25.11.2016

Leiser landen

Fluglärm lässt sich mit vielseitigen Methoden effektiv reduzieren.

Lande­anflüge leiser gestalten, das ist die Motivation zweier gemeinsamer Forschungs­vorhaben des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt und des Umwelt- und Nachbarschafts­hauses in Kelsterbach, deren erste Ergebnisse diese Woche auf der inter­nationalen Konferenz für aktiven Schall­schutz ICANA 2016 am Flughafen Frankfurt vorgestellt wurden. Ein Piloten­assistenz­system für leisere Anflüge sowie ein Verfahren für flexiblere lärm­entlastende Anflug­routen konnten in diesem Jahr erprobt werden. Beide Verfahren haben ihr Potential unter Beweis gestellt und werden zukünftig noch umfangreichere Tests durchlaufen. Die vorgestellten Arbeiten sind Teil zahlreicher Forschungs­aktivitäten für leiseres Fliegen, die der Fach­ausschuss Fluglärm im DLR koordiniert.

Abb.: Mit dem Forschungsflugzeug ATRA werden Assistenzsysteme für leisere Anflüge getestet. (Bild: DLR)

Bei Flug­versuchen im September 2016 erfolgte ein Realitäts­test des Piloten-Assistenz­systems LNAS (Low Noise Augmentation System) während des all­täglichen Hochbetriebs am Frankfurter Flughafen. Das vom DLR-Institut für Flug­system­technik entwickelte System für lärm­optimierte Anflüge erprobten die Wissen­schaftler an Bord des Forschungs­flugzeugs A320 ATRA in fünf Versuchs­reihen mit insgesamt 74 Anflügen auf Frankfurt, unterstützt von der Deutsche Flug­sicherung GmbH. „Bereits jetzt zeigt sich, dass das Prinzip Lärm­minderung durch präzisere Handlungs­abläufe beim Einsatz von Klappen und Fahrwerk während der Anflüge funk­tioniert“, sagt der Leiter der Abteilung Flug­dynamik und Simulation des DLR-Instituts für Flugsystem­technik Klaus-Uwe Hahn. „Die Rück­meldungen der Piloten, die das System geflogen sind, waren durchweg positiv. Sie beurteilten das Assistenz­system als äußerst hilfreich, ins­besondere in schwierigen Situationen, wie beispiels­weise bei starkem Rücken­wind oder hohen Geschwindig­keits­vorgaben durch die Luftverkehrs­kontrolle.“ Selbst unter den schwierigen Bedingungen im Volllast­betrieb am Flughafen Frankfurt werden die Anflüge um bis zu über ein Dezibel im Maximal­pegel leiser.

Für detail­liertere quantitative Aussagen zur Lärm­minderung mit Hilfe des neuen Systems analysieren DLR-Forscher intensiv die gemessenen Lärm- und Cockpit­daten. Einzelne Flug­zustände, beispiels­weise das Maß der ausge­fahrenen Lande­klappen, müssen dabei exakt den Lärm­werten am Boden zugeordnet werden. Zudem führt das DLR Nach­simulationen durch, um die Lärm­situation unterhalb der Anflug­bahnen vollständig zu erfassen. Diese Arbeiten sollen bis zum Ende des ersten Quartals 2017 abgeschlossen sein.

Das zweite Forschungs­projekt zielt auf die Ausweitung lärm­entlastender Anflug­routen. Bereits heute gibt es die Möglichkeit, den Flugverkehr in den verkehrs­armen Randzeiten um dicht besiedelte Siedlungs­schwerpunkte herum zu lenken, wobei die Piloten erst vergleichs­weise spät in den direkten Anflug auf die Landebahn einschwenken. Die Heraus­forderung besteht darin, diese flexible Routen­führung auch in Hochverkehrs­zeiten anzuwenden, was bisher aufgrund inter­nationaler Regularien noch nicht möglich ist.

Das DLR-Institut für Flugführung hat in mehr­jähriger Forschungs­arbeit ein Sicherheits­konzept entwickelt, das die lärm­entlastende Routen­führung basierend auf modernen Navigations­techno­logien auch im unabhängigen Parallel­bahn­betrieb erlaubt. Dieser ist entscheidend dafür, den Flugverkehr in Hochlast­zeiten zu bewältigen. Wie gut sich dieses Verfahren am Flughafen Frankfurt anwenden lässt, haben die DLR-Forscher im September und Oktober 2016 im Air Traffic Management and Operations Simulator (ATMOS) in Braunschweig gemeinsam mit der Deutsche Flug­sicherung GmbH (DFS) getestet.

„Generell zeigte sich bei den Echtzeit­simulationen des Frankfurter Flug­verkehrs, dass unser Konzept für weniger Lärm über stark besiedelten Gebieten für die Lotsen handhabbar ist“, sagt der Leiter der Abteilung Piloten­assistenz im DLR-Institut für Flug­führung Bernd Korn. „Je geringer der Anteil der Luft­fahrzeuge wird, die ohne moderne Navigations­technologien einen klassischen geraden Anflug benötigen, desto weniger Aufwand haben die Lotsen bei gleich­zeitiger Nutzung der gekrümmten Anflüge.“ Aber auch eine gleich­mäßige Verteilung des Flug­verkehrs zu jeweils 50 Prozent auf eine gerade und eine gekrümmte Strecken­führungen ist mit einer akzeptablen Arbeits­belastung verbunden und für die Lotsen mit stetig hohem Situations­bewusstsein kontrollierbar.

Aufbauend auf den Ergebnissen dieser ersten Reihe von Echtzeit­simulationen werden weitere Forschungs­arbeiten in den kommenden zwei Jahren folgen. Anschließend ist geplant, das Konzept der unabhängig segmen­tierten Parallel­anflugver­fahren gemeinsam mit Boeing bei der inter­national zuständigen Luftfahrt­behörde ICAO vorzustellen und es als akzep­tierten Standard aufnehmen zu lassen.

DLR / JOL

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