24.02.2022 • AstronomieAstrophysik

Kosmische Radioblitze aus einer ungewöhnlichen Region

Die Quelle befindet sich in einem Kugelsternhaufen einer Spiralgalaxie.

Sie zählen zu den großen Rätseln der heutigen Astrophysik: Strahlungs­ausbrüche, die ungefähr eine Tausendstel­sekunde dauern und nur in Radio­teleskopen erscheinen. Seit ihrer Entdeckung im Jahr 2007 suchen Wissen­schaftler nach der Ursache dieser kosmischen Blitze. Jetzt hat ein Team unter Beteiligung des MPI für Radio­astronomie und seiner 100-Meter-Antenne in Effelsberg einen dieser „Fast Radio Bursts“, kurz FRBs, im bisher geringsten Abstand von der Erde gefunden, in der 12 Millionen Lichtjahre entfernten Spiralgalaxie Messier 81. Mehr noch: Die Quelle sitzt offenbar in einem Kugel­stern­haufen dieser Galaxie – dort, wo man einen FRB am wenigsten erwartet hätte.

Abb.: Die künst­le­rische Dar­stel­lung zeigt den Aus­bruch von...
Abb.: Die künst­le­rische Dar­stel­lung zeigt den Aus­bruch von Radio­strahlung, wie ihn Astro­nomen in einem Kugel­stern­haufen der Spiral­galaxie Messier 81 beob­achtet haben. (Bild: D. Futselaar, ASTRON)

Die meisten schnellen Radioblitze tauchen wie aus dem Nichts auf, einige wenige wiederholen sich periodisch. Jeder dieser Ausbrüche sendet so viel Energie aus, wie die Sonne an einem ganzen Tag abstrahlt. Täglich tauchen mehrere hundert dieser kosmischen Blitze überall am Himmel auf. Die meisten befinden sich in großer Entfernung von der Erde – in Galaxien, die Milliarden von Lichtjahren entfernt sind.

Forscher unter der Leitung von Franz Kirsten von der Chalmers-Universität in Schweden und Kenzie Nimmo von der Universität Amsterdam nahmen jetzt eine Quelle von sich wieder­holenden Blitzen unter die Lupe, die im Januar 2020 entdeckt wurden. „Wir wollten nach Hinweisen auf die Ursprünge der Ausbrüche suchen“, sagt Kirsten. Dafür nutzten die Wissen­schaftler das europäische Beobachtungs­netzwerk EVN: Sie kombinierten die Daten von zwölf Parabol­antennen – darunter auch das 100-Meter-Teleskop des MPI für Radio­astronomie als das empfind­lichste Einzel­instrument – und konnten auf diese Weise genau lokalisieren, wo am Himmel der Strahlungs­ausbruch seinen Ursprung hat.

So verfolgte das Team die Blitze bis in die Außen­bezirke der nahe gelegenen Spiralgalaxie M 81, die etwa 12 Millionen Lichtjahre von der Erde entfernt ist – und damit die bisher nächst­gelegene Quelle für Radioblitze darstellt. Und: Deren Position stimmt exakt mit einem Kugel­stern­haufen überein, der in der Galaxie liegt und aus einer dichten Ansammlung von sehr alten Sternen besteht.

Genau diese Tatsache erstaunt die Forscher, denn bisher wurden FRB an Orten gefunden, an denen die Sterne viel jünger sind. „Die Ähnlichkeit des Ausbruchs mit der Emission einiger Pulsare in unserer Galaxis bringt uns zwar auf vertrautes Terrain, macht aber auch deutlich, dass die Vorläufer des Strahlungs­ausbruchs sehr unter­schied­lich sein können“, sagt Ramesh Karuppusamy vom MPI für Radioastronomie.

Um die Überraschung zu verstehen, muss man die Theorie zur Ursache der Radioblitze kennen. Viele Astrophysiker vermuten, dass sich dahinter Magnetare verbergen. Das sind sehr dichte Überreste explodierter massereicher Sonnen – etwa zwanzig Kilometer große Neutronen­sterne, die rasch rotieren und extrem starke Magnet­felder besitzen. „Wir erwarten, dass Magnetare junge Objekte sind“, sagt Jason Hessels von der Universität Amsterdam.

Daher glauben die Forscher, dass es sich bei der Quelle der Radioblitze aus der Galaxie M 81 um ein Objekt handelt, das zwar theoretisch vorher­gesagt, aber bisher noch nie live gesehen wurde: um einen Magnetar, der sich bildete, als ein weißer Zwerg genügend Masse angesammelt hatte, um unter seinem eigenen Gewicht zu kollabieren. „Im Laufe der mehrere Milliarden Jahre dauernden Existenz eines Kugel­stern­haufens geschehen seltsame Dinge. Wir vermuten, dass wir hier einen Stern mit einer ungewöhn­lichen Geschichte sehen“, sagt Kirsten.

Weiße Zwerge gelten als die Endstadien normaler Sterne wie unsere Sonne, die einige Milliarden Jahre leben und sich am Ende ohne Explosion in etwa erdgroße dichte Objekte verwandeln. In alten Sternhaufen existieren viele dieser weißen Zwerge, einige davon in Doppel­stern­systemen. Dabei sollten sich manche dieser Paare so nahe kommen, dass der eine Partner vom anderen Material aufsammelt.

Wenn einer der weißen Zwerge genug zusätzliche Masse von seinem Begleiter aufnimmt, kann er sich in einen noch dichteren Stern verwandeln – in einen Magnetar. „Das ist ein seltenes Ereignis, aber in einem Haufen alter Sterne wäre es der einfachste Weg, um schnelle Radio­strahlungs­ausbrüche zu erzeugen“, sagt Team­mitglied Mohit Bhardwaj von der McGill-Universität in Kanada.

Während ihrer Messungen machten die Forscher noch eine weitere Entdeckung: Einige der Ausbrüche waren kürzer als erwartet und veränderten ihre Helligkeit innerhalb von nur ein paar Dutzend Nanosekunden. „Das bedeutet, dass sie aus einem winzigen Volumen kommen müssen, kleiner als ein Fußball­feld, vielleicht nur einige Dutzend Meter groß“, sagt Nimmo. Ähnlich ultra­kurze Signale werden auch von einem der berühmtesten Objekte am Himmel, dem Pulsar im Krebsnebel, empfangen. Dabei handelt es sich ebenfalls um einen Neutronen­stern. Während der Stern schnell um seine Achse rotiert, sendet er zwei Strahlungs­bündel aus. Über­streichen sie die Erde, scheint das Objekt als Pulsar.

„Einige der Signale, die wir gemessen haben, sind kurz und extrem stark, genau wie einige Signale des Krebs-Pulsars. Das deutet darauf hin, dass wir tatsächlich einen Magnetar sehen – allerdings an einem Ort, an dem bisher noch keine Magnetare gefunden wurden“, sagt Nimmo. Künftige Beobachtungen dieses und anderer Systeme sollen dabei helfen herauszufinden, ob es sich bei der Quelle tatsächlich um einen Magnetar handelt oder um etwas anderes, etwa um einen Pulsar mit ungewöhn­lichen Eigen­schaften. Oder gar um ein schwarzes Loch, das ein kompakter Stern in einer engen Umlaufbahn umkreist.

MPIfR / RK

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