07.10.2019

Laserpulse identifizieren topologische Isolatoren

Einsatz topologischer Materialien in optisch gesteuerter Elektronik möglich.

Topo­logische Isolatoren sind exotische Quanten­materialien, die dank einer besonderen elektronischen Struktur entlang ihrer Oberflächen und Kanten elektrischen Strom leiten wie ein Metall. Ihr Inneres hingegen ist ein Isolator und nicht leitfähig. Wissenschaftler des Max-Born-Instituts für Nicht­lineare Optik und Kurzzeit­spektroskopie MBI haben nun erstmals zeigen können, wie man solche topo­logischen Materialien innerhalb einer Femtosekunde von herkömmlichen Materialien unterscheiden kann, indem man sie mit ultra­schnellem Laserpulsen bestrahlt. Das Verfahren könnte neue Möglichkeiten für den Einsatz solcher Materialien als logische Bausteine in der licht­gesteuerten Elektronik eröffnen.

Abb.: Die Drehrichtung des Lichts bildet das topo­logische Phasen­diagramm...
Abb.: Die Drehrichtung des Lichts bildet das topo­logische Phasen­diagramm des Systems ab und zeigt den Unter­schied zu seiner gewöhn­lichen Phase oberhalb der schwarzen Kurve. (Bild: MBI)

Die bekannteste Darstellung des Konzepts der Topologie beruht auf einer elastischen Brezel, die beliebig auseinander­gezogen, verbogen oder verdreht werden kann. Wie man sie auch verformt: Es ist unmöglich, aus einer Brezel einen Bagel zu machen oder Löcher hinzuzufügen, ohne sie zu zerreißen. Die Anzahl von Löchern in einer Brezel ist unverän­derlich und beinhaltet topologische Informationen über die Form der Brezel. In einem Festkörper bestimmen die Gesetze der Quantenphysik, welche Energien Elektronen haben können. Dies führt zur Bildung von elektronischen Bändern, die entweder erlaubte oder verbotene Energien aufweisen. Mit Hilfe des Konzepts der Topologie können Physiker nun komplex geformte Bänder mit erlaubten Energien beschreiben und ihnen eine spezifische topo­logische Zahl zuweisen. Eine besondere Topo­logie der elektronischen Bandstruktur in einem Material­system zeigt sich in entsprechenden exotischen Eigen­schaften – wie etwa in der Oberflächen­leitfähigkeit topologischer Isolatoren.

„Der außergewöhnlichste Aspekt der Topologie ist ihre Robustheit: Durch Topologie hervorgerufene Eigenschaften werden von ihr geschützt“, sagt Álvaro Jiménez-Galán. So wie man die Anzahl der Löcher in einer Brezel nicht verändern kann, ohne sie zu zerreißen, beeinträchtigen Verunreinigungen und andere Defekte – die sonst die Stromleitfähigkeit eines Materials beeinträchtigen – nicht die hohe Elektronenmobilität auf der Oberfläche topologischer Isolatoren. Diese Unempfindlichkeit gegenüber Verunreinigungen ist der Grund, warum die Elektronikindustrie sich seit einiger Zeit stark für topologische Materialien interessiert.

Obwohl die Topologie eines Systems eng mit dem Verhalten der in ihm enthaltenen Elektronen verknüpft ist, ließ sich der Einfluss topo­logischer Eigenschaften auf die Dynamik der Elektronen auf der Zeitskala von etwa einer Femto­sekunde bislang nicht nachweisen. Anhand numerischer Simulationen und theo­retischer Analysen hat das Forscherteam nun zeigen können, auf welche Weise die Informationen über die Topologie eines solchen Systems in seiner ultra­schnellen Elektronen­dynamik kodiert sind. Diese Informationen lassen sich ermitteln, indem man die Elektronen zunächst mit Laserstrahlung anregt und dann das von ihnen emittierte Licht analysiert.

„Wenn wir uns die Elektronen in einem Festkörper, die sich entlang bestimmter Energie­bänder bewegen, wie Läufer auf einer Rennstrecke vorstellen, dann ermöglicht es unsere Methode, die Topologie dieser Rennstrecke zu ermitteln, einfach indem wir die Beschleunigung der Läufer messen", sagt Olga Smirnova, Leiterin einer Theorie­gruppe am MBI. Die ultrakurzen Laserpulse regen die Elektronen in dem System so an, dass sie von einem Energieband auf ein höheres springen, wobei sie auf der neuen Rennstrecke eine Beschleunigung erfahren. Die beschleunigten Elektronen emittieren dabei Licht und fallen schnell wieder auf die untere Bahn zurück. Der ganze Prozess dauert nur Sekunden­bruchteile, ist aber lang genug, dass ein Elektron den feinen Unterschied zwischen den Energie­strukturen von gewöhnlichen und topo­logischen Isolatoren spüren und diese Informationen auf das emittierte Licht übertragen kann.

Die neue Studie zeigt, wie man mit ultrakurzen Pulsen zwischen gewöhnlichen und topo­logischen Isolatoren unterscheiden und wie man die topo­logischen Infor­mationen des Systems mittels Laser­spektroskopie auslesen kann. Im nächsten Schritt wollen die Forscher dieses Wissen nutzen, um mit Hilfe von Laserstrahlung einen gewöhnlichen Isolator in einen topo­logischen zu verwandeln und umgekehrt – also die topo­logischen Informationen entsprechend schnell in das Material zu schreiben. Der theoretische Nachweis dieses Effekts könnte den Einsatz topologischer Materialien in der optisch gesteuerten Elektronik voranbringen, bei der die Geschwindigkeit der Informations­verarbeitung nur durch die Reaktions­geschwindigkeit der Elektronen auf Licht begrenzt ist.

FVB / JOL

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