22.01.2014

Kugelblitz geerdet

Spektralaufnahmen des mysteriösen Phänomens sprechen für eine sehr „irdische“ Theorie.

Über Kugelblitze gibt es einige tausend glaubwürdige Augenzeugenberichte, doch eine umfassende theoretische Erklärung für dieses gar nicht so seltene Naturschauspiel hat man bisher nicht gefunden. Vor allem mangelte es bisher an wissenschaftlichen Beobachtungen und Messungen dieser Blitze. Doch im Juli 2012 konnten chinesische Forscher erstmals die Entstehung und Entwicklung eines Kugelblitzes filmen und sein Lichtspektrum aufzeichnen.

Abb.: Beim Blitzeinschlag (0 ms) bildet sich am Ende des Blitzkanals eine leuchtende Kugel, die ihre Farbe verändert und zugleich dunkler wird. (Bild: J. Cen et al. / APS)

Kugelblitze werden meist nach Blitzeinschlägen beobachtet. Sie können so klein wie ein Golfball oder so groß wie ein Basketball sein. Dabei leuchten sie rot, orange oder gelb, etwa mit der Helligkeit einer 60-Watt-Glühbirne. Sie bewegen sich mit einigen Metern pro Sekunde schwebend in der Luft. Manchmal durchqueren sie Glasscheiben oder dünne Metallbleche, ohne Spuren zu hinterlassen. Nach ein bis zehn Sekunden ist der Spuk vorbei und der Kugelblitz verschwindet lautlos oder mit einem leisen Geräusch.

Es gibt zwei Arten von Kugelblitz-Theorien, je nachdem ob man äußere oder innere Energiequellen für diese Erscheinung annimmt. Kapitzas Theorie der gebündelten atmosphärischen Hochfrequenzfelder oder Umans Erklärung durch lokal fokussierte Ströme in normalen Blitzen beruhen auf äußerer Energiezufuhr. Das gilt auch für die spekulativen Erklärungen mit Hilfe von gebündelten kosmischen Strahlen oder Meteoriten aus Antimaterie. Noch phantastischer ist die Vermutung, dass winzige Schwarze Löcher den Kugelblitzen als innere Energiequelle dienen. Realistischer ist da die Annahme, dass Kugelblitze Plasmakugeln sind oder von selbststabilisierenden Kreisströmen stammen.

Doch diese unterschiedlichen Erklärungen lassen sich nicht mit allen Beobachtungen in Einklang bringen oder sie machen unrealistische Annahmen. Eine Theorie, die zumindest einen großen Teil der beobachteten Kugelblitze plausibel erklären kann, hatten Abrahamson und Dinniss vor 14 Jahren gegeben. Sie nahmen an, dass beim Blitzeinschlag in den Erdboden Silizium-Nanoteilchen entstehen, die ein feines kugelförmiges Gespinst bilden, das durch Oxidation leuchtet. Verschiedene Experimente, bei denen durch Funkeneinschlag in siliziumhaltiges Material künstliche Kugelblitze entstanden, sprechen für diese Erklärung.

Abb.: Während das Spektrum des Blitzkanals (a) nur die Linien von zweifach ionisiertem Stickstoff aufweist, zeigt das Spektrum des Kugelblitzes (b) vor allem Linien von Silizium, Eisen und Kalzium. (Bild: J. Cen et al. / APS)

Jetzt haben Ping Yuan und seine Kollegen von der Northwest Normal University in Lanzhou, China, Spektren eines Kugelblitzes veröffentlicht, die u. a. Spektrallinien von Silizium zeigen, was für die Theorie von Abrahamson und Dinniss spricht. Die chinesischen Forscher hatten den Kugelblitz zufällig mit einer Videokamera und einer Hochgeschwindigkeitskamera aufgezeichnet, als sie nach „normalen“ Blitzeinschlägen Ausschau hielten. Beide Kameras waren Bestandteil zweier Spektrographen, die Spektren mit einer Wellenlängenauflösung von 1,1 nm bzw. 1,8 nm aufnehmen konnten.

Auf den so gewonnen Aufnahmen ist zunächst ein Blitzkanal zu erkennen, an dessen Einschlagstelle sich eine leuchtende Kugel bildete. Während der Blitz sogleich verschwand, kühlte sich die Kugel langsam ab und änderte ihre Farbe von lila über orange und weiß nach rot, bis sie schließlich nach etwa 1,6 s verlosch. Aus der Abbildungsgröße des etwa 900 m entfernten Kugelblitzes schließen die Forscher, dass die Kugel einen Durchmesser von etwa einem Meter hatte. Sie bewegte sich mit einer Geschwindigkeit von knapp 9 m/s quer zur Sichtlinie. Die Aufnahmen zeigten zudem, dass die Lichtintensität des Kugelblitzes mit einer Frequenz von ca. 100 Hz oszillierte. Die Forscher führen das auf den Einfluss einer nur zwanzig Meter entfernten Hochspannungsleitung mit einer Netzfrequenz von 50 Hz zurück.

Wie die mit der Hochgeschwindigkeitskamera aufgezeichneten Spektren zeigten, war im 30.000 K heißen Blitzkanal zweifach ionisierter Stickstoff vorhanden, der hier für die meisten Spektrallinien verantwortlich war. Im Kugelblitz hingegen dominierten von Anfang bis zum Ende die Linien von einfach ionisierten Atomen der Elemente Silizium, Eisen und Kalzium, die der Blitz aus dem Boden herausgeschlagen hatte. Das ebenfalls im Boden vorhandene Aluminium war nicht im Spektrum des Kugelblitzes vertreten, da seine Linien außerhalb des aufgezeichneten Spektralbereiches lagen. Die genaue Temperatur des Kugelblitzes ließ sich leider nicht ermitteln.

Der beobachtete Kugelblitz war demnach eine heiße, leuchtende Wolke, die Silizium und andere Atome aus dem Erdreich enthielt. Dies stünde im Einklang mit der „irdischen“ Theorie von Abrahamson und Dinniss, die dem Silizium aus dem Erdboden die entscheidende Rolle beim Auftreten des Kugelblitzes zuweist. Ping Yuan und seine Kollegen wollen die in der Natur vorgefundenen Bedingungen im Labor nachbilden und künstliche Kugelblitze erzeugen. Sie betonen allerdings, dass es durchaus mehrere Arten von Kugelblitzen geben könnte, die sich nicht alle mit derselben Theorie erklären lassen.

Rainer Scharf

AH

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