass wir dabei einen Teil eines über 40 Jahre alten Rätsels gelöst haben, freut uns umso mehr.“ Xenon ist sehr selten in der sowieso schon dünnen Atmosphäre des Kometen. Die Sonde Rosetta musste deshalb wochenlang sehr nahe am Kometen fliegen – sieben bis zehn Kilometer vom Kernmittelpunkt –, so dass ROSINA genügend Signale für eine eindeutige Messung der sieben häufigsten Isotope erhielt. Das Risiko dabei war, dass der dichte Staub nahe beim Kometen das Orientierungssystem der Sonde hätte beschädigen können. ROSINA gelang es, neben anderen Edelgasen auch sieben Xenon-Isotope zu identifizieren.
Die Analyse der Daten zeigte, dass das kometäre Xenon, das bei der Entstehung des Kometen eingefroren wurde, sowohl von der Mischung im Sonnensystem als auch vom heutigen Mix in der Erdatmosphäre abweicht. Die Zusammensetzung des kometären Xenons gleicht am ehesten derjenigen des postulierten Ur-Xenons in der frühen Erdatmosphäre. Es gibt aber gewisse Unterschiede zwischen beiden Zusammensetzungen, woraus die Forscher schließen, dass das ursprüngliche Xenon teils von Kometen, teils von Asteroiden stammt: „Erstmals konnten wir den quantitativen Zusammenhang zwischen Kometen und unserer Erdatmosphäre herstellen – demnach stammen 22 Prozent des ursprünglichen, atmosphärischen Xenons der Erde von Kometen, während der Rest von Asteroiden stammt“, fasst Altwegg zusammen.
Dieses Resultat steht nicht im Widerspruch zu ROSINAS Isotopenmessung im Wasser des Kometen, die signifikant anders war als im irdischen Wasser. Da Xenon nur in Spuren in der Atmosphäre vorhanden ist, während die Erde große Wassermengen in den Ozeanen und der Atmosphäre enthält, konnten Kometen durchaus einen Beitrag zum irdischen Xenon leisten, ohne das irdische Wasser wesentlich zu verändern. „Zudem vertragen sich die Ergebnisse des Xenons gut mit der Idee, dass durch Kometen organische Stoffe auf die Erde gelangten – wie Phosphor und die Aminosäure Glyzin, die ebenfalls von ROSINA beim Kometen gefunden wurden – das möglicherweise ausschlaggebend war für die Entwicklung von Leben auf der Erde“, sagt Altwegg.
Schließlich deutet der Unterschied zwischen dem kometären Xenon und dem Xenon im Sonnensystem darauf hin, dass die protosolare Wolke, aus der die Sonne, Planeten und Kleinkörper gebildet wurden, ein chemisch ziemlich heterogener Ort war. „Dies stimmt überein mit früheren Messungen von ROSINA, wie die unerwartete Entdeckung von molekularem Sauerstoff oder molekularem Schwefel“, sagt Altwegg.
Zudem konnte eine Forschergruppe unter der Leitung von Martin Rubin, ebenfalls CSH, zeigen, dass Silizium im Kometen nicht das mittlere Isotopenverhältnis unseres Sonnensystems aufweist. Damit zeigen die ROSINA-Daten, dass damit das Material unseres frühen Sonnensystems von verschiedenen Vorläufer-Sternen stammt. Wie beim Xenon spricht dies dafür, dass die chemische Zusammensetzung des frühen Sonnensystems heterogen, also nicht gleichmäßig durchmischt war, wie bisher vermutet. ROSINA hatte bereits früh in der Mission Silizium-Atome in der Gashülle des Kometen entdeckt, die durch Sonnenwind aus der Oberfläche des Kometen hinausgeschlagen wurden.
U Bern / JOL