21.11.2013

Kosmisches Feuerwerk

Rekordverdächtiger Gammastrahlenausbruch bringt gegenwärtige Modelle in Schwierigkeiten.

Vor etwas über einem halben Jahr leuchtete ein extrem heller Punkt am ansonsten eher dunklen Gammastrahlen-Himmel auf: GRB 130427A war einer der heftigsten je registrierten Gammastrahlenausbrüche. Solche Ereignisse gehen vermutlich auf den Kollaps schwerer Sterne zurück, deren Zentrum zu einem Schwarzen Loch oder Neutronenstern zusammenstürzt, während die äußere Hülle in einer Supernova-Explosion abgestoßen wird. Das rotierende Zentrum akkretiert die einströmende Materie und bündelt einen Teil von ihr zu einem scharfen Jet, der die expandierenden äußeren Schichten durchstößt. Hierbei entstehen Schockfronten, in denen hochenergetische Gammastrahlung entsteht.

Abb: Der Nachthimmel bei Energien oberhalb von 100 Millionen Elektronenvolt. Die Sternbilder Löwe und Großer Bär sind zur Orientierung eingezeichnet. Beide Aufnahmen sind über drei Stunden integriert, die linke vor dem Ereignis, die rechte 2,5 Stunden vor und eine halbe in den Ausbruch hinein. Danach schaltete Fermi in einen feineren Modus. (Bild: NASA / DOE / Fermi LAT Collaboration)

Da die Erdatmosphäre für diese nicht durchsichtig ist, sind Astronomen für deren Nachweis auf spezialisierte Gammmastrahlen-Weltraumteleskope wie Fermi oder Swift angewiesen, die bis weit in den Gammabereich hinein messen können. Die geladene Komponente der Ejekta lässt sich nicht nachweisen, da sie von intergalaktischen Magnetfeldern abgelenkt wird.

Am 27. April 2013 konnten nicht nur Fermi und Swift, sondern auch mehrere andere Teleskope einen extrem hellen Gammablitz ausmachen, der bei einigen Geräten bis in die Sättigung führte. Nicht nur die reine Helligkeit, auch die enorme Dauer von rund zwanzig Stunden machten ihn zu einem rekordverdächtigen Ereignis, das die heutigen Theorien zu Gammastrahlenausbrüchen auf den Prüfstand stellt. Auf den plötzlichen steilen Gamma-Anstieg folgte Sekunden später eine kurze Plateauphase mit Flares und dann das stundenlange Nachglühen im Röntgen-, optischen und Radiobereich.

Bis zum September dieses Jahres untersuchten insgesamt 58 verschiedene Teleskope die Entwicklung des Überrests, um herauszufinden, welche Art von Vorläuferstern diesen Ausbruch verursacht haben könnte. Denn Gammastrahlenausbrüche geschehen üblicherweise in großen kosmischen Entfernungen jenseits einer Rotverschiebung von 1. Dieser war jedoch der stärkste je registrierte unterhalb einer Rotverschiebung von 0,9. Er lag verhältnismäßig nahe bei einer Rotverschiebung von 0,34 – was einer Entfernung von 3,6 Milliarden Lichtjahren entspricht.

Bei solchen Distanzen lässt sich nur durch die Analyse des Nachglühens etwas über den Vorläufersterns herausfinden. Die Entfernung ist aber klein genug, um die mit dem Ausbruch einhergehende Supernova studieren zu können. Denn nur fünf Prozent der Gammastrahlenausbrüche finden in so geringer Entfernung statt. In vergleichbarer Nähe sind überhaupt nur eine Handvoll ähnlich langanhaltender Gammablitze bekannt.

Fermi besitzt für die Frühwarnung den Gamma Ray Burst Monitor, der aus zwei Szintillationsdektektoren für verschiedene Energiebereiche aufgebaut ist und den nicht von der Erde verdeckten Himmel überwacht. Das analoge Gerät auf Swift heißt Burst Alert Telescope und entdeckt um die 100 Gammastrahlenausbrüchen im Jahr, meist jedoch in sehr großen Entfernungen.

Wenn diese Frühwarn-Detektoren ansprechen, richten diese und andere Teleskop sich automatisch auf den Gammastrahlenausbruch aus, denn üblicherweise sind diese schon nach wenigen Sekunde bis Minuten vorbei. Auch hier war die von Flares begleitete Spitze der Gamma-Emissionen nach wenigen Sekunden erreicht, worauf sich ein langsamer Abfall nach einem Potenzgesetz anschloss. Der Lorentzfaktor der ausströmenden Plasmamassen erreichte einen hohen relativistischen Wert von 500 und fiel dann auf 100 ab.

Abb. 2: Nahaufnahme des Gammastrahlenausbruchs durch den Swift-Satellit. (Bild: Swift Satellite, NASA)

Mittlerweile konnten Astronomen auch die zugehörige Supernova SN 2013cq nachweisen. Sie zeigte ihre größte Helligkeit gut zwei Wochen nach dem Gammablitz. Vermutlich war der Vorläuferstern ein schwerer und kompakter Stern mit zwanzig- bis dreißigfacher Sonnenmasse, aber nur der drei- bis vierfachen Größe – ein Wolf-Rayet-Stern, der starke Sternwinde erzeugt.

Wie mehrere aktuelle Veröffentlichungen zum Thema belegen, war das Ereignis nicht nur einer stärksten je beobachteten Gammablitze, sondern im Bereich über 100 Megaelektronenvolt insgesamt der hellste und längste. Die Forscher konnten auch das stärkste Gammaquant nachweisen, das bislang bei Gammastrahlenausbrüchen gefunden wurde. Nur wenige Minuten nach Beginn tauchte ein Photon mit 95 Gigaelektronenvolt in den Detektoren auf, was im Ruhesystem der Heimatgalaxie von GRB 130427A rund 128 Gigaelektronenvolt entspricht.

Neun Stunden später kam ein zweites hochenergetisches Photon mit 32 Gigaelektronenvolt (43 Gigaelektronenvolt im Ruhesystem) an. Diese beiden Photonen sind deutlich energiereicher als der bisherige Rekordhalter, den das Compton Gamma Ray Observatorium bei GRB 940217 b mit 18 Gigaelektronenvolt nachweisen konnte. Die gegenwärtigen Modelle können die Entstehung solch hochenergetischer Teilchen und auch die zeitliche Entwicklung der Spektren aber nur sehr ungenügend erklären.

So vermuten die Forscher, dass Synchrotron-Strahlungsprozesse für einen großen Teil der Gamma-Emissionen verantwortlich sind. Die üblichen Theorien zu Fermi-Schockfronten in Plasmen sind mit den neuen Messungen aber nicht kompatibel. Die gemessenen Eigenschaften entsprechen aber durchaus denjenigen heftiger Gammastrahlenausbrüche bei höheren Rotverschiebungen, was auf einen gemeinsamen Mechanismus auch im jungen Universum hinweist.

Einige Forscher halten es für möglich, dass außerordentlich starke magnetische Rekonnexionen in den Schockfronten der Jets für die hohen Photonenenergien verantwortlich sein könnten. Die Modellierung dieser extremen Ereignisse scheint jedenfalls noch einige Überraschungen bereit zu halten.

Dirk Eidemüller

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