04.08.2016

Kristalluntersuchung in 3D

Photonen-Energie als dritte Dimension der kristal­lo­gra­phischen Tex­tur­analyse.

Ob beim Aufbau von Knochen, Muschelschalen oder Korallen, Lebewesen sind wahre Meister der Kristal­li­sation. Im Labor ist diese erstaun­liche Präzi­sion bisher nicht nach­zu­ahmen. Die Vorgänge und oft auch der genaue Aufbau der Bio­mine­ralien sind noch weit­gehend uner­forscht. Ein inter­natio­nales Forscher­team stellt jetzt eine drei­dimen­sionale Röntgen­beugungs­methode zur Bestimmung der kristal­lo­graphi­schen Textur vor, die eine bisher bei­spiel­lose räum­liche Auf­lösung liefert.

Abb.: Grafische Darstellung der kristal­lo­gra­phi­schen Tex­tur­ana­lyse. (Bild: Wiley-VCH)

Die Anordnung der einzelnen Kristallite hat einen großen Ein­fluss auf dessen Eigen­schaften. Die Textur einer Probe lässt sich durch Röntgen­beugung bestimmen. Röntgen­strahlen werden an der Elek­tronen­hülle der Atome abge­lenkt, die von den einzelnen Atomen aus­gehen­den Wellen inter­ferieren und in Abhän­gig­keit von Abstand und Anord­nung der Atome ergeben sich Beugungs­muster, die von einem Detektor aufge­zeichnet werden und Rück­schlüsse auf die Anord­nung der Kristal­lite zulassen. Diese konven­tio­nelle Analyse­methode liefert aber nur eine Pro­jek­tion, also zwei­dimen­sio­nale Daten. Drei­dimen­sional räum­lich aufge­löste Infor­ma­tionen erfordern die Drehung der Probe im Strahl. Dabei ändert sich jedoch das beleuch­tete Proben­volumen, die Signale ver­schmieren. Komplexe Struk­turen lassen sich so schwer unter­suchen.

Dieses Hindernis hat das Team jetzt überwunden. Schlüssel zum Erfolg war, die Probe mit Röntgen­licht aus einem Synchro­tron zu bestrahlen, also nicht nur mit einer Energie, sondern mit einem ganzen Energie­spektrum. Das liefert zusätz­liche Infor­ma­tionen, da jede Energie anders gebeugt wird. Mit einer spe­zi­ellen Kamera ließ sich das Beugungs­muster nach Energie getrennt auf­zeichnen und so das jeweilige Spektrum in jedem einzelnen Pixel auf­lösen. Rechen­ver­fahren ermög­lichen, die Röntgen­photonen­energie in die fehlende dritte Dimen­sion im Raum zu über­setzen.

Am Beispiel von Kohlenstofffasern, die eine gut bekannte Faser­textur haben, belegten die Forscher die Leis­tungs­fähig­keit ihrer Methode. Zudem unter­suchten sie die Schale des ameri­ka­nischen Hummers. Sie soll aus Lagen helikal ange­ord­neter mit amorphem Calcium­karbonat mine­rali­sierter Chitin­fasern bestehen. Senk­recht zur Chitin­schicht sollen Calcit-Kriställ­chen ange­ordnet sein. Diese An­nahmen konnten jetzt bestätigt und weiter präzi­siert werden.

„Unsere neue Methode liefert direkte 3D-Infor­ma­tionen mit einer einzigen Messung – ohne Vor­wissen über die Probe“, so Helga Lichten­egger von der Uni für Boden­kultur Wien. „Sie erlaubt die Textur­analyse großer Proben mit komplexen Sub­struk­turen und eröffnet so die Mög­lich­keit, Textur-Ände­rungen in situ zu ver­folgen, etwa während der Kristal­li­sation.“

W-VCH / RK

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