Landau-Zustände im freien Raum
„Korkenzieher-Elektronen", die sonst nur in Festkörpern vorkommen, in einem Elektronenstrahl erzeugt.
Was macht ein Elektron, wenn es in ein Magnetfeld gerät? Es ändert seine Richtung und kann dadurch beispielsweise in eine Kreis- oder Spiralbahn gezwungen werden. In der Quantenphysik spielt das eine große Rolle: Nur ganz bestimmte Kreisradien sind erlaubt, alle anderen Kreisbewegungen sind physikalisch unmöglich. Diese erlaubten Elektronenzustände bezeichnet man als „Landau-Zustände“. Einem Team der TU Wien gelang es nun mit Unterstützung einer Forschungsgruppe aus Japan, solche Landau-Zustände mit Hilfe eines Elektronenmikroskops im freien Raum herzustellen.
Abb.: Eine speziell geformte Maske wandelt eine Elektronenwelle in Strahlen mit Drehimpuls um. (Bild: TU Wien)
Die Landau-Zustände wurden zwar schon in der Frühzeit der Quantentheorie Anfang der 1930erjahre mathematisch beschrieben, doch direkt beobachten konnte man sie bis heute nicht. Auf Landau-Zuständen beruht unter anderem der Quanten-Hall-Effekt, der für Hochpräzisions-Messungen eingesetzt wird und für dessen Entdeckung 1985 der Nobelpreis vergeben wurde. „Normalerweise tritt die Landau-Quantisierung in Festkörpern auf, bei Elektronen, deren Bewegung man auf zwei Dimensionen beschränken kann“, sagt Peter Schattschneider vom Zentrum für Transmissions-Elektronenmikroskopie (USTEM) und Institut für Festkörperphysik der TU Wien.
Nun gelang es allerdings, die Landau-Zustände nicht bloß in einem Festkörper, sondern direkt im freien Raum herzustellen und sie dadurch sichtbar zu machen. Indem man einen Elektronenstrahl auf eine speziell gefertigte Gittermaske schießt, spaltet man ihn in mehrere Elektronenstrahlen auf, die dann eine Eigenrotation aufweisen können. „Man muss sich das vorstellen wie einen Wirbelsturm, bei dem sich die Teilchen der Luft auch korkenzieherartig um die zentrale Achse bewegen“, erklärt Stefan Löffler vom USTEM an der TU Wien. „Wenn man nun den Durchmesser dieses Elektronenstrahls verändert, sodass er genau zu den quantenmechanisch erlaubten Radien der Landau-Zustände passt, dann hat man einen Landau-Zustand im freien Raum erzeugt.“
Abb.: Unterschiedliche Strahlen mit unterschiedlichen Drehungen. (Bild: TU Wien)
Doch ein passender Wirbelsturmstrahl alleine ermöglicht noch keine Beobachtung der Landau-Zustände. Bildet man ihn auf einer Ebene ab, bekommt man bloß einen Kreis zu sehen. „Ein Kreis, der sich dreht, ist in jeder Phase seiner Bewegung bloß ein Kreis. Auf diese Weise kann man die Rotationsdynamik nicht analysieren“, sagt Michael Stöger-Pollach. Allerdings gelang es dem Forschungsteam, mit einer extrem scharfen Klinge aus Silizium den Strahl entzweizuschneiden. Die eine Hälfte des Strahls wird entfernt, die andere Hälfte behält ihr Rotationsverhalten aber bei.
„Wir bekommen so einen rotierenden Halbkreis, den wir zu unterschiedlichen Zeitpunkten abbilden können. Dadurch lässt sich das Verhalten der Landau-Zustände nun nicht mehr bloß mathematisch beschreiben, sondern tatsächlich im Experiment beobachten“, sagt Thomas Schachinger, der die Messungen am TEM gemacht hat. So gelang es, die Drehfrequenzen der Zustände sehr genau zu messen.
Die Technik, Elektronenstrahlen mit Hilfe von speziellen Masken einen Drehimpuls zu verpassen, entwickelte Peter Schattschneider zusammen mit Jo Verbeeck von der Universität Antwerpen erst vor wenigen Jahren. Damit steht ein mächtiges neues Instrument zur Untersuchung von Materialien auf mikroskopischer Skala zur Verfügung. „Wir hoffen, dass unsere Erkenntnisse das komplexe Zusammenspiel von Elektronen und Magnetfeldern weiter aufklären helfen und zu neuen technologischen Möglichkeiten und einem tieferen Verständnis von Festkörpereigenschaften führen“, sagt Schattschneider.
TU Wien / PH