19.03.2004

Laser, Quasare und Konstanten

Falls sich Naturkonstanten ändern, dann jedenfalls viel langsamer als manche Forscher behauptet hatten.



Falls sich Naturkonstanten ändern, dann jedenfalls viel langsamer als manche Forscher behauptet hatten. Das zeigen jetzt Präzisionsmessungen. Optische Atomuhren sollen die Genauigkeit noch erhöhen.

Wie kommen die Naturkonstanten eigentlich zu ihren krummen Werten? Die Feinstrukturkonstante α = e 2/¿c, die ein Maß für die Stärke der elektromagnetischen Wechselwirkung ist, beträgt z. B. 1/137,03599976. Und für das Verhältnis von der Protonen- und der Elektronenmasse μ = M p=m e findet man 1836,1526726. Eine mögliche Erklärung wäre, dass sich die Naturkonstanten im Laufe der Zeit verändern. Dass die heute gemessenen Werte so krumm sind, hätte dann keine tiefere Bedeutung.

Sollten sich die Natur„konstanten“ tatsächlich ändern, dann aber nur sehr langsam. Präzisionsmessungen mit Atomuhren haben bisher keinen Hinweis ergeben, dass sich die Anregungsfrequenzen der Atome im Laufe von einigen Jahren merklich verändern, wie es bei einer Variation der Feinstrukturkonstanten α der Fall wäre. Doch auch über einen wesentlich größeren Zeitraum kann sich α nur wenig geändert haben, wie man aus dem Isotopengehalt der Oklo-Uranmine in Gabun weiß. Dort hatte sich vor 1,8 Mrd. Jahren eine nukleare Kettenreaktion in Gang gesetzt. Seit dieser Zeit kann die relative Änderung (Δα/α) höchsten 10 -7 betragen.

Um eine Änderung von α über einen noch größeren Zeitraum zu verfolgen, muss man in die Tiefen des Universums schauen. Im Licht der Quasare finden sich charakteristische Absorptionslinien z. B. von Eisen, die dem Quasarlicht vor knapp 10 Mrd. Jahren aufgeprägt wurden. Diese Spektrallinien kann man – nach Abzug der Rotverschiebung – mit den heute im Labor gemessenen Linien vergleichen. John Webb und seine Kollegen hatten dies vor einigen Jahren getan und dabei eine signifikante Abnahme von α gefunden. Demnach ergab sich für einen Zeitraum von 8 Mrd. Jahren: (Δα/α) ≈ -0,6 × 10 -5.

Zwei neue Messungen stellen dieses Resultat allerdings in Frage. Ein Team aus indischen und französischen Astrophysikern hat die Absorptionslinien von Quasaren noch einmal unter die Lupe genommen. Dabei konnten Raghunathan Srianand und seine Kollegen bessere Beobachtungsdaten benutzen, die das 8,2 Meter Teleskop des Paranal-Observatoriums aufgenommen hatte (Abb.). Diese Linien haben sie dann einer besonders gründlichen Analyse unterzogen. Das Resultat ist ernüchternd: Für die relative Änderung (Δα/α) ergibt sich (-0.06 ± 0.06) × 10 -5. Demnach lässt sich eine mögliche Änderung von α während eines Zeitraums von 9,7 Mrd. Jahren mit der derzeit möglichen Messgenauigkeit nicht nachweisen.

Abb.: Das 8,2 Meter Teleskop des Paranal-Observatoriums lieferte sehr exakte Absorptionslinien von Quasaren. Nach eingehender Analyse lässt sich mit den heutigen Möglichkeiten offensichtlich keine Veränderung der Feinstrukturkonstante während eines Zeitraums von 9,7 Mrd. Jahren nachweisen. (Quelle. ESO)

Auch μ, das Verhältnis zwischen der Protonen- und der Elektronenmasse, scheint sich seit der Frühzeit des Universums nicht messbar verändert zu haben. Zu diesem Ergebnis kommen die niederländischen Atomphysiker Wim Ubachs und Elmar Reinhold. Sie haben die von Wasserstoffmolekülen herrührenden Absorptionslinien in der extremen UV-Strahlung der Quasare untersucht. Dabei konnten sie bis zu 12 Mrd. Jahre in die Vergangenheit vordringen. Diese „alten“ Wasserstofflinien haben sie mit 40 Linien verglichen, die sie zuvor mit größtmöglicher Präzision im Labor gemessen hatten. Daraus erhielten sie für die relative Änderung (Δμ/μ) das Ergebnis (-0.5 ± 3,6) × 10 -5. Theoretischen Überlegungen zufolge sollte sich das Massenverhältnis etwa 40-mal schneller ändern als die Feinstrukturkonstante. Demnach stehen die Ergebnisse von Ubachs und Reinhold mit denen von Srianand und Kollegen im Einklang. Eine Änderung der Naturkonstanten ist also bisher nicht in Sicht.

Doch vielleicht gelingt es eines Tages, im Labor zu beobachten, wie sich die Naturkonstanten ändern. Dazu müsste allerdings die Zeitmessung mit Atomuhren noch wesentlich genauer werden. Hier haben jetzt Forscher vom NIST in Boulder, Colorado, ein wegweisendes Ergebnis erzielt. Während die gängigen Cäsiumatomuhren eine Genauigkeit von 10 -15 erreichen (d. h. 0,1 Nanosekunde Abweichung pro Tag), könnten optische Atomuhren, die mit einzelnen Kalzium- oder Quecksilberionen arbeiten, eine Genauigkeit von 10 -18 schaffen. Allerdings „ticken“ optische Atomuhren wesentlich schneller als Cäsiumatomuhren, sodass man ihre Schwingungen nicht mehr unmittelbar elektronisch auszählen kann.

Mit Hilfe von so genannten Frequenzkämmen gelingt es aber, die optischen Schwingungen der Ionen mit Mikrowellenschwingungen in Beziehung zu setzten, die man dann auszählen kann. Dazu liefert ein Laser statt einer Frequenz eine ganze Reihe von Frequenzen, die alle einen einheitlichen Abstand haben – wie die Zinken eines Kamms. Scott Diddams und seine Kollegen haben jetzt die Frequenzkämme von vier verschiedenen Lasern verglichen. Zwei der Laser stammten vom NIST, je einer vom Bureau International des Poids et Mesures in Frankreich und von der East China Normal University in Shanghai. Das Ergebnis war ermutigend: Die relativen Abweichungen der Frequenzkämme voneinander beliefen sich nach einer Einschwingzeit von einigen tausend Sekunden auf 10 -19. Eine vergleichbare Präzision sollte sich mit den neuen optischen Atomuhren erreichen lassen. Mit ihrer Hilfe könnte man dann vielleicht doch noch herausfinden, ob sich die Naturkonstanten ändern oder nicht.

Rainer Scharf

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