Normalerweise stören Photonen einander nicht, wenn sie ein transparentes Medium wie Glas durchqueren. Ist die Lichtintensität aber hinreichend groß, so treten optisch nichtlineare Effekte auf, sodass ein intensiver Lichtstrahl die Ausbreitung eines anderen Strahls beeinflussen kann. Doch auch für extrem schwache Lichtintensitäten, nämlich schon für einzelne Photonen, kommt es zu nichtlinearen Effekten. So verhindert ein einzelnes Photon, indem es ein Atom in einen hochangeregten Rydberg-Zustand bringt, die entsprechende Anregung benachbarter Atome: Durch die starke elektrische Polarisierbarkeit im Rydberg-Zustand verstimmt das erste angeregte Atom die anderen, sodass deren resonante Anregung blockiert wird.
Abb.: In der elliptischen Atomwolke (oben) wird mit einem Sondenstrahl (rot) und einem Kontrollstrahl (blau) zuerst ein ruhendes Rydberg-Polariton (orange) und dann ein bewegtes (grün) erzeugt. Nach der Kollision verlassen diese Photonen die Atomwolke und werden mit einem Detektor nachgewiesen. Bei der Kollision tauschen die beiden Polaritonen ihre Plätze (unten). Dabei erfährt das bewegte Polariton ein Phasenänderung um 90 Grad. (Bild: J. D. Thompson et al. / NPG)
Mit Hilfe solcher Rydberg-Atome haben jetzt Forscher um Mikhail Lukin von der Harvard University und Vladan Vuleti vom MIT einzelne Photonen kollidieren lassen und die dabei auftretende Phasenverschiebung der photonischen Zustände gemessen. Überraschenderweise war die Phasenänderung weitgehend unabhängig von den experimentellen Bedingungen. Die Photonenkollision erfolgte somit in kohärenter Weise.
Bei ihrem Experiment benutzten die Forscher eine dichte, ultrakalte Wolke von Rubidium-87-Atomen, die sich in einem 0,3 Millitesla starken Magnetfeld befand. Längs der Feldrichtung wurde die Wolke von zwei Laserstrahlen durchquert, einem Sondenstrahl und einem ihm entgegen gerichteten kurzwelligeren Kontrollstrahl. In der Wolke wurden die Atome durch die Sondenphotonen in einen angeregten Zustand gebracht, der durch die Kontrollphotonen mit einem bestimmten Rydberg-Zustand gekoppelt wurde. Dadurch entstanden Quasiteilchen, Rydberg-Polaritonen, die aufgrund von elektromagnetisch induzierter Transparenz die Wolke durchqueren konnten. Diese Polaritonen traten im Kollisionsexperiment an die Stelle der nackten Photonen.
Zunächst erzeugten die Forscher mit einem sehr schwachen Sondenstrahl ein einzelnes Rydberg-Polariton. Wurde der Kontrollstrahl abgeschaltet und dadurch die elektromagnetisch induzierte Transparenz aufgehoben, so konnte sich das Polariton nicht weiter bewegen. Seine gesamte Energie steckte nun im Rydberg-Zustand eines Atoms. Mit einem Mikrowellenpuls wurde das Atom in einen anderen Rydberg-Zustand gebracht, der dann von den übrigen Zuständen entkoppelt und somit aus dem Spiel war.
Anschließend wurden der Sonden- und der Kontrollstrahl wieder eingeschaltet, sodass sich erneut Rydberg-Polaritonen durch die Atomwolke bewegten. Wenn eines der bewegten Polaritonen mit dem festsitzenden kollidierte, so wechselwirkten die beiden Quasiteilchen miteinander. Dabei tauschten sie ihre Plätze, indem das bewegte Polariton zur Ruhe kam und das anfänglich ruhende sich in Bewegung setzte. Nach einer Wartezeit wurde das ruhende Polariton mit einem weiteren Mikrowellenpuls wieder ins Spiel gebracht, sodass es sich ebenfalls bewegte.
Die sich bewegenden Polaritonen wurde nach Verlassen der Atomwolke mit einem Photonendetektor nachgewiesen. Wenn zwei Photonen mit dem richtigen Zeitabstand beim Detektor ankamen, konnte man sicher sein, dass die entsprechenden Polaritonen zusammengestoßen waren. Durch ein Interferenzexperiment bestimmten die Forscher die Phasenänderung, die das bewegte Polariton beim Zusammenstoß mit dem ruhenden erlitten hatte. Sie entsprach ziemlich genau dem von der Theorie vorhergesagten Wert. Die Phasenänderung war unabhängig von Zeitverzögerung, mit der das zweite Photon registriert wurde.
Da Rydberg-Atome mikrometergroß sind, konnten die kollidieren Rydberg-Polaritonen über entsprechend große Entfernungen miteinander wechselwirken. Die Forscher zeigten dies, indem sie zwei parallele Sondenstrahlen A und B im Abstand von 5,4 Mikrometer verwendeten. Befand sich das ruhende Polariton anfangs in Strahl A und das bewegte in Strahl B, so war es nach der Kollision in etwa acht Prozent der Fälle genau umgekehrt, wie sich aus den Ankunftszeiten der Photonen bei den Detektoren ersehen ließ.
Mit den kontrollierten Photonenkollisionen eröffnen sich neue Möglichkeiten zur Realisierung von Quantengattern mit definierter Phasenänderung von 90 oder 180 Grad. Außerdem sind die bei der Kollision auftretenden Symmetrien denen ähnlich, die zu Majorana-Fermionen in eindimensionalen Drähten führen.
Rainer Scharf
Weitere Infos
- Originalveröffentlichung
J. D. Thompson et al.: Symmetry-protected collisions between strongly interacting photons., Nature, online 25. Januar 2017; DOI: 10.1038/nature20823
- Lukin Group, Quantum Optics Laboratory, Harvard University, Cambridge , USA
- Vuletic Group, Experimental Atomic Physics, Center for Ultracold Atoms and Research Laboratory of Electronics, Massachusetts Institute of Technology, Cambridge, USA
RK