04.12.2008

Ladungs-Doping für schaltbare Supraleiter

Erstmals schaltet ein europäisches Physiker-Team Supraleiter auf der Nanoskala an und aus und legt so die Basis für völlig neue, leistungsfähige Transistoren



Erstmals schaltet ein europäisches Physiker-Team Supraleiter auf der Nanoskala an und aus und legt so die Basis für völlig neue, leistungsfähige Transistoren


Augsburg/Genf (Schweiz) – Zahlreiche Metalle und Metalloxide springen unterhalb einer bestimmten Temperatur in den supraleitenden Zustand. Nun konnte der Wechsel zwischen Isolator und Supraleiter erstmals auch mit einem äußeren, elektrischen Feld kontrolliert werden. Physiker aus der Schweiz, Frankreich und Deutschland entdeckten dieses Phänomen in einer Grenzschicht zwischen zwei Metalloxiden, Lanthanaluminiumoxid und Strontiumtitanat. Wie sie in der Zeitschrift "Nature" berichten, eröffnet dieses Ergebnis einen Weg für die Entwicklung von neuen supraleitenden Schaltkreisen.

"Diese Oxide zeigen einen Weg zu neuartigen elektronischen Bauelementen,
die mit reinen Halbleitermaterialien nicht möglich sind", sagt German Hammerl, Physiker an der Universität Augsburg und Koautor der Studie. Um diese Möglichkeiten von supraleitenden Modulen bis zu datenspeichernden Schaltkreisen in Zukunft ausschöpfen zu können, muss das Verhalten von Metalloxiden auf atomarer Ebene verstanden werden und sich kontrollieren lassen. Dazu ließ Hammerl zusammen mit Kollegen der Universitäten in Genf, Zürich und Paris die hauchdünnen Metalloxidschichten über eine Depositions-Verfahren mit gepulsten Lasern auf einem Trägermaterial wachsen.

Dieses Sandwich aus Lanthanaluminiumoxid und Strontiumtitanat kühlten die Wissenschaftler auf Temperaturen von etwa 400 Millikelvin ab. Zwischen der letzten Titandioxid-Schicht der Strontiumtitanat-Struktur und der ersten Lanthanoxid-Schicht der Lanthanaluminiumoxid-Struktur bildete sich dabei ein zweidimensionales Elektronengas mit supraleitenden Eigenschaften aus. Die Dichte der Ladungsträger in dieser Grenzschicht konnte darauf mit äußeren elektrischen Feldern beeinflusst werden. Mit relativ hohen Feldspannungen zwischen -140 und 320 Volt pumpten sie Ladungsträger in diese Grenzschicht herein oder umgekehrt aus ihr heraus. Das Ergebnis dieses Elektronen-Dopings: Je nach Ausrichtung und Stärke des elektrischen Feldes baute sich die Supraleitung auf oder brach zusammen. Nur über eine Spannung kann dieses System zwischen Isolator und Supraleiter hin und her geschaltet werden.

Da diese Experimente nur nahe dem absoluten Temperaturnullpunkt funktionierten und zudem hohe Schaltspannungen nötig waren, ist erstmal nicht an technische Anwendungen zu denken. Dennoch zeigt dieses Ergebnis der Grundlagenforschung, dass sich physikalische Eigenschaften in Metalloxiden durch elektrische Felder von außen gezielt steuern lassen. Damit nehmen Hammerl und Kollegen eine wesentliche Hürde für die Nutzung von Metalloxiden in zukünftigen Computerschaltkreisen. "Die Kontrolle mit elektrischen Feldern bildet die grundlegenden logischen Zustände für zukünftige Technologien in der Informationsverarbeitung", bewerten Darrell G. Schlom von der Cornell University und Charles H. Ahn von der Yale University die Bedeutung dieser Experimente.

Metalloxide bieten im Vergleich zu Halbleitern wie Silizium eine größere Vielfalt an Eigenschaften – neben isolierenden und supraleitenden auch ferromagnetische und ferroelektrische. Daher werden auch die Entwickler der Chiphersteller weltweit diese Versuche mit großem Interesse verfolgen. Denn schon bald wird das Potenzial des Halbleiters Silizium für immer schnellere Prozessoren ausgeschöpft sein. In vielen Laboren wird daher nach geeigneten Materialien für die Chipproduktion in der Post-Silizium-Ära gefahndet. Metalloxide und deren hauchdünnen Grenzschichten gelten als aussichtsreiche Kandidaten und wurden auch schon in der offiziellen ITRS-Roadmap der Chipentwickler in der Rubrik "Aufkommende Technologien" aufgenommen. So sind in Zukunft Hybrid-Prozessoren aus Silizium und Metalloxiden vorstellbar, als auch Schaltkreise die ausschließlich aus Metalloxiden aufgebaut sind.

Jan Oliver Löfken


Weitere Infos:



Weiterführende Literatur:

  • Ohtomo, A. & Hwang, H. Y., Nature 427, 423–426 (2004)
  • Reyren, N. et al., Science 317, 1196–1199 (2007).
  • Ahn, C. H., Triscone, J.-M. & Mannhart, J.,  Nature 424, 1015–1018 (2003).

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