08.07.2015

Kristallstruktur und Magnetismus

Zusammenhang zwischen magnetischen Wechselwirkungen und Verzerrungen der Kristallstruktur in einem geometrisch frustrierten Spinell-System.

Wie sich in kristallinen Proben mit Spinellstruktur magnetische und geo­metrische Ordnungen gegenseitig beeinflussen, hat jetzt erstmals ein Forscherteam am Helmholtz-Zentrum Berlin untersucht. Die Gruppe hat dazu eine Reihe von Mischkristallen mit der Summenformel Ni1-xCuxCr2O4 synthetisiert, in denen das Element Nickel sukzessive durch Kupfer ersetzt wurde. Mit Neutronen-Streuexperimenten am BER II deckten sie auf, wie sich dadurch nicht nur die Kristallstruktur verändert, sondern auch neue magnetische Phasen auftreten.

Abb.: Durch den Jahn-Teller-Effekt sind Tetraeder mit einem Nickel-Atom im Zentrum etwas gestreckt (grün), während die Tetraeder mit einem Kupfer-Atom im Zentrum gestaucht sind (blau). (Bild: M. Tovar, HZB)

Spinelle bestehen aus dicht gepackten, hochsymmetrischen Ebenen von Sauerstoffatomen, in deren Zwischenräumen unterschiedliche metallische Elemente eingelagert sind. Dadurch entsteht eine große Bandbreite von Verbindungen, die in der Rohstoffindustrie und als feuerfeste und mag­netische Werkstoffe zum Einsatz kommen. Im Spinellsystem Ni1-xCuxCr2O4 verursachen die eingelagerten Metallionen eine Verzerrung der Kristallstruktur und weisen zusätzlich magnetische Momente auf, die sich strukturbedingt nicht beliebig ausrichten können. So kommt es, abhängig von der Temperatur, zu spektakulären neuen Ordnungen. Die HZB-Forscher haben nun dieses Chrom-Spinell-System umfassend analysiert und erstmals fundamentale Erklärungen für das komplexe Phasendiagramm gefunden.

Um hochreine Proben mit exakt definierten Anteilen von Nickel und Kupfer herzustellen, musste Michael Tovar zunächst die Präparationstechnik erheblich verbessern. Die Reihe beginnt mit grünen Proben aus reinem Nickel-Chrom-Spinell und setzt sich über Proben mit zunehmendem Kupfer-Anteil fort. Dabei werden die Proben immer dunkler. Am Ende liegt der Kupfer-Anteil bei 100 Prozent, das Pulver ist schwarz. Die Pulver bestehen aus kleinen Kristallkörnern mit Durchmessern zwischen 30 und 50 Mikrometern. Das spannende an dieser Mischkristallreihe: Die Nickel- oder Kupfer-Atome sitzen auf Tetraeder-Plätzen der Kristallstruktur. Aufgrund ihrer unter­schiedlichen Elektronenkonfiguration sind diese Tetraeder bei Nickel entlang der kristallographischen c-Achse gestreckt, bei Kupfer dagegen gestaucht. Dieser Jahn-Teller-Effekt erlaubt es also, über den Kupferanteil die Verzerrung der Kristallstruktur steuern, was sich wiederum auf die magnetischen Ordnungen auswirkt.

Mit Neutronenstreuexperimenten am Forschungsreaktor BER II gelang es Manfred Reehuis und Michael Tovar, die strukturellen und magnetischen Eigenschaften in jeder Mischkristallprobe zu ermitteln und zwar in einem weiten Temperaturbereich von nahe dem absoluten Nullpunkt bis über 900 Kelvin. Die beiden Wissenschaftler stießen auf neue magnetische Ordnungen und konnten erstmals ein vollständiges Phasendiagramm des Systems erstellen. Dabei ist bei hohen Temperaturen die Kristallstruktur kubisch, da die Bewegungsenergie der Atome den Jahn-Teller-Effekt noch unterdrückt, magnetische Ordnungen können sich nicht etablieren. Bei sinkender Temperatur setzt der Jahn-Teller-Effekt ein, der die Kristall­symmetrie erniedrigt: zunächst tetragonal und schließlich orthorhombisch.

Das Interessante dabei: Die magnetischen Phasen treten nur bei ortho­rhombischer Struktur auf, die sowohl beim reinen Nickel- als auch beim Kupfer-Spinell weit unterhalb der Raumtemperatur liegen. „Wir konnten erstmals die magnetischen Strukturen exakt bestimmen und damit nachweisen, dass es zwischen den magnetischen Ordnungszuständen und den kristallinen Strukturen einen Zusammenhang gibt. Dies war eine Frage, die Physiker seit mehr als 50 Jahren beschäftigt hat“, erklärt Reehuis.

Bei einem Mischungsverhältnis von 85 Prozent Nickel und 15 Prozent Kupfer weist das Spinellsystem eine Art orthorhombische Insel im Phasendiagramm auf, bei der kurzzeitig der beobachtete Zusammenhang von Kristallsymmetrie und Magnetismus aufgebrochen wird. Die Ursache: Anders als bisher angenommen erfolgt die Verzerrung der Nickel- und Kupfertetraeder nicht in die gleiche Richtung, sondern um 90 Grad zueinander verdreht. Daher kommt es beim genannten Mischungsverhältnis nicht zu einem Ausgleich der Verzerrungen, sondern zu einer maximalen Verzerrung der Struktur. „Atome sind eben keine Kugeln, sondern machen verrückte Sachen, insbesondere wenn sie nicht isoliert auftreten, sondern in einem geometrischen Verbund wie eben in einer Kristallstruktur“, sagt Tovar.

HZB / RK

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