Umwelt-Mission Grace geht in die Verlängerung
Neues Satellitenpaar soll mit Messungen der Masseveränderungen die Folgen des Klimawandels aufspüren.
Der Mittelmeerraum Europas trocknet seit Jahren aus. In einigen Regionen Spaniens – wie in der Metropole Barcelona – herrscht Alarmzustand, weil der Grundwasserspiegel teilweise um drei Meter pro Jahr fällt. Und auch auf dem gesamten Kontinent ist er seit dem Rekord-Dürrejahr 2018 konstant niedrig, auch wenn Extremwetterereignisse mit Überschwemmungen in jüngster Zeit einen anderen Eindruck vermitteln. So hat Deutschland innerhalb der vergangenen zwanzig Jahre mehr als 15 Milliarden Tonnen Wasser verloren. Um solche Daten zu gewinnen und mit ihnen ein genaues Bild von den Grundwasserspiegeln wie auch des globalen Wasserhaushalts zu bekommen, muss man aus dem All unter die Erdoberfläche schauen. Hierbei helfen gemeinsam mit anderen Messmethoden seit über zwei Jahrzehnten die Daten eines besonderen Satellitenpärchens: Am 17. März 2002 starteten mit „Tom“ und „Jerry“ die ersten beiden Satelliten im „Gravity Recovery and Climate Experiment“ – kurz Grace – der US-amerikanischen Weltraumbehörde Nasa und des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt.
Jetzt haben die Deutsche Raumfahrtagentur im DLR und die Nasa mit Grace-C diese sehr erfolgreiche Mission zum zweiten Mal verlängert. Das „C“ steht dabei für „Continuity“, womit die Konstanz in den Messreihen dieser Umweltmissionen gewürdigt wird. Von deutscher Seite als wissenschaftliche Beteiligte dabei sind das Geoforschungszentrum in Potsdam und das MPI für Gravitationsphysik, Albert-Einstein-Institut in Hannover. Gebaut werden die Satelliten bei Airbus in Friedrichshafen. Der Start ist für das Jahr 2028 mit einer Falcon-9-Rakete des US-Raumfahrtunternehmens SpaceX vorgesehen. Im Anschluss soll das Deutsche Raumfahrtkontrollzentrum GSOC beim DLR in Oberpfaffenhofen die Missionskontrolle übernehmen.
„Mit den Grace-Satelliten erfassen wir seit mehr als zwanzig Jahren jede Veränderung dieser Massentransporte global so präzise, dass Forschende zum Beispiel den Wasserhaushalt der Erde mit zuvor unerreichter Genauigkeit und Konstanz messen konnten. Die Mission Grace-C wird diese unschätzbar wertvolle Datensammlung fortsetzen, die zu den Grundlagen für die Berichte des Weltklimarates gehört“, betont Walther Pelzer, Vorstandsmitglied des DLR und Generaldirektor der Deutschen Raumfahrtagentur im DLR in Bonn.
Gebaut werden die beiden Satelliten im Auftrag des Jet Propulsion Laboratory der Nasa bei Airbus in Friedrichshafen. Herzstück der Grace-C-Mission ist dabei die präzise Messung von winzigen Abstandsabweichungen zwischen den beiden Satelliten auf ihrem Weg um unsere Erde. Bei Grace-C wird diese Entfernung mittels Laser-Interferometrie bestimmt. Ein wichtiger Teil dieses Laser Ranging Interferometer Systems – die optische Bank und der Retroreflektor – kommt dabei von der Firma SpaceTech GmbH in Immenstaad am Bodensee. Deren Ingenieure werden dabei vom MPI für Gravitationsphysik
Doch wie messen die Satelliten mit diesem besonderem Lasersystem die Verschiebung der Massen? Die Idee hinter dem Grace-Prinzip ist einfach: Das Satellitenpärchen erfasst die Massen allein anhand ihrer Schwerkraftwirkung. Dafür fliegen die beiden Satelliten jeweils in einem mittleren Abstand von 220 Kilometern hintereinander her. Relative Distanzabweichungen und Geschwindigkeit der beiden werden dabei mithilfe der Laser ständig ganz exakt gemessen. Dabei wird eine Genauigkeit von 200 bis 300 Picometern erreicht, was in etwa der Größe eines Atoms entspricht.
„Gestein und Wasser – egal ob in fester oder flüssiger Form – beeinflussen dabei mit ihren Massen die Flugbahn der Satelliten im All. Je stärker diese Gewichtskraft ist, desto mehr wird der voranfliegende Satellit beim Überflug von ihr angezogen. Dadurch beschleunigt er und entfernt sich vom anderen Satelliten. Je schwächer diese Kraft ist, desto weniger wird der voranfliegende Satellit beschleunigt. So nähert er sich wieder dem hinteren an. Diese minimale Veränderung im gegenseitigen Abstand wird kontinuierlich über jeden Umlauf um die Erde gemessen. Im übertragenen Sinne wiegen wir mit Grace, wie Eisschilde und auch die Kontinente von Monat zu Monat ab- oder zunehmen“, erklärt Sebastian Fischer, Grace-C-Programmleiter in der Deutschen Raumfahrtagentur im DLR.
Doch das Wiegen geschieht nicht nur im All. Erst anhand von komplizierten Rechenverfahren am Boden werden die minimalen Bewegungen der Satelliten im Erdorbit in Schwerefeldwerte übersetzt und mit anderen Daten kombiniert. Dies ermöglicht unter anderem die Messung von Änderungen im Grundwasserspiegel mit einer Genauigkeit von einem Zentimeter auf 400 Kilometer Durchmesser – und das alle dreißig Tage für die gesamte Erde. Hierbei spielt das GFZ eine wichtige Rolle: Es wird für den Aufbau des Science Data Systems auf deutscher Seite zuständig sein. In der Betriebsphase ist das GFZ dann für den wissenschaftlichen Betrieb von Grace-C zuständig.
Nach dem Start der beiden Grace-C-Satelliten werden sie in etwa 500 Kilometern Höhe ausgesetzt. Rund eine Minute später soll die erste Kontaktaufnahme mit einer Bodenstation stattfinden. Wie bereits bei Grace und dem Nachfolger und Grace-FO werden auch die beiden Grace-C Satelliten nach dem Start durch das Deutsche Raumfahrtkontrollzentrum GOSC in Oberpfaffenhofen gesteuert.
DLR / RK