Leise Gleise
Simulationen führen zu lärmmindernden Materialkombinationen.
Bahnlärm ist ungesund. Um die Belastung weiter zu mindern, setzen Forschende der Forschungsanstalt Empa in der Schweiz und der Hochschule für Wirtschaft und Ingenieurwissenschaften des Kantons Waadt unter Federführung der ETH Lausanne auf einen unauffälligen Bestandteil des Schienensystems: „Rail Pad“ aus elastischem Kunststoff, die zwischen Schienen und Betonschwellen stecken. Sie dienen dazu, den hochbelasteten Fahrweg aus verdichtetem Schotter und Betonschwellen zu schonen, indem sie den Schienen minimale Bewegungen erlauben – wie bei einer Gitarrensaite, die an mehreren Stellen zugleich auf das Griffbrett gedrückt wird. Doch gerade diese Schwingungsfreiheit lässt die Schiene stärker klingen – und dieser Lärm ist bei häufigen Geschwindigkeiten zwischen 60 und 160 Kilometern pro Stunde der entscheidende Faktor.
Rail Pads bestehen in der Schweiz meist aus dem harten Kunststoff Ethylenvinylacetat (EVA). Zwar würde ein weicheres Material den Fahrweg noch besser schonen – aber zum Preis einer höheren Lärmbelastung. Eine Zwickmühle also, die das Team mit einem Verbundmaterial lösen will. Die Idee: harte Schale, weicher Kern. Eine Hülle aus EVA und ein Kern aus dem weichen Werkstoff Polyisobutylen (PIB), dessen Dämpfung präzise auf den Frequenzbereich von etwa 200 bis 2000 Hertz abgestimmt ist, in dem die Schwingungen besonders geräuschintensiv sind.
Die Fachleute entwarfen nun dutzende Varianten: Sandwich-Strukturen aus flachen Schichten – mit und ohne Deckel aus EVA. Zick-zack-geformte PIB-Füllungen, Oberflächen mit Einschnitten und allerlei mehr. Doch um im Labor zu erkunden, wie sich welche Bauart auswirkt, waren aufwändige Vorarbeiten nötig. Das komplexe Zusammenspiel zwischen Schienen, Schwellen und Schotter simulierte eine „Drei-Schwellen-Einheitszelle“: ein Stückchen Fahrweg, knapp zwei Meter lang, versehen mit einem „Shaker“, der definierte Frequenzen erzeugt, und einer Sonde, die die Schallintensität misst. Diese Messzelle bildet zwar nicht das reale Verhalten eine Bahnstrecke ab, erlaubt aber präzise Vergleiche unter unterschiedlichen Bedingungen.
Zugleich entwickelten Forscher um Bart van Damme von der Empa-Abteilung „Akustik / Lärmminderung“ eine Simulation des Systems mittels Finite-Elemente-Methoden, die mit den Resultaten der Experimente gut übereinstimmte: die Basis, um das Verhalten schließlich auf eine längere Bahnstrecke hochzurechnen. Mit diesem Handwerkszeug nahmen die Forschenden ihre Rail-Pad-Designs unter die Lupe. Um das Gleisbett zu schonen und zugleich Lärm zu mindern, waren Sandwich-Strukturen, die sich dank Einkerbungen leicht biegen lassen, ungeeignet, so van Damme. Auch die zick-zack-geformte Füllung aus PIB brachte keine Vorteile. Als beste Lösung erwies sich ein PIB-Anteil von über fünfzig Prozent, eingelegt in eine Schale aus dem härteren EVA-Kunststoff.
„Diese Rail Pads lassen sich leicht herstellen. Auf der einhundert Meter langen Strecke werden wir fast 400 Stück brauchen“, sagt van Damme. Mit Messungen von Lärm, Vibrationen, Verformungen und anderen Kenndaten wird sich zeigen, wie sich die Rail Pads schlagen. „Wir hoffen, dass sie hörbar weniger Lärm verursachen und gleichzeitig den Schotter besser schützen als die herkömmlichen harten Zwischenlagen“, so van Damme. „Die im Projekt entwickelten Modelle erlauben eine gezielte Optimierung der teilweise widersprüchlichen Anforderungen“, sagt Empa-Abteilungsleiter Jean-Marc Wunderli. „Da für die Herstellung der Zwischenlagen keine nennenswerten Mehrkosten erwartet werden, erhoffe ich mir einen großflächigen Einsatz und damit einen bedeutenden Beitrag zur Reduktion des Bahnlärms.“
Empa / JOL