24.05.2018

Langlebige Plasmonen in tiefgekühltem Graphen

Experiment lotet Möglichkeiten der Plasmonik aus.

Indem man Lichtwellen in elektronische Plasma­wellen umwandelt, kann man sie in Nano­struk­turen ein­passen und verar­beiten. Wie man diese Plasmonen mög­lichst lang­lebig macht und wovon ihre Lebens­dauer abhängt, haben Forscher der Columbia Univer­sity unter­sucht. Dimitri Basov und seine Mitar­beiter haben mit einem Infra­rot­laser von elf Mikro­metern Wellen­länge in einer tief­ge­kühlten Graphen­schicht elektro­nische Plasma­wellen ange­regt. Anschlie­ßend wiesen sie optisch nach, wie weit sich diese Wellen aus­brei­teten und wie schnell sie ab­klangen – in Abhängig­keit von der Tempe­ratur und von der Dichte der Leitungs­elek­tronen in der Graphen­schicht. Dabei erlebten sie einige Über­raschungen.

Abb.: In einer Graphenschicht werden mit IR-Laserlicht über Goldnanoinseln und eine metallische Mikroskopspitze Plasmonen angeregt. Das entstehende Interferenzmuster der Plasma­schwin­gungen wird dann mit der Spitze sicht­bar gemacht. (G. X. Ni et al. / NPG)

Die Graphenschicht war zwischen zwei Lagen aus hexagonalem Bor­nitrid ein­ge­schlossen, die durch Van-der-Waals-Kräfte am Graphen hafteten und es gegen störende Umwelt­ein­flüsse schützten. Diese Van-der-Waals-Hetero­struktur lag auf einer Unter­lage aus Silizium­oxid, unter der sich eine Elek­trode befand, mit der man durch eine ange­legte Gate-Spannung die Dichte der Leitungs­elek­tronen im Graphen ver­ändern konnte.

Auf der frei zugänglichen Oberseite der Heterostruktur waren einige mikro­meter­große Gold­inseln auf­ge­bracht worden. Außer­dem konnte die Ober­seite mit der metal­lischen Spitze eines Raster­kraft­mikro­skops abge­tastet werden. Traf der fokus­sierte Strahl des Infra­rot­lasers die Hetero­struktur, so wirkten die Gold­inseln und die Mikro­skop­spitze wie Antennen, die die Leitungs­elek­tronen im Graphen zu Schwin­gungen an­regten, welche sich anschlie­ßend in der Graphen­schicht aus­breiteten.

Diese Plasmaschwingungen oder Plasmonen hatten zwar die Frequenz des an­regenden Lichts, doch sie breiteten sich nur etwa mit einem Hundert­stel der Licht­geschwin­dig­keit aus, sodass ihre Wellen­länge eben­falls hundert­mal kleiner war als die Licht­wellen­länge. Dadurch wird es möglich, Licht­wellen in plasmo­nischer Form gewisser­maßen in Nano­struk­turen hinein zu quetschen und dort elektro­nisch zu verar­beiten.

Allerdings ist die Lebensdauer der Plasmonen normaler­weise auf einige Femto­sekunden begrenzt. Außer­dem gilt: Je stärker die Energie des Lichts in den Plasmonen kompri­miert ist, umso schneller geht sie ver­loren und die Plasma­schwin­gungen klingen ab. Dafür sind vor allem die Energie­ver­luste ver­ant­wort­lich, die die schwin­genden Elek­tronen bei Zusammen­stößen mit Kristall­gitter­schwin­gungen oder Phononen erleiden. Aber auch durch Zusammen­stöße unter­ein­ander ver­lieren die Elek­tronen Schwin­gungs­energie.

Abb.: Die von einer Goldnanoinsel aus­gehenden Plasmonen kommen umso weiter in der ge­kühlten Graphen­schicht voran je tiefer deren Tempe­ratur und je größer die Gate-Spannung ist. (Bild: G. X. Ni et al. / NPG)

Wie sich die Plasmonen in der Graphenschicht ausbreiteten, konnten die Forscher eben­falls mit Hilfe der Spitze des Raster­kraft­mikro­skops unter­suchen. Dazu nutzten sie aus, dass die Spitze die unter ihr befind­lichen Plasma­schwin­gungen in Licht um­wandeln konnte, dessen Inten­sität mit einem Photo­detektor gemessen wurde. Wie sich zeigte, bildeten die ange­regten Plasmonen ein Muster aus stehenden Wellen. Dies kam durch Inter­ferenz der Plasma­wellen zustande, die von den Gold­inseln und der Spitze aus­gingen oder vom Rand der Graphen­schicht reflek­tiert wurden.

An diesen Interferenzmustern konnten die Forscher ablesen, wie weit die Plasma­wellen voran­kamen bevor sie ab­klangen und ver­schwanden. Während die Wellen bei Zimmer­tempe­ratur nur ein Mikro­meter weit kamen, konnten sie bei tiefen Tempe­ra­turen von sechzig Kelvin bis zu zehn Mikro­meter zurück­legen, was fünfzig plasmo­nischen Wellen­längen ent­sprach. Ihre Lebens­dauer im Graphen betrug dann 1600 Femto­sekunden. Dies ist ein Rekord für alle Materi­alien, die bisher für die IR-Plasmonik benutzt wurden.

Wie detaillierte Messungen zeigten, nahm die Güte Q der Plasma­schwin­gungen – also das Ver­hältnis von Abkling­zeit und Perioden­dauer – stetig zu, wenn die Tempe­ratur der Graphen­schicht ver­ringert wurde. Bei sechzig Kelvin erreichte Q den Rekord­wert 130. Über den unter­suchten Tempe­ratur­bereich erwies sich die Güte propor­tional zur mitt­leren freien Weg­länge der Elek­tronen.

Während bei Zimmertemperatur die Streuung der Elektronen an den Phononen im Graphen die Lebens­dauer der Plasmonen bestimmte, domi­nierten bei tiefen Tempe­ra­turen die Energie­ver­luste, die in der dielek­trischen Silizium­di­oxid­unter­lage auf­traten. Diese Ver­luste lassen sich vermut­lich ver­ringern, indem man die dazwischen liegende Bornitrid­schicht dicker macht. Die erzielten Ergeb­nisse stimmen zuver­sicht­lich, dass eine stick­stoff­ge­kühlte Graphen-Plasmonik leistungs­fähige Bau­elemente für die Nano­photonik liefern kann.

Rainer Scharf

RK

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