Leiser landen
Fluglärm lässt sich mit vielseitigen Methoden effektiv reduzieren.
Landeanflüge leiser gestalten, das ist die Motivation zweier gemeinsamer Forschungsvorhaben des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt und des Umwelt- und Nachbarschaftshauses in Kelsterbach, deren erste Ergebnisse diese Woche auf der internationalen Konferenz für aktiven Schallschutz ICANA 2016 am Flughafen Frankfurt vorgestellt wurden. Ein Pilotenassistenzsystem für leisere Anflüge sowie ein Verfahren für flexiblere lärmentlastende Anflugrouten konnten in diesem Jahr erprobt werden. Beide Verfahren haben ihr Potential unter Beweis gestellt und werden zukünftig noch umfangreichere Tests durchlaufen. Die vorgestellten Arbeiten sind Teil zahlreicher Forschungsaktivitäten für leiseres Fliegen, die der Fachausschuss Fluglärm im DLR koordiniert.
Abb.: Mit dem Forschungsflugzeug ATRA werden Assistenzsysteme für leisere Anflüge getestet. (Bild: DLR)
Bei Flugversuchen im September 2016 erfolgte ein Realitätstest des Piloten-Assistenzsystems LNAS (Low Noise Augmentation System) während des alltäglichen Hochbetriebs am Frankfurter Flughafen. Das vom DLR-Institut für Flugsystemtechnik entwickelte System für lärmoptimierte Anflüge erprobten die Wissenschaftler an Bord des Forschungsflugzeugs A320 ATRA in fünf Versuchsreihen mit insgesamt 74 Anflügen auf Frankfurt, unterstützt von der Deutsche Flugsicherung GmbH. „Bereits jetzt zeigt sich, dass das Prinzip Lärmminderung durch präzisere Handlungsabläufe beim Einsatz von Klappen und Fahrwerk während der Anflüge funktioniert“, sagt der Leiter der Abteilung Flugdynamik und Simulation des DLR-Instituts für Flugsystemtechnik Klaus-Uwe Hahn. „Die Rückmeldungen der Piloten, die das System geflogen sind, waren durchweg positiv. Sie beurteilten das Assistenzsystem als äußerst hilfreich, insbesondere in schwierigen Situationen, wie beispielsweise bei starkem Rückenwind oder hohen Geschwindigkeitsvorgaben durch die Luftverkehrskontrolle.“ Selbst unter den schwierigen Bedingungen im Volllastbetrieb am Flughafen Frankfurt werden die Anflüge um bis zu über ein Dezibel im Maximalpegel leiser.
Für detailliertere quantitative Aussagen zur Lärmminderung mit Hilfe des neuen Systems analysieren DLR-Forscher intensiv die gemessenen Lärm- und Cockpitdaten. Einzelne Flugzustände, beispielsweise das Maß der ausgefahrenen Landeklappen, müssen dabei exakt den Lärmwerten am Boden zugeordnet werden. Zudem führt das DLR Nachsimulationen durch, um die Lärmsituation unterhalb der Anflugbahnen vollständig zu erfassen. Diese Arbeiten sollen bis zum Ende des ersten Quartals 2017 abgeschlossen sein.
Das zweite Forschungsprojekt zielt auf die Ausweitung lärmentlastender Anflugrouten. Bereits heute gibt es die Möglichkeit, den Flugverkehr in den verkehrsarmen Randzeiten um dicht besiedelte Siedlungsschwerpunkte herum zu lenken, wobei die Piloten erst vergleichsweise spät in den direkten Anflug auf die Landebahn einschwenken. Die Herausforderung besteht darin, diese flexible Routenführung auch in Hochverkehrszeiten anzuwenden, was bisher aufgrund internationaler Regularien noch nicht möglich ist.
Das DLR-Institut für Flugführung hat in mehrjähriger Forschungsarbeit ein Sicherheitskonzept entwickelt, das die lärmentlastende Routenführung basierend auf modernen Navigationstechnologien auch im unabhängigen Parallelbahnbetrieb erlaubt. Dieser ist entscheidend dafür, den Flugverkehr in Hochlastzeiten zu bewältigen. Wie gut sich dieses Verfahren am Flughafen Frankfurt anwenden lässt, haben die DLR-Forscher im September und Oktober 2016 im Air Traffic Management and Operations Simulator (ATMOS) in Braunschweig gemeinsam mit der Deutsche Flugsicherung GmbH (DFS) getestet.
„Generell zeigte sich bei den Echtzeitsimulationen des Frankfurter Flugverkehrs, dass unser Konzept für weniger Lärm über stark besiedelten Gebieten für die Lotsen handhabbar ist“, sagt der Leiter der Abteilung Pilotenassistenz im DLR-Institut für Flugführung Bernd Korn. „Je geringer der Anteil der Luftfahrzeuge wird, die ohne moderne Navigationstechnologien einen klassischen geraden Anflug benötigen, desto weniger Aufwand haben die Lotsen bei gleichzeitiger Nutzung der gekrümmten Anflüge.“ Aber auch eine gleichmäßige Verteilung des Flugverkehrs zu jeweils 50 Prozent auf eine gerade und eine gekrümmte Streckenführungen ist mit einer akzeptablen Arbeitsbelastung verbunden und für die Lotsen mit stetig hohem Situationsbewusstsein kontrollierbar.
Aufbauend auf den Ergebnissen dieser ersten Reihe von Echtzeitsimulationen werden weitere Forschungsarbeiten in den kommenden zwei Jahren folgen. Anschließend ist geplant, das Konzept der unabhängig segmentierten Parallelanflugverfahren gemeinsam mit Boeing bei der international zuständigen Luftfahrtbehörde ICAO vorzustellen und es als akzeptierten Standard aufnehmen zu lassen.
DLR / JOL










