01.12.2020

Kosmische Erosion auf Phobos

Laborexperimente sollen das Rätsel um Erosion der Oberfläche des Marsmonds lösen.

Auch im Vakuum des Alls kann Gestein „verwittern“, wenn es andauernd von energie­reichen Teilchen bombardiert wird, die etwa von der Sonne ausgesendet werden. In einer ganz speziellen Situation befindet sich der Marsmond Phobos: Er ist dem Mars so nahe, dass dort nicht nur der Sonnen­wind, sondern auch das Bombarde­ment durch Partikel vom Mars eine entscheidende Rolle spielt. Ein Forschungsteam der TU Wien konnte das nun in Labor­experimenten nachmessen. Schon in wenigen Jahren soll eine japanische Weltraum­mission auf Phobos Gesteins­proben nehmen und zur Erde zurückbringen.

Abb.: Die beiden Monde Phobos und Deimos kreisen relativ nah um den Mars....
Abb.: Die beiden Monde Phobos und Deimos kreisen relativ nah um den Mars. (Bild: NASA / JPL-Caltech / U. Arizona)

„Es gibt unterschiedliche Theorien, wie der Mars-Mond Phobos entstanden sein könnte“, sagt Paul Szabo, Doktorand in der Forschungs­gruppe von Friedrich Aumayr am Institut für Angewandte Physik. „Es ist denkbar, dass Phobos ursprünglich ein Asteroid war, der dann vom Mars eingefangen wurde, er könnte aber auch bei einer Kollision eines größeren Himmelskörpers mit dem Mars entstanden sein.“ Wenn man solche Himmels­körper untersucht, muss man immer berücksichtigen, dass sich ihre Oberflächen im Lauf von Milliarden Jahren durch kosmischen Teilchen­beschuss völlig verändert haben. Das Gestein auf der Erde bleibt davon unberührt, weil unsere Atmosphäre die Teilchen abschirmt. Doch die Geologie atmosphäre­loser Himmels­körper wie etwa unserem Mond oder Phobos kann man nur dann verstehen, wenn es gelingt, die „Weltraum-Verwitterung“ richtig einzuschätzen.

Daher wurden aufwändige Experimente durchgeführt: „Wir haben Gesteins­material verwendet, wie es auch auf Phobos vorkommt und es in Vakuumkammern mit unter­schiedlichen geladenen Teilchen beschossen“, erklärt Szabo. „Mit einer extrem präzisen Waage kann man messen, wie viel Material dabei abgetragen wird, und welche Teilchen sich wie stark auf das Gestein auswirken.“ Dabei muss man die besonderen Eigen­schaften des Mondes Phobos berück­sichtigen: Sein Abstand zur Mars­oberfläche beträgt weniger als 6000 Kilometer – das sind nicht einmal zwei Prozent des Abstands zwischen unserem Mond und der Erde. Genau wie unser Mond befindet er sich in einer gebundenen Rotation um seinen Planeten: Er wendet dem Mars immer dieselbe Seite zu.

„Aufgrund des extrem kleinen Abstands zwischen Mars und Phobos spielen auf der Phobos-Oberfläche nicht nur Partikel eine Rolle, die von der Sonne ausgesandt werden, sondern auch Partikel vom Mars“, sagt Szabo. Die Mars­atmosphäre besteht haupt­sächlich aus Kohlen­dioxid. Aber in den äußeren Regionen der Atmosphäre finden sich auch größere Mengen an Sauerstoff. Wenn Teilchen des Sonnen­winds dort mit großer Wucht eindringen, können dabei Sauerstoff-Ionen entstehen, die dann mit hoher Geschwindigkeit auf Phobos treffen und dort das Gestein verändern.

„Wir konnten mit unseren Mess­methoden die Erosion viel genauer abschätzen als das bisher möglich war“, sagt Friedrich Aumayr. „Unsere Ergebnisse zeigen, dass man den Effekt der Sauerstoff-Ionen aus der Mars­atmosphäre keinesfalls vernach­lässigen darf. Wichtig ist auch, zwischen den beiden Seiten von Phobos zu unterscheiden: Während auf der Mars-abgewandten Seite der Sonnenwind dominiert, überwiegt auf der anderen Seite, wenn die Sonne vom Mars abgeschirmt wird, das Bombardement von der Mars-Atmosphäre.“ Diese Überlegungen könnten bald auch bei der Auswertung echter Phobos-Proben eine wichtige Rolle spielen: Bereits 2024 soll im Rahmen der japanischen Weltraum­mission MMX – Martian Moon eXploration – ein Raumfahrzeug Phobos erreichen und Gesteinsproben zur Erde zurückbringen.

TU Wien / JOL

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