15.02.2019 • PlasmaVakuumKosmologie

Kosmischer Raub am Rande schwarzer Löcher

Wie Plasmastrahlen der Gravitation entkommen.

Schwarze Löcher verschlingen alles, was in ihre Reichweite gelangt. Dennoch beobachten Astronomen, wie Teilchenstrahlen mit nahezu Lichtgeschwindigkeit aus schwarzen Löchern austreten. Neue Computersimulationen haben enthüllt, was diesen Teilchen eine solche Geschwindigkeit verleiht: sozusagen ein Fall kosmischen Raubes. Die ausbrechenden Teilchen rauben nämlich einen Teil der Rotationsenergie des sich drehenden Schwarzen Lochs. Wie die Entwickler der Simulationen in der am 25. Januar erschienenen Ausgabe der Physical Review Letters erläutern, ermöglichen zwei unter Ausnutzung von Magnetfeldern ablaufende Hauptmechanismen den Teilchen ihre Hochgeschwindigkeitsflucht.

Abb.: Rotierende Schwarze Löcher können Teilchen­strahlen aus­stoßen, die...
Abb.: Rotierende Schwarze Löcher können Teilchen­strahlen aus­stoßen, die sich fast mit Licht­geschwin­digkeit bewegen. Neue Simu­lationen zeigen, welche Prozesse die Rotations­energie eines Schwarzen Lochs nutzen, um die Teilchen zu be­schleu­nigen. (Bild: K. Parfrey et al./Physical Review Letters 2019)

Wenn sich ein Schwarzes Loch dreht, verformt und verdreht seine dichte Masse die umgebende Struktur von Raum und Zeit. Die Simulationen zeigen, dass sich dann Magnetfelder an den Polen des Schwarzen Lochs aufrollen und nach außen springen und Partikelstrahlen in den Raum schleudern. Am Äquator hingegen kollabieren die Magnetfelder zu Bündeln. Dieses Verwickeln erzeugt Bereiche, die wie Teilchenbeschleuniger wirken. Einige Teilchen werden mit hoher Geschwindigkeit in die Kanten von Polarjets, andere wiederum in den Schlund des Schwarzen Lochs befördert.

Die Ergebnisse der Simulationen liefern den bisher detailliertesten Blick auf die Prozesse, die die Jets eines Schwarzen Lochs antreiben, so Co-Autor Alexander Philippov, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Center for Computational Astrophysics des Flatiron-Instituts in New York City. „Es ist zuvor noch niemandem gelungen, Simulationen in gekrümmter Raumzeit so zu forcieren", sagt Philippov, der an dem Projekt zusammen mit Kyle Parfrey vom Lawrence Berkeley National Laboratory und Benoît Cerutti von der Université Grenoble Alpes in Frankreich arbeitete.

„Bevorstehende Datenveröffentlichungen von Observatorien wie dem Event Horizon Telescope werden die Simulationen auf die Probe stellen“, so Philippov. Dieses Teleskop konzentriert sich auf das supermassive Schwarze Loch im Herzen der Milchstraße und wurde entwickelt, um Bilder von Regionen aufzunehmen, in denen sich der Strahl bildet.

Die Berechnung der Plasmastrahlbildung ist aufgrund der zugrundeliegenden komplexen Physik schwierig. Schwarze Löcher verbiegen die Raumzeit und erzeugen starke Magnetfelder. Teilchen am Rande des Schwarzen Loches bewegen sich und werden ionisiert, sodass ein Plasma entsteht. Neue Teilchen, Paare aus Elektronen und ihren Antimaterie-Doppelgängern, den Positronen, entstehen quasi aus dem Nichts.

Bisherige Versuche, die Entstehung der Strahlen zu verstehen, benutzten ein vereinfachtes Plasmamodell. Parfrey, Philippov und Cerutti verwendeten stattdessen neue numerische Techniken, die erstmals die Darstellung eines kollisionslosen Plasmas um ein Schwarzes Loch herum ermöglichen. In einem kollisionsfreien Plasma stoßen die einzelnen Partikel nicht oft genug aneinander, um einheitlich behandelt und vereinfacht dargestellt zu werden.

Die neuen Simulationen beginnen mit einem sich drehenden schwarzen Loch, das von intensiven Magnetfeldern umgeben ist. Am Rande des Schwarzen Lochs erzeugen die Simulationen Paare von Elektronen und Positronen. Da diese Partikel eine elektrische Ladung haben, werden sie von den elektromagnetischen Feldern mitgerissen.

Im Laufe der Simulationen tritt ein zuvor vorhergesagter Mechanismus namens Blandford-Znajek-Prozess in der Nähe des Nord- und Südpols auf. Während dieses Prozesses verwirbelt das schwarze Loch das die Struktur der Raumzeit. Diese Verzerrung wandelt die Magnetfelder in spulenförmige Bereiche in der Nähe der Pole. Diese Windungen springen dann wie ein Wagenheber nach außen in den Raum, entziehen dem schwarzen Loch Spin-Energie und erzeugen Partikelstrahlen.

In Äquatornähe des Schwarzen Lochs greift ein anderer und unerwarteter Partikelbeschleunigungsmechanismus. Gegenläufige Magnetfeldlinien treffen sich dort. Diese Ansammlung bewirkt, dass sich die Linien verdrehen und verwirren. Im Raum zwischen diesen Bündeln ist das Magnetfeld im Vergleich zum elektrischen Feld des Schwarzen Lochs relativ schwach.

Das elektrische Feld, jetzt die stärkste Kraft im Spiel, beschleunigt die Partikel. Einige fliegen nach außen und folgen einer gekrümmten Trajektorie in die Peripherien der polaren Plasmastrahlen. Andere rasen in das schwarze Loch. Aus der Ferne scheinen die absteigenden Partikel negative Energie zu haben. Wenn das schwarze Loch sie schluckt, verliert es ein wenig von seiner Rotationsenergie im sogenannten Penrose-Prozess.

Insgesamt deuten die Simulationen darauf hin, dass etwa 80 Prozent der Energie des Strahls aus dem korkenzieherartig geformten Magnetfeld an den Polen stammen, während die restlichen 20 Prozent von den in der Nähe des Äquators beschleunigten Teilchen stammen.

Simons Foundation / LK

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