14.11.2025 • Atmosphärenphysik

Langlebige Kondensstreifen bilden sich meist in Eiswolken

Forschungsteam identifiziert häufige Umgebungsbedingungen bei ihrer Entstehung und liefert erste Anhaltspunkte für den Einfluss auf das Klima.

Langlebige Kondensstreifen entstehen überwiegend nicht im wolkenfreien Himmel, sondern innerhalb bereits bestehender Eiswolken. Zu diesem Ergebnis kommt ein Wissenschaftlerteam des Forschungszentrums Jülich, der Universität zu Köln, der Bergischen Universität Wuppertal und der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Anhand von umfangreichen Beobachtungsdaten konnten die Forschenden erstmals systematisch ermitteln, unter welchen atmosphärischen Bedingungen sich langlebige Kondensstreifen bilden – ob im wolkenfreien Himmel, in sehr dünnen und kaum sichtbaren oder aber in deutlicher sichtbaren Eiswolken, den Zirren. Das Ergebnis: Mehr als achtzig Prozent aller langlebigen Kondensstreifen bilden sich innerhalb bereits bestehender Wolken, mehrheitlich in natürlichen Zirren. Noch sind die Auswirkungen dessen auf das Klima nicht eindeutig geklärt. Die Studie liefert wichtige Anhaltspunkte für weitere Forschung dazu – und darüber hinaus deutliche Argumente, für eine klimaangepasste Planung von Flugrouten die Bewölkung zu berücksichtigen.

Kondensstreifen über Jülich, eingebettet in sehr dünne und daher kaum sichtbare Zirren.
Kondensstreifen, eingebettet in sehr dünne und daher kaum sichtbare Zirren.
Quelle: Andreas Petzold, Forschungszentrum Jülich / U Wuppertal

Kondensstreifen sind ein sichtbares Zeichen für den täglich statt­findenden Luft­verkehr am Himmel. Sie entstehen, wenn sich das heiße Abgas der Flug­zeug­triebwerke mit der kalten Luft in etwa zehn Kilometer Höhe vermischt. In trockener Luft lösen sich die meisten Kondens­streifen schnell wieder auf. In kalter, feuchter Luft können sie jedoch mehrere Stunden existieren und sich zu ausge­dehnten Eis­wolken oder Zirren entwickeln. Zirren sind dünne Eis­wolken in etwa acht bis zwölf Kilometern Höhe, die oft als zarte, faserige Schleier am Himmel erscheinen. Die Klima­wirkung dieser aus Kondens­streifen entstan­denen Zirren ist in der Summe größer als die der direkten CO2-Emission des Luft­verkehrs.

Entscheidend für die Auswirkung auf das Klima ist, ob sich die menschen­gemachten Wolken in blauem, also wolken­freien Himmel oder inner­halb bereits exis­tie­render natürlicher Zirren bilden. Hohe Eiswolken, ob natürlich oder menschen­gemacht, existieren bei kalten Tempera­turen unterhalb von -40 °C. Obwohl sie häufig optisch sehr dünn erscheinen, können sie wie ein Mantel wirken, der verhindert, dass Wärme aus der Atmosphäre ins Weltall entweicht. So tragen sie zum Treibhaus­effekt bei. Nur wenn die Wolken sehr dicht sind und die Sonne kaum noch zu sehen ist, ist die ins Weltall zurück gestreute Sonnen­strahlung so hoch, dass eine kühlende Wirkung auf das Klima entstehen kann.

Entsprechend wirken die aus Kondens­streifen entste­henden künstlichen Wolken je nach Umgebung unter­schiedlich auf das Klima: Unter klaren Bedingungen – etwa bei blauem Himmel oder in sehr dünnen Zirren – tragen sie eher zur Erwärmung bei, da sie einen Teil der von der Erde abgestrahlten Wärme zurückhalten, die sonst ins Weltall entweichen würde, während sie das Sonnen­licht weitgehend durchlassen. In dichten, deutlich sichtbaren Zirren hingegen kann der gegen­teilige Effekt auftreten: Die Kondens­streifen reflek­tieren mehr Sonnen­licht, als sie Wärme­strahlung aufnehmen, was zu einer leichten Abkühlung führt. Wie genau sich Kondens­streifen und natürliche Zirren gegen­seitig beein­flussen, ist bislang jedoch kaum verstanden.

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„Unsere Ergebnisse zeigen, dass wir die Klima­wirkung von Kondens­streifen künftig differen­zierter betrachten müssen“, sagt Andreas Petzold vom Insti­tute of Climate and Energy Systems – Tropo­sphäre (ICE-3) am Forschungs­zentrum Jülich. „Wenn die meisten langlebigen Kondens­streifen ohnehin in natür­lichen Wolken auftreten, könnte es sinn­voller sein, klima­relevante Flug­routen nicht nur nach wolken­freiem Himmel, sondern auch nach beste­henden Eiswolken­strukturen zu planen.“

Für die Studie nutzte das Forscher­team Messdaten für Tempe­ratur und Wasser­dampf, die zwischen 2014 und 2021 von Verkehrs­flug­zeugen über dem Nord­atlantik gesammelt wurden. Diese Flugzeuge sind Teil der vom Forschungs­zentrum Jülich mitkoordi­nierten Europäischen Forschungs­infra­struktur IAGOS (In-service Aircraft for a Global Obser­ving System). IAGOS-Flugzeuge sind mit Mess­geräten ausgestattet, die während des Linienbetriebs kontinuierlich Atmosphärendaten erfassen – weltweit einzigartig.

Die Datenauswertung wurde durch Modell­berechnungen zur Strahlungs­wirksamkeit ergänzt. „Unsere Analyse zeigt, dass Kondens­streifen in dicken Zirren tatsächlich kaum einen Effekt haben“, sagt Peter Spich­tinger von der Johannes Gutenberg-Univer­sität, der diesen Aspekt zur Studie beige­steuert hat. „Allerdings sind weitere Effekte in komplexeren Szenarien, beispiels­weise bei mehreren über­einander­liegenden Schichten von Kondens­streifen und Zirren, schwierig abzuschätzen und werden zukünftig genauer untersucht.“

Die Ergebnisse der Studie fließen in laufende inter­nationale Aktivi­täten der Welt­wetterorgani­sation (WMO), der Inter­nationalen Zivil­luftfahrt­organi­sation (ICAO), der Europä­ischen Agentur für Flug­sicherheit (EASA) sowie der Luft­fahrt­industrie ein. Ziel ist eine tragfähige Flug­planungs­strategie, um klimawirksame Kondens­streifen künftig zu reduzieren, indem Flug­routen entspre­chend klima­schonend geplant werden. Auch in Zukunft werden IAGOS-Flug­zeuge eine zentrale Rolle bei der Bewertung solcher Strate­gien spielen. [JGU / FZJ / dre]

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