Kosmische Neutrinofabriken
Ein großer Teil der aus dem Weltall auf die Erde treffenden Neutrinos stammt von Blazaren.
Die Erdatmosphäre wird ständig von kosmischer Strahlung bombardiert. Diese besteht aus elektrisch geladenen Teilchen mit Energien von bis zu 10 hoch 20 Elektronenvolt. Die Geburtsstätten der kosmischen Strahlung erzeugen auch Neutrinos. „Astrophysikalische Neutrinos entstehen ausschließlich in Prozessen, bei denen die kosmische Strahlung beschleunigt wird", erklärt Sara Buson von der Universität Würzburg. Genau das macht diese Neutrinos zu einzigartigen Boten, die den Weg zur Lokalisierung der Quellen kosmischer Strahlung ebnen. Doch trotz der riesigen Datenmenge, die Astrophysiker gesammelt haben, ist die Zuordnung von hochenergetischen Neutrinos zu den astrophysikalischen Quellen, aus denen sie stammen, seit Jahren ein ungelöstes Problem.
Buson hat das immer als eine spannende Herausforderung betrachtet. 2017 brachten die Forscherin gemeinsam mit Kollegen erstmals einen Blazar als mutmaßliche Neutrinoquelle ins Gespräch – und löste damit eine wissenschaftliche Debatte darüber aus, ob es tatsächlich einen Zusammenhang zwischen Blazaren und hochenergetischen Neutrinos gibt. Die Forschungsgruppe von Buson begann dann im Juni 2021 ein ehrgeiziges Multi-Messenger-Forschungsprojekt mit dem Hauptziel, den Ursprung astrophysikalischer Neutrinos zu klären und möglicherweise Blazare als erste Quelle extragalaktischer hochenergetischer Neutrinos zu identifizieren. Dieses Projekt zeigt nun einen ersten Erfolg: Blazare lassen sich mit hoher Signifikanz mit astrophysikalischen Neutrinos in Verbindung bringen.
„Wir nutzen Neutrinodaten, die vom IceCube-Neutrino-Observatorium in der Antarktis gewonnen wurden und einen Katalog von astrophysikalischen Objekten, die mit Sicherheit als Blazare identifiziert wurden“, erläutert Buson. „Wir haben eine Kreuzkorrelationsanalyse zwischen den Datenproben durchgeführt und starke Belege dafür gefunden, dass eine Untergruppe von Blazaren die beobachteten hochenergetischen Neutrinos erzeugt. Die Wahrscheinlichkeit, dass es sich dabei um einen Zufall handelt, ist sehr gering und liegt bei nur 6 × 10 hoch minus 7.“
Die Ergebnisse liefern damit zum ersten Mal einen überzeugenden Beleg dafür, dass die Untergruppe der Pevatron-Blazare extragalaktische Neutrinoquellen und damit Beschleuniger der kosmischen Strahlung sind. Laut Buson ist die Entdeckung dieser hochenergetischen Neutrinofabriken ein Meilenstein für die Astrophysik: „Sie bringt uns einen Schritt weiter bei der Lösung des jahrhundertelangen Rätsels um den Ursprung der kosmischen Strahlung.“
„Was wir beobachten, ist nur die Spitze des Eisbergs“, so die Forscherin weiter, „das sind möglicherweise nur die hellsten und effizientesten Neutrino-Emitter.“ In der Tat, sagt sie, habe sich die statistische Analyse nur auf die vielversprechendsten IceCube-Neutrinodaten konzentriert. Buson erwartet, dass anspruchsvollere Analysetechniken weitere Entdeckungen bringen werden. Die Pevatron-Blazare sind eine neue Herausforderung für die Multi-Messenger-Astrophysik, so Buson: „Was macht diese Gruppe von Blazaren so besonders unter den Tausenden von vergleichbaren Objekten in unserem Universum? Diese und andere Fragen werden unsere Multi-Messenger-Gemeinschaft in den kommenden Jahrzehnten beschäftigen.“
U. Würzburg / RK
Weitere Infos
- Originalveröffentlichung
S. Buson et al.: Beginning a Journey Across the Universe: The Discovery of Extragalactic Neutrino Factories, Astroph. J. Lett. 933, L43 (2022); DOI: 10.3847/2041-8213/ac7d5b - Multimessenger Astronomy (S. Buson), Lehrstuhl für Astronomie, Julius-Maximilians-Universität Würzburg