02.11.2007

Kristallatome beim Phasenübergang

Mithilfe der ultraschnellen Elektronenbeugung lässt sich die Bewegung von Kristallatomen beim Phasenübergang sichtbar machen.



Mithilfe der ultraschnellen Elektronenbeugung lässt sich die Bewegung von Kristallatomen beim Phasenübergang sichtbar machen.

Vor einem Jahr hatten Ahmed Zewail und seine Mitarbeiter am Caltech mit ihrem ultraschnellen Elektronenmikroskop beobachtet, wie der strukturelle Phasenübergang von Vanadiumdioxid innerhalb von 3 Picosekunden (1 ps = 10 –12s) ablief. Jetzt haben die Forscher mit ultraschneller Elektronenbeugung sogar die Zwischenstadien identifiziert, durch die sich der VO 2-Kristall von der monoklinen Tieftemperaturphase schrittweise in die tetragonale Hochtemperaturphase entwickelt.

Die Forscher regten das zu untersuchende Material mit einem 120 Femtosekunden (1 fs = 10 –15s) langen Laserpuls von 800 nm Wellenlänge an. Darauf folgte in variablem zeitlichen Abstand ein etwa 300 fs dauernder Elektronenpuls mit einer Energie von 30 keV. Der streifend einfallende Elektronenpuls drang etwa 10 nm in das Material ein, wurde reflektiert und gebeugt. Das Beugungsmuster ließ dann Rückschlüsse auf die Kristallstruktur der Materialprobe zu. Indem man den Abstand zwischen dem Licht- und dem Elektronenpuls in Schritten von 250 fs vergrößerte, ließ sich die Veränderungen der Kristallstruktur mit einer entsprechenden zeitlichen Auflösung verfolgen.

Da unterschiedliche Bereiche der Probe vom streifenden Elektronenpuls mit unterschiedlicher Zeitverzögerung getroffen wurden, musste man sie zuvor auch vom Lichtpuls zu unterschiedlichen Zeiten anregen, damit die hohe zeitliche Auflösung des Verfahrens erhalten blieb. Dieses Problem lösten die Forscher, indem sie dem Lichtpuls eine verkippte Front gaben, sodass der zeitliche Abstand zwischen Licht- und Elektronenpuls über den ganzen untersuchten Probenbereich von 2 mal 0,2 Millimeter konstant war. Dadurch wurde es möglich, mit der Femtosekunden-Elektronenbeugung in Reflexion auch dicke Proben zu untersuchen, während bisher in Transmission nur dünne Schichten analysiert werden konnten.

Was ihr Verfahren leisten kann, zeigten Zewail und seine Kollegen am Beispiel des Phasenübergangs von Vanadiumdioxid, das mit einer Hysterese zwischen 60 und 70 °C von einer monoklinen nichtleitenden Phase in eine tetragonale metallische Phase übergeht. Die Forscher hielten ihre VO 2-Probe auf Zimmertemperatur, sodass normalerweise die monokline Phase vorlag. Mit dem Laserpuls regten sie die Probe an, woraufhin sie in die tetragonale Phase überging. Mit dem nachfolgenden Elektronenpuls wurde die Kristallstruktur der Probe untersucht. Nach einiger Zeit kehrte das Probenmaterial von selbst wieder in seinen Ausgangszustand zurück, bevor es nach etwa 1 ms vom nächsten Laserpuls getroffen wurde.

Zur Bestimmung der Kristallstruktur benutzen die Forscher 16 besonders intensive Beugungsreflexe, deren Intensitäten sich während des Phasenübergangs unterschiedlich schnell änderten. Die charakteristischen Zeiten lagen dabei zwischen 300 fs und 100 ps. Aus der Strukturanalyse ergab sich folgendes Bild. Innerhalb von 307 fs nach dem Eintreffen des Laserpulses wurden die in der monoklinen Phase paarweise gebundenen Vanadiumatome in Bindungsrichtung auseinander gezogen, so dass diese Bindungen aufbrachen. Dies war der Moment, in dem sich die zuvor in d-Orbitalen lokalisierten Elektronen plötzlich in delokalisierten Orbitalen wieder fanden und aus dem Isolator ein Metall wurde. In den folgenden 9 ps wanderten die Vanadiumatome quer zur ursprünglichen Bindungsrichtung, bis sie nahezu die Positionen erreicht hatten, die sie im tetragonalen Kristall einnehmen sollten.

Doch auch danach „arbeitete“ es noch im Kristall. Die Beugungsreflexe änderten sich weiter, allerdings relativ langsam, über ein Zeitintervall von etwa 300 ps. Dabei traten Scherbewegungen im Kristall auf, die sich mit der materialspezifischen Schallgeschwindigkeit von 4000 m/s über hunderte von Nanometern ausbreiteten. Solche Scherbewegungen sind unumgänglich, um von der monoklinen in die tetragonale Phase zu gelangen. Da sie aber „makroskopische“ Umordnungsvorgänge sind, laufen sie auf einer viel größeren Zeitskala ab. All dies lässt sich mit der von Zewail und Kollegen entwickelten Femtosekunden-Elektronenbeugung detailliert verfolgen. Die Forscher sind zuversichtlich, dass ihr Verfahren auch bei der Untersuchung von nanostrukturierten Materialien und biologischen Systemen neue Einblicke ermöglichen wird.

Rainer Scharf

Weitere Infos:

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