Kometentreffer produzieren Lebensbausteine
In den Schockfronten heftiger Kometeneinschläge bilden sich Aminosäuren.
Die Entstehung des Lebens auf der Erde ist seit langem ein strittiges Thema. Von Thermalquellen in der Tiefsee bis hin zum Transport lebensnotwendiger Aminosäuren durch Kometen oder Asteroiden reichen die Hypothesen. Vor wenigen Jahren ist es Forschern erstmals gelungen, Aminosäuren auf einem Kometen nachzuweisen. Diese Zellbausteine können durch die Einwirkung von kosmischer Strahlung und ultraviolettem Sternenlicht auf der Oberfläche kohlenstoffhaltiger Himmelskörper entstehen. Es gibt aber noch einen anderen Mechanismus, wie kleine Himmelskörper lebenswichtige chemische Verbindungen erzeugen: nämlich durch die Stoßwelle und die Hitze nach einem Einschlag auf einen anderen Himmelskörper.
Abb.: Kometen können beim Aufschlag auf Planeten Aminosäuren produzieren, wie diese künstlerische Darstellung zeigt. (Bild: M. Genge, ICL)
Ein Forscherteam aus England und den USA hat solche Schockprozesse mit Hilfe der Light Gas Gun an der University of Kent nun detailliert untersucht. Diese Kanone kann zwei Schuss am Tag abfeuern und erreicht Projektilgeschwindigkeiten von mehr als sieben Kilometern pro Sekunde.
Die Forscher führten eine Testreihe mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten des Stahlprojektils und verschiedenen Eismischungen als Target durch, die die Zusammensetzung von Kometen und anderen Himmelskörpern nachbilden sollten. Das Gemisch enthielt gefrorenes Kohlendioxid, Methanol sowie Stickstoffverbindungen. Zunächst sterilisierten die Forscher das Material durch sechsstündiges Ausbacken bei 500 Grad Celsius, wodurch sich alle verbliebenen Aminosäuren zersetzten. Dann kühlten sie die Eismischung auf minus 160 Grad Celsius und teilten sie in ein Target und eine Kontrollsubstanz auf. Bei hohen Auftreffgeschwindigkeiten von 7,15 Kilometer pro Sekunde sowie der richtigen Eismischung konnten sie nach dem Aufprall chromatographisch verschiedene Aminosäuren nachweisen, insbesondere Glycin und Alanin.
„Dieser Prozess zeigt, wie ein sehr simpler Vorgang von einer Mischung einfacher Moleküle wie Wasser und Kohlendioxid-Eis zu komplexen Molekülen führen kann, wie etwa Aminosäuren“, sagt Mark Price von University of Kent. „Das ist der erste Schritt auf dem Weg zum Leben.“ Der nächste Schritt wäre dann die Entstehung noch komplexerer Verbindungen wie etwa Proteine.
Simulationen haben bereits gezeigt, dass Aminosäuren die Hitze bei einem Kometen- oder Asteroidentreffer überstehen können. Wenn sie sich zusätzlich bei den entsprechenden Parametern auch noch durch den Aufprall selbst bilden, öffnet sich eine weitere Möglichkeit für die Synthese dieser lebenswichtigen Stoffe, die nicht von anderen Bedingungen abhängt. „Diese Bausteine können überall in unserem Sonnensystem oder auch jenseits davon zusammengesetzt werden“, erläutert Zita Martins vom Imperial College London.
Es müssen nur die passenden Bedingungen zusammen kommen. Hierzu gehören einerseits Kohlenstoffverbindungen und Gestein, andererseits hohe Drücke und Temperaturen. Wie Rechnungen anhand der Ergebnisse zeigen, muss bei einer Kollision der Druck mindestens fünfzig Gigapascal betragen, damit die Aminosäure-Synthese stattfinden kann. Auch wenn die Forscher darauf hinweisen, dass sich nicht leicht von kleinen Experimenten im Millimeterbereich auf große Dimensionen schließen lässt, so sollte nach ihren Angaben der Aufprall eines hinreichend schnellen Himmelskörpers von fünf bis zwanzig Kilometern pro Sekunde genügend Energie freisetzen, um die Schocksynthese von Aminosäuren zu ermöglichen. In einem ersten Reaktionsschritt würde die Schockwelle zunächst die Bildung einfacher Moleküle anregen, während die entstehende Hitze diese Zwischenprodukte dann weiter zu Aminosäuren reagieren lässt.
Sowohl eisige Kometen, die auf einem Felsplaneten aufschlagen, als auch steinige Asteroiden, die etwa auf einen Eismond treffen, vermögen solche Prozesse auszulösen. Die Forscher sind deshalb gespannt, ob und welche organische Moleküle die kommende Weltraummission Jupiter Icy Moon Explorer (JUICE) auf dem Jupitermond Europa finden wird. Ihr Start ist für das Jahr 2022 geplant; die Reisedauer wird mehrere Jahre betragen.
JUICE wurde erst kürzlich von der Europäischen Weltraumorganisation ESA als kommendes Großprojekt beschlossen und soll neben Europa vor allem die Monde Ganymed und Callisto untersuchen. Ein weiterer interessanter Kandidat für vergleichbare Missionen ist der Saturnmond Enceladus, der ebenfalls von einer kohlenwasserstoffhaltigen Eisschicht umgeben ist. Bis die Ergebnisse von JUICE vorliegen, werden aber auch die Tiefseeforscher neue Erkenntnisse präsentieren können, ob das irdische Leben wirklich Hilfe aus dem All zu seiner Entstehung gebraucht hat.
Dirk Eidemüller
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