Komplizierte Arbeiten im All
Der Shuttle Thomas Reiter nach fünfeinhalb Monaten im All rechtzeitig zu Weihnachten zurück nach Hause bringen. Die Besatzung soll die bisher kompliziertesten Außenarbeiten beim ISS-Ausbau durchführen.
Nach perfektem «Discovery»-Nachtstart komplizierte Arbeiten im All
Washington (dpa) - Spektakuläres Schauspiel am nächtlichen Himmel: Nach einem Bilderbuch-Start am Sonntagmorgen (MEZ) ist der Space- Shuttle «Discovery» auf dem Weg zur Internationalen Raumstation ISS. Es war der erste Aufbruch einer Raumfähre in der Dunkelheit seit dem «Columbia»-Absturz am 1. Februar 2003, der durch unerkannte Probleme beim Start verursacht worden war. Der Shuttle soll den Deutschen Thomas Reiter nach fünfeinhalb Monaten im All rechtzeitig zu Weihnachten zurück nach Hause bringen. Vor allem aber soll die Besatzung die bisher kompliziertesten Außenarbeiten beim ISS-Ausbau durchführen, bei denen vorübergehend jeweils der Strom für die Hälfte der Station abgeschaltet werden muss.
Damit kann sich die NASA nach dem Jubel über den geglückten Start im farbenprächtigen Feuerwerk der gezündeten Feststoffraketen nicht lange auf ihren Lorbeeren ausruhen. «Es wird schwierig», sagte ein Manager im Kontrollzentrum Houston (Texas) voraus, das die drei für Dienstag, Donnerstag und Samstag geplanten Außeneinsätze von Shuttle- Astronauten steuern wird. Auf insgesamt zwölf Tage ist die mit zweitägiger Verspätung wegen schlechten Wetters begonnene Mission der «Discovery» angesetzt, die mit ihren sieben Astronauten an Bord am Montag eine Stunde vor Mitternacht (MEZ) an die ISS anlegen soll.
Und schon kurz danach wird dann für Thomas Reiter die Zeit als ISS-Bewohner offiziell zu Ende gehen. Dann steigt der Astronaut der Europäischen Raumfahrtbehörte ESA von der Station in den angedockten Shuttle um, und die mit der «Discovery» anreisende Amerikanerin Sunita Williams nimmt seinen Platz ein. Als erster Schwede kommt dann auch der ESA-Astronaut Christer Fuglesang an Bord. Für fünf der «Discovery»-Astronauten ist es der erste Einsatz im All.
Die Raumfähre bringt auch eine fast zwei Tonnen schwere containergroße Halterung zum späteren Anmontieren von Sonnensegeln mit. Sie soll von der «Discovery»-Crew an der ISS-Außenwand befestigt werden. Gilt das noch als relativ einfach, muss die Crew in kniffliger Arbeit die bisher provisorische Stromversorgung der ISS auf die endgültige umstellen. Dazu müssen diverse Kabel umgesteckt und neu verlegt werden - eine Arbeit, die in zwei Teilen bei zwei Ausstiegen erledigt werden soll, damit jeweils nur eine Hälfte der Station vorübergehend ohne Strom ist. Um die Inbetriebnahme im Herbst neu installierter Solarsegel zu ermöglichen, muss zudem ein alter «Sonnenflügel», der bisher die Energie beschaffte, halb zusammengefaltet werden. Das ist noch nie versucht worden, seit die ISS 1998 um die Erde zu kreisen begann.
Aber erst einmal muss die «Discovery» ankommen. «Wir machen schon mal das Außenlicht vorn am Haus an, damit sie uns auch finden», scherzte Reiters bisheriger Langzeit-Mitbewohner Michael Lopez- Alegria, als die Nachricht vom geglückten Aufbruch pünktlich um 20.47 Uhr Ortszeit (2.47 Uhr MEZ am Sonntagmorgen) in der ISS eintraf.
Und was für ein Start es war. Fantastisch, hervorragend, außergewöhnlich - auf einer nächtlichen Pressekonferenz am Startort Cape Canaveral in Florida gerieten NASA-Vertreter geradezu ins Schwärmen. Die Aufnahmen vom Start müssten zwar noch genau studiert werden, aber nach ersten Erkenntnissen deute nichts auf Probleme hin, sagte NASA-Manager Mike Leinbach. Auch im Shuttle selbst herrschte eitel Sonnenschein. «Hier oben gibt es eine Reihe lächelnder Gesichter», sagte der Kommandant der «Discovery», Mark Polansky, der Bodenzentrale in Florida.
Seit der «Columbia»-Tragödie hatte die NASA nur Shuttle-Starts bei Tageslicht gewagt, um sicher zu gehen, dass die mehr als 100 beim Abheben eingesetzten Kameras etwaigen vom Außentank abfallenden Schaumstoff erfassen. Das Absprengen von Stücken beim Start hatte seinerzeit zum Auseinanderbrechen der «Columbia» beim Wiedereintritt in die Erdatmosphäre geführt. Alle sieben Astronauten starben. Test haben der NASA zufolge mittlerweile ergeben, dass die Raketen bei der Zündung genügend Helligkeit für scharfe Aufnahmen erzeugen.
Von Gabriele Chwallek, dpa