07.08.2018

Kühlen mit Grundwasser

Hohe Effektivität einer der größten Aquifer-gebundenen Geothermieanlagen Europas.

Kühle Wohnungen und Büros sind während der aktuellen Wärme­phase sehr gefragt. Aber Klima­anlagen kosten eine Menge Energie und sind damit alles andere als umwelt­freundlich. Energie­sparende Alter­nativen analysieren Forscher des Projekts GeoSpeicher.bw, das vom Karlsruher Institut für Tech­nologie KIT koordiniert wird. Die Wissen­schaftler untersuchen zum Beispiel das Speichern und spätere Wieder­abrufen von Wärme und Kälte in unter­irdischen wasser­führenden Schichten, den Aquiferen.

Abb.: Der Aquiferspeicher am Bonner Bogen übernimmt bis zu achtzig Prozent der Wärme- und Kälteversorgung von drei Gebäuden mit einer Gesamtfläche von 60.000 Quadratmetern (Bild: P. Fleuchaus, KIT)

In einem neuen Projekt evaluieren sie die Effek­tivität einer der größten Aquifer-gebun­denen Geothermie­anlagen in Europa und der einzigen dieser Art in Deutschland. Seit 2009 versorgt ein unterirdischer Aquifer­speicher das Hotel Kameha Grand und zwei Bürokomplexe am „Bonner Bogen“, einem neu entwickelten, gewerblich genutzten Areal am Rheinufer, umwelt­schonend mit Kälte im Sommer und Wärme im Winter. „Die Anlage übernimmt bis zu achtzig Prozent der Wärme- und Kälte­versorgung der Gebäude mit einer Gesamt­fläche von rund 60.000 Quadrat­metern“, berichtet Steffen Große von der verant­wortlichen Betreiber­gesellschaft EcoVisio GmbH. Gegenüber einer konven­tionellen Energie­versorgung spart diese Geothermie­anlage jährlich rund 1.700 Megawatt­stunden Energie sowie 400 Tonnen CO2 ein.

„Die Anlage am Bonner Bogen ist für uns ein Glücksfall“, sagt Philipp Blum vom Institut für Angewandte Geowissen­schaften des KIT. „Wir können hier auf einen Datenschatz von fast zehn Jahren zugreifen und zahlreiche Aspekte von der Energie­effizienz bis hin zur Gebäude­technik betrachten.“ Steffen Große und seine Kollegen erhoffen sich von der wissen­schaftlichen Analyse eine Optimierung des Systems. „Wir stellen fest, dass wir aufgrund des sich ändernden Klimas teilweise schon im März Räumlich­keiten kühlen statt heizen müssen“, berichtet er. „Da passt es gut, dass im Projekt GeoSpeicher.bw sowohl Geologen als auch Experten für Energie- und Gebäude­technik zusammen mit uns erar­beiten, wie wir die Anlage auch in Zukunft – unter geänderten Randbe­dingungen – best­möglich fahren können.“

Konven­tionelle Erdwärme­pumpen erfreuen sich in Deutschland zunehmender Beliebt­heit. Rund 350.000 dieser Anlagen sind derzeit vor allem in Neubauten installiert. „Diese Erdwärme­pumpen werden überwiegend zum Heizen im Winter eingesetzt“, sagt Philipp Blum. „Aquifer­speicher hingegen leisten beides: Kühlen im Sommer und Heizen im Winter“, betont er. Paul Fleuchaus, Doktorand am KIT, fügt an: „Bei Neubauten hat in Deutschland kaum jemand die viel­seitigen Möglich­keiten der Energie­versorgung durch Aquifer­speicher im Blick. In den Nieder­landen ist das anders“, sagt er. „Dort sind schon mehr als 2.800 dieser Anlagen erfolg­reich in Betrieb.“

Aufgrund der großen Kapazität eignen sich Aquifer­speicher nach Einschätzung der Forscher aus wirtschaft­licher Sicht vor allem für große Gebäude, wie Museen, Kranken­häuser, Büros oder Hotels. Auch für zusammen­hängend geplante Wohn­siedlungen kommen Aquifer­speicher in Kombination mit Nahwärme­netzen in Frage. In den Nieder­landen wird die Technik zudem beispielsweise für indus­trielle Komplexe wie Gewächs­häuser oder Rechen­zentren genutzt. Die Berechnungen der Wissen­schaftler zeigen: Eine wirtschaft­liche Amorti­sation wird bei Aquifer­speichern oftmals schon nach zwei bis zehn Jahren erreicht.

Zahlreiche Regionen in Deutschland und Europa, aber auch weltweit eignen sich aufgrund der geolo­gischen Boden­verhältnisse für eine Aquifer-basierte Geothermie, betonen die Wissenschaftler des Projekts GeoSpeicher.bw. Die Experten untersuchen zudem die Möglichkeiten der Wärme- und Kälte­speicherung mit Hilfe von Tunnel­systemen wie dem Rosenstein­tunnel in Stuttgart. „Wir gehen davon aus, dass der Energie­bedarf für Klima­anlagen bis zum Jahr 2100 um das 33-fache ansteigt“, rechnet Paul Fleuchaus vor. „Der aktuelle Zusammen­bruch des Elektrizitäts­netzes in Teilen von Kali­fornien zeigt, dass das weder mit den bestehenden Netzen noch mit den herkömm­lichen Energie­trägern zu stemmen ist“, sagt er.

Um Alter­nativen aufzuzeigen, werden die rein technischen Analysen im Projekt GeoSpeicher.bw von Studien zur öffent­lichen Akzeptanz und der aktuellen Gesetzesl­age begleitet. „Am Beispiel der Nieder­lande haben wir festgestellt, dass eine enge Zusammen­arbeit zwischen Behörden, Wissen­schaftlern, der Öffent­lichkeit sowie Anbietern zukunfts­weisender Energie­technik enorm zielführend ist“, so Fleuchaus.

KIT / JOL

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