Kosmische Erosion auf Phobos
Laborexperimente sollen das Rätsel um Erosion der Oberfläche des Marsmonds lösen.
Auch im Vakuum des Alls kann Gestein „verwittern“, wenn es andauernd von energiereichen Teilchen bombardiert wird, die etwa von der Sonne ausgesendet werden. In einer ganz speziellen Situation befindet sich der Marsmond Phobos: Er ist dem Mars so nahe, dass dort nicht nur der Sonnenwind, sondern auch das Bombardement durch Partikel vom Mars eine entscheidende Rolle spielt. Ein Forschungsteam der TU Wien konnte das nun in Laborexperimenten nachmessen. Schon in wenigen Jahren soll eine japanische Weltraummission auf Phobos Gesteinsproben nehmen und zur Erde zurückbringen.
„Es gibt unterschiedliche Theorien, wie der Mars-Mond Phobos entstanden sein könnte“, sagt Paul Szabo, Doktorand in der Forschungsgruppe von Friedrich Aumayr am Institut für Angewandte Physik. „Es ist denkbar, dass Phobos ursprünglich ein Asteroid war, der dann vom Mars eingefangen wurde, er könnte aber auch bei einer Kollision eines größeren Himmelskörpers mit dem Mars entstanden sein.“ Wenn man solche Himmelskörper untersucht, muss man immer berücksichtigen, dass sich ihre Oberflächen im Lauf von Milliarden Jahren durch kosmischen Teilchenbeschuss völlig verändert haben. Das Gestein auf der Erde bleibt davon unberührt, weil unsere Atmosphäre die Teilchen abschirmt. Doch die Geologie atmosphäreloser Himmelskörper wie etwa unserem Mond oder Phobos kann man nur dann verstehen, wenn es gelingt, die „Weltraum-Verwitterung“ richtig einzuschätzen.
Daher wurden aufwändige Experimente durchgeführt: „Wir haben Gesteinsmaterial verwendet, wie es auch auf Phobos vorkommt und es in Vakuumkammern mit unterschiedlichen geladenen Teilchen beschossen“, erklärt Szabo. „Mit einer extrem präzisen Waage kann man messen, wie viel Material dabei abgetragen wird, und welche Teilchen sich wie stark auf das Gestein auswirken.“ Dabei muss man die besonderen Eigenschaften des Mondes Phobos berücksichtigen: Sein Abstand zur Marsoberfläche beträgt weniger als 6000 Kilometer – das sind nicht einmal zwei Prozent des Abstands zwischen unserem Mond und der Erde. Genau wie unser Mond befindet er sich in einer gebundenen Rotation um seinen Planeten: Er wendet dem Mars immer dieselbe Seite zu.
„Aufgrund des extrem kleinen Abstands zwischen Mars und Phobos spielen auf der Phobos-Oberfläche nicht nur Partikel eine Rolle, die von der Sonne ausgesandt werden, sondern auch Partikel vom Mars“, sagt Szabo. Die Marsatmosphäre besteht hauptsächlich aus Kohlendioxid. Aber in den äußeren Regionen der Atmosphäre finden sich auch größere Mengen an Sauerstoff. Wenn Teilchen des Sonnenwinds dort mit großer Wucht eindringen, können dabei Sauerstoff-Ionen entstehen, die dann mit hoher Geschwindigkeit auf Phobos treffen und dort das Gestein verändern.
„Wir konnten mit unseren Messmethoden die Erosion viel genauer abschätzen als das bisher möglich war“, sagt Friedrich Aumayr. „Unsere Ergebnisse zeigen, dass man den Effekt der Sauerstoff-Ionen aus der Marsatmosphäre keinesfalls vernachlässigen darf. Wichtig ist auch, zwischen den beiden Seiten von Phobos zu unterscheiden: Während auf der Mars-abgewandten Seite der Sonnenwind dominiert, überwiegt auf der anderen Seite, wenn die Sonne vom Mars abgeschirmt wird, das Bombardement von der Mars-Atmosphäre.“ Diese Überlegungen könnten bald auch bei der Auswertung echter Phobos-Proben eine wichtige Rolle spielen: Bereits 2024 soll im Rahmen der japanischen Weltraummission MMX – Martian Moon eXploration – ein Raumfahrzeug Phobos erreichen und Gesteinsproben zur Erde zurückbringen.
TU Wien / JOL
Weitere Infos
- Originalveröffentlichung
P. S. Szabo et al.: Experimental Insights into Space Weathering of Phobos: Laboratory Investigation of Sputtering by Atomic and Molecular Planetary Ions, JGR Planets, online 1. November 2020; DOI: 10.1029/2020JE00658 - Institut für Angewandte Physik, Technische Universität Wien
- Weltraummission MMX Martian Moon eXploration, JAXA, Tokio