01.03.2022

Leise Gleise

Simulationen führen zu lärmmindernden Materialkombinationen.

Bahnlärm ist ungesund. Um die Belastung weiter zu mindern, setzen Forschende der Forschungs­anstalt Empa in der Schweiz und der Hochschule für Wirtschaft und Ingenieur­wissenschaften des Kantons Waadt unter Federführung der ETH Lausanne auf einen unauf­fälligen Bestandteil des Schienen­systems: „Rail Pad“ aus elastischem Kunststoff, die zwischen Schienen und Beton­schwellen stecken. Sie dienen dazu, den hoch­belasteten Fahrweg aus verdichtetem Schotter und Betonschwellen zu schonen, indem sie den Schienen minimale Bewegungen erlauben – wie bei einer Gitarren­saite, die an mehreren Stellen zugleich auf das Griffbrett gedrückt wird. Doch gerade diese Schwingungs­freiheit lässt die Schiene stärker klingen – und dieser Lärm ist bei häufigen Geschwindig­keiten zwischen 60 und 160 Kilometern pro Stunde der entscheidende Faktor.

Abb.: Simulation einer hoch­skalierten Verformung der Schiene auf den...
Abb.: Simulation einer hoch­skalierten Verformung der Schiene auf den Beton­schwellen. (Bild: HEIG-VD)

Rail Pads bestehen in der Schweiz meist aus dem harten Kunststoff Ethylen­vinylacetat (EVA). Zwar würde ein weicheres Material den Fahrweg noch besser schonen – aber zum Preis einer höheren Lärm­belastung. Eine Zwickmühle also, die das Team mit einem Verbund­material lösen will. Die Idee: harte Schale, weicher Kern. Eine Hülle aus EVA und ein Kern aus dem weichen Werkstoff Poly­isobutylen (PIB), dessen Dämpfung präzise auf den Frequenzbereich von etwa 200 bis 2000 Hertz abgestimmt ist, in dem die Schwingungen besonders geräusch­intensiv sind.

Die Fachleute entwarfen nun dutzende Varianten: Sandwich-Strukturen aus flachen Schichten – mit und ohne Deckel aus EVA. Zick-zack-geformte PIB-Füllungen, Oberflächen mit Einschnitten und allerlei mehr. Doch um im Labor zu erkunden, wie sich welche Bauart auswirkt, waren aufwändige Vorarbeiten nötig. Das komplexe Zusammenspiel zwischen Schienen, Schwellen und Schotter simulierte eine „Drei-Schwellen-Einheits­zelle“: ein Stückchen Fahrweg, knapp zwei Meter lang, versehen mit einem „Shaker“, der definierte Frequenzen erzeugt, und einer Sonde, die die Schallintensität misst. Diese Messzelle bildet zwar nicht das reale Verhalten eine Bahnstrecke ab, erlaubt aber präzise Vergleiche unter unter­schiedlichen Bedingungen.

Zugleich entwickelten Forscher um Bart van Damme von der Empa-Abteilung „Akustik / Lärmminderung“ eine Simulation des Systems mittels Finite-Elemente-Methoden, die mit den Resultaten der Experimente gut über­einstimmte: die Basis, um das Verhalten schließlich auf eine längere Bahnstrecke hochzurechnen. Mit diesem Handwerks­zeug nahmen die Forschenden ihre Rail-Pad-Designs unter die Lupe. Um das Gleisbett zu schonen und zugleich Lärm zu mindern, waren Sandwich-Strukturen, die sich dank Einker­bungen leicht biegen lassen, unge­eignet, so van Damme. Auch die zick-zack-geformte Füllung aus PIB brachte keine Vorteile. Als beste Lösung erwies sich ein PIB-Anteil von über fünfzig Prozent, eingelegt in eine Schale aus dem härteren EVA-Kunststoff. 

„Diese Rail Pads lassen sich leicht herstellen. Auf der einhundert Meter langen Strecke werden wir fast 400 Stück brauchen“, sagt van Damme. Mit Messungen von Lärm, Vibra­tionen, Verfor­mungen und anderen Kenndaten wird sich zeigen, wie sich die Rail Pads schlagen. „Wir hoffen, dass sie hörbar weniger Lärm verursachen und gleichzeitig den Schotter besser schützen als die herkömmlichen harten Zwischen­lagen“, so van Damme. „Die im Projekt entwickelten Modelle erlauben eine gezielte Optimierung der teilweise wider­sprüchlichen Anfor­derungen“, sagt Empa-Abteilungsleiter Jean-Marc Wunderli. „Da für die Herstellung der Zwischenlagen keine nennens­werten Mehrkosten erwartet werden, erhoffe ich mir einen großflächigen Einsatz und damit einen bedeutenden Beitrag zur Reduktion des Bahnlärms.“

Empa / JOL

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