02.01.2024

Kritische Infrastruktur mittels Navigationssatelliten überwachen

Neues Messsystem prüft mit wenigen Antennen den Zustand von Gebäuden statisch und dynamisch.

Rein äußerlich haben die Kölnbreinsperre in Kärnten und der DC Tower in Wien nicht viel gemeinsam. Doch für eine Forschungsgruppe um Caroline Schönberger und Werner Lienhart von der TU Graz sind sie wissenschaftlich gleichermaßen interessant. Denn durch Messungen an diesen beiden Bauwerken konnte das Team im Rahmen des Projekts InfraHealth eine satellitengestützte Methode zur statischen und dynamischen Überwachung von kritischer Infrastruktur entwickeln.

Abb.: Eine Messantenne auf der Kölnbreinsperre.
Abb.: Eine Messantenne auf der Kölnbreinsperre.
Quelle: IGMS, TU Graz

Dadurch ist es möglich, nicht nur mittels statischer Messung langsame Verformungen mitzuverfolgen, die etwa durch Änderungen des Staupegels bei einer Staumauer auftreten. Durch dynamische Messungen lassen sich auch Gebäudeschwingungen erfassen und anhand von Abweichungen Schäden oder andere kritische Veränderungen erkennen. Bislang mussten für statische und dynamische Messungen unterschiedliche Methoden genutzt werden. Die neue Methode ermöglicht außerdem die laufende Überwachung auch bei Regen, Schneefall, Nebel oder Sturm.

„Die hohe Genauigkeit, die wir mit den Messungen erzielen konnten, ist beinahe einzigartig“, sagt Schönberger. „Wir können mit Satelliten, die sich etwa 20.000 Kilometer von uns entfernt befinden, Schwingungen im Millimeterbereich oder sogar darunter erfassen. Dieses Projekt bereitet den Weg zum großräumigen Einsatz von globalen Navigationssatellitensystemen für statisches und dynamisches Monitoring kritischer Infrastruktur und damit zur laufenden und von Umwelteinflüssen unabhängigen Überwachung ihrer Sicherheit.“

Zum Einsatz kommen bei diesem neuen Messverfahren lokale Antennen und die öffentlich zugänglichen Signale von Galileo-, GPS- und Glonass-Satelliten. Die Antennen werden an relevanten Messpunkten auf dem Bauwerk angebracht, eine weitere Referenzantenne befindet sich in der Nähe auf stabilem Untergrund. Über die Satelliten bestimmen die Antennen ihre Position, für die dynamische Messung alle 0,05 Sekunden, also mit einer Frequenz von 20 Hertz. Hier haben sich GPS- und Galileo-Signale zur Bestimmung bewährt, da die Antennen damit zuverlässiger ihre Position erfassen können. Anhand dieser aufgezeichneten Rohdaten berechnen die Forscher die Frequenzantwort des Bauwerks.

Bei der statischen Messung geht es gemütlicher zu, da die Messauswertung ein festes Intervall hat, das auf jeden Fall höher als eine Sekunde ist – es kann auch eine Stunde oder einen Tag betragen. Hier brachte die Kombination aller drei GNSS-Systeme die besten Ergebnisse, zu Galileo und GPS kam auch Glonass hinzu.

Um vorab sicherzugehen, dass die Antennen an den für sie vorgesehenen Messpunkten Kontakt zu den Satelliten haben, entwickelte das Forschungsteam ein Tool, mit dem es in Virtual Reality die komplette Planung vornehmen konnte. Bei der Kölnbreinsperre stellte das Team so vorab fest, dass nicht nur die beiden Antennen in der Mitte und jeweils auf halbem Weg zum Rand der Mauer genügend Satellitensignale empfangen können, sondern auch ganz am Rand. Gerade der Übergang zu festem Gelände ist bei der Überwachung von Staumauern wichtig.

Statt sechs Antennen benötigte das Team am DC Tower lediglich zwei: eine zur Messung der Gebäudefrequenz und eine, um zu prüfen, ob sich das Gebäude aufgrund von äußeren Einflüssen wie Wind auch verdreht. Während der dortigen Versuche zeigte sich, wie genau das neue Verfahren Veränderungen wahrnehmen kann. So konnten die Forscher im Zuge der Messreihen die Ausläufer eines etwa 550 Kilometer entfernten Erdbebens in Norditalien aufgrund der Bewegungen des Towers aufzeichnen. Das Beben mit einer Stärke von 5,7 auf der Richterskala ereignete sich am 9. November 2022 um 7.07 Uhr MEZ nahe der Adriaküste nordwestlich von Ancona. Erdbebenwellen breiten sich mit etwa drei Kilometern pro Sekunde aus, in drei Minuten kommen sie also rund 540 Kilometer weit und um 7.10 Uhr gab es einen entsprechenden Ausschlag beim DC Tower.

„Die Kombination von statischer und dynamischer Überwachung von Infrastruktur in einem Messsystem ermöglicht es, ein tiefes Verständnis für den aktuellen Gesundheitszustand eines Bauwerks zu bekommen“, betont Werner Lienhart, Leiter des Instituts für Ingenieurgeodäsie und Messsysteme der TU Graz. „Gerade bei großen Ingenieurbauten wie Brücken oder Staumauern, die sich dem Ende ihrer geplanten Nutzungsdauer nähern, ist das von großer Bedeutung.“

TU Graz


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