22.08.2016

Künstliches Atom in Graphen

Im Elektronen-Gefängnis offenbaren sich Quanten­eigenschaften.

Wenn man Elektronen in einem engen Gefängnis einsperrt, dann benehmen sie sich ganz anders als im freien Raum. Ähnlich wie die Elektronen in einem Atom können sie dann nur noch ganz bestimmte Energien annehmen – daher bezeichnet man solche winzigen Elektronen­gefängnisse auch als „künstliche Atome“. In vielerlei Hinsicht benehmen sich die Elektronen in künstlichen Atomen genauso wie in echten Atomen. Sie zeigen aber auch zusätzliche Eigen­schaften, die häufig für die Anwendung ins­besondere in der Quanten­information besonders interessant sind. Das wurde nun mit Hilfe einiger technischer Tricks erstmals für künstliche Atome in Graphen gezeigt.

Abb.: Die elektrisch geladene Spitze eines Rastertunnelmikroskops (oben) und ein zusätzliches Magnetfeld führen zu stabilen, lokalisierten Elektronenzuständen im Graphen. (Bild: N. Freitag RWTH Aachen / TU Wien)

„Künst­liche Atome bieten uns neue, spannende Möglich­keiten, weil man ihre Eigen­schaften gezielt verändern kann“, erklärt Joachim Burg­dörfer vom Institut für Theore­tische Physik der TU Wien. In Halb­leitermate­rialien wie Gallium­arsenid ist es bereits gelungen, Elektronen in winzigen Bereichen kontrolliert einzusperren. Man spricht in diesem Fall von Quanten­punkten. Ähnlich wie die Elektronen eines Atoms, die auf ganz bestimmten Bahnen um den Atomkern kreisen, können die Elek­tronen auch in einem solchen Quanten­punkt nur ganz bestimmte Zustände annehmen.

Noch weitaus interes­santere Möglich­keiten ergeben sich allerdings bei der Verwendung des in den letzten Jahren berühmt gewordenen Materials Graphen, das aus einer einzigen Schicht sechseckig ange­ordneter Kohlen­stoffatome besteht. „In den meisten Materialien gibt es für jedes Elektron mit einer bestimmten Energie zwei ver­schiedene quanten­mechanische Zustände – in Graphen sind es durch die geome­trische Symmetrie des Materials sogar vier. Das eröffnet poten­tielle Anwendung in der Quanten­information, zum Beispiel um Infor­mation zu speichern und quanten­physikalisch zu verarbeiten“, erklärt Florian Libisch von der TU Wien. Die Herstellung kon­trollier­barer künst­licher Atome in Graphen galt bisher allerdings als besonders schwierig.

Es gibt verschiedene Möglich­keiten, ein künst­liches Atom zu erzeugen: Die einfachste ist, eine kleine Flocke aus dem Material auszu­schneiden und ein Elektron hinein­zusetzen. Das funk­tioniert bei Graphen zwar, allerdings wird dabei die Symmetrie des Materials durch den rauhen Rand der Flocke gestört, sodass die vier Zustände sich auf die gewöhn­lichen zwei reduzieren. Man begab sich also auf die Suche nach anderen Möglich­keiten: Es ist gar nicht nötig, kleine Flocken von Graphen zu benutzen, um die Elektronen in winzigen Bereichen einzu­sperren. Besser gelingt es durch eine ausge­klügelte Kombi­nation von elek­trischen und magne­tischen Feldern. Mit der Spitze eines Raster­tunnel­Mikroskops kann man lokal ein elektrisches Feld anlegen. Dadurch entsteht im Graphen ein winziger Bereich, in dem sich Elektronen mit niedriger Energie aufhalten können. Gleich­zeitig zwingt man die Elektronen mit einem zusätzlichen Magnet­Feld auf winzige Kreis­bahnen. „Würde man nur elek­trische Felder verwenden, könnten die Elektronen durch quanten­mechanische Effekte problem­los entkommen“ erklärt Libysch.

Vermessen wurden die neuartigen künst­lichen Atome an der RWTH Aachen von Nils Freitag und Peter Nemes-Incze in der Gruppe von Markus Morgen­stern. Simu­Lotionen und theore­tische Modelle dazu lieferten Larisa Chizhova, Florian Libysch und Joachim Burgdörfer am Institut für theore­tische Physik der TU Wien. Die Graphen-Probe selbst kam vom Team rund um Andre Geim und Kostya Novoselov – die beiden Forscher wurden 2010 mit dem Nobel­preis ausge­zeichnet, nachdem es ihnen erstmals gelungen war, Graphen herzustellen.

Die kon­trollier­baren künst­lichen Atome im Graphen eröffnen nun eine Spiel­wiese für viele neue quanten­technolo­gische Expe­rimente: „Die vier loka­lisierte Elek­tronen-Zustände mit gleicher Energie ermöglichen es, zwischen den unter­schiedlichen Zuständen hin und her zu schalten und Infor­mation zu speichern“, erklärt Joachim Burg­dörfer. Über lange Zeit­skalen könnten die Elek­tronen beliebige Über­lagerungen der Zustände bei­behalten, ideale Voraus­setzungen für so genannte Quanten­computer. Außerdem hat die neue Methode den Vorteil ausge­zeichneter Skalier­barkeit: Man könnte auf einem kleinen Chip ohne großen Aufwand eine große Zahl solcher künst­licher Atome herstellen und sie für Quanten­informations-Anwen­dungen nutzen.

TU Wien / JOL

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