Kosmische Ravioli und Spätzle
Entstehung der seltsam geformten inneren Saturnmonde simuliert.
Als Martin Rubin von der Uni Bern erstmals die Bilder der Saturnmonde Pan und Atlas sah, war er verblüfft. Die Nahaufnahmen der Cassini-
Abb.: Entstehung von Atlas, einem der kleinen, inneren Monde des Saturns. Seine flache, ravioliartige Form kam bei der Kollision und Verschmelzung zweier gleich großer Körper zustande. Die Illustration zeigt einen Moment, bevor die Neuausrichtung des Mondes aufgrund der Gezeiten abgeschlossen ist. (Bild: A. Verdier)
Jutzi und Adrien Leleu vom Nationalen Forschungsschwerpunkt PlanetS nahmen die Herausforderung an, den Entstehungsprozess der kleinen, inneren Saturnmonde zu berechnen. Die ersten, einfachen Tests funktionierten gut. „Aber dann berücksichtigten wir die Gezeitenkräfte und die Probleme häuften sich“, erinnert sich Leleu. „Die Bedingungen in der Nähe von Saturn sind sehr speziell“, so Jutzi. Die Gezeitenkräfte sind enorm und ziehen fast alles auseinander. Eine allmähliche Anhäufung von Material um einen Kern hätte niemals Objekte mit diesen eigenartigen Formen hervorgebracht. Schon früher schlugen Forscher daher ein alternatives Entstehungsmodell vor: Demnach wurden diese Monde durch eine Reihe von Fusionen kleinerer Minimonde geformt.
Nachdem die Forscher ihre anfänglichen Probleme gelöst hatten, konnten sie dieses Modell verifizieren. Und noch mehr: Sie zeigten, dass die Kollisionen der Minimonde zu genau denjenigen Formen führen, die auf den Bildern von Cassini zu sehen sind. Nahezu frontale Zusammenstöße ergeben abgeflachte, ravioliartige Objekte wie Atlas und Pan. Kollisionen mit etwas schrägeren Auftreffwinkeln führen zu länglichen, spätzleartigen Formen, die aussehen wie der neunzig Kilometer lange Mond Prometheus, den Cassini ebenfalls fotografiert hat.
Ausgehend von den heutigen Umlaufbahnen der Monde und ihrer Umgebung konnten die Forscher abschätzen, dass die Aufprallgeschwindigkeiten in der Größenordnung von wenigen zehn Metern pro Sekunde lagen. Simulationen in diesem Bereich mit verschiedenen Aufprallwinkeln ergaben unterschiedliche, stabile Formen wie Ravioli und Spätzle, jedoch nur für niedrige Aufprallwinkel. „Ist der Aufprallwinkel grösser als zehn Grad, sind die resultierenden Formen nicht mehr stabil“, sagt Leleu. „Deshalb sehen die kleinen Saturnmonde ganz anders aus als Kometen, die oft eine zweiteilige Form haben“, erklärt Jutzi.
Interessanterweise sind Frontalzusammenstöße nicht so selten, wie man meinen könnte. Die kleinen, inneren Monde stammen wahrscheinlich von den Ringen des Saturns, einer dünnen Scheibe in der Äquatorebene des Planeten. Saturn ist zudem keine perfekte Kugel, sondern abgeplattet, was es jedem Objekt schwermacht, diese schmale Ebene zu verlassen. Deshalb sind fast frontale Kollisionen häufig und der Aufprallwinkel wird bei nachfolgenden Zusammenstößen noch geringer. „Ein erheblicher Teil der Verschmelzungen bei einer Kollision findet entweder schon bei der ersten Begegnung statt oder nach ein bis zwei Zusammenstößen“, fassen die Forscher zusammen. „In dieser Hinsicht ist Saturn ein besonders einfaches System, um diese Prozesse zu untersuchen“, sagt Rubin.
Obwohl die Forscher vor allem die kleinen, inneren Monde des Saturns untersuchten, fanden sie auch eine mögliche Erklärung für ein langjähriges Rätsel um den drittgrößten Saturnmond Iapetus. Warum hat Iapetus eine abgeplattete Form und einen schmalen, hohen Gebirgszug rund um den Äquator? „Gemäß unseren Simulationen könnten diese Merkmale das Ergebnis einer Fusion von Monden ähnlicher Größe sein, die nahezu frontal aufeinander trafen, ähnlich wie die kleineren Monde“, so die Forscher.
U. Bern / RK