Leistungselektronik für die Energiewende
Zentrum für Leistungselektronik und nachhaltige Netze in Freiburg eingeweiht.
Das Fraunhofer-Institut für solare Energiesysteme in Freiburg hat am 4. Juli sein neues Zentrum für Leistungselektronik und nachhaltige Netze eingeweiht. Mit einem eigenen 110 kV- Hochspannungsanschluss und einer Leistung von 40 MVA verfügt das Laborzentrum über eine weltweit einzigartige Forschungsinfrastruktur. So wird es den gestiegenen Anforderungen an die Leistungselektronik als Schlüsseltechnologie der Energiewende gerecht.
„Im Energiesystem der Zukunft, in dem statt weniger großer Kraftwerke viele Wind- und Solaranlagen mit fluktuierender Erzeugung ins Netz einspeisen, wird die Leistungselektronik auf allen Netzebenen zu einem dominierenden Baustein. Wir benötigen neuartige Komponenten und Funktionen, damit Wechselrichter die Stromnetze der Zukunft zuverlässig und sicher regeln und stabilisieren können“, erklärt Hans-Martin Henning, Leiter des Fraunhofer-ISE. Zu den Herausforderungen gehört vor allem die Entwicklung neuartiger Komponenten und Systeme für die Leistungselektronik mit deutlich erweiterten Eigenschaften. Dafür werden in zunehmendem Maß Silizium-Karbid- und Gallium-Nitrid-basierte Leistungshalbleiter eingesetzt. Diese arbeiten mit hohen Taktfrequenzen und ermöglichen dadurch höhere Leistungsdichten.
Auch neue Netzdienstleistungen werden erforscht, insbesondere hinsichtlich der Stabilität von zukünftigen, wechselrichterbasierten Netzen. Nicht zuletzt stehen Prüfverfahren zur Netzdienlichkeit von Wechselrichtern im Vordergrund, wie beispielsweise zur Spannungs- und Frequenzhaltung. Weitere Eigenschaften wie die aktive Bekämpfung von Resonanzen in Kraftwerken und Stromnetzen oder die spannungsbildenden Eigenschaften von Wechselrichtern werden in naher Zukunft ebenfalls wachsende Bedeutung erlangen.
Drei Labors decken die verschiedenen Bereiche der Leistungselektronik ab: Im Power Converters Lab werden Systeme für den Niederspannungsbereich entwickelt, wie beispielsweise für PV-Anlagen, Batterien, Elektromobilität und Luftfahrt. Im Medium Voltage Lab wird Leistungselektronik für den Mittelspannungsbereich entwickelt und getestet. Ein speziell eingerichtetes Labor ermöglicht den Betrieb von Mittelspannungssystemen mit einer Leistung bis zu 20 MVA. Im Multi-Megawatt Lab können parallele Versuche durchgeführt werden. Die verschiedenen Prüffelder ermöglichen den Betrieb von bis zu 10 MVA und 1000 V, beispielsweise von Windkraft-Anlagen, großen Batteriespeichern oder BHKWs. Die insgesamt anliegende Leistung von 40 MVA entspricht der Anschlussleistung einer Kleinstadt von etwa 50.000 Einwohnern. Das Zentrum verfügt dabei über einen eigenen Forschungsanschluss, der komplett vom Netz des umliegenden Industriegebiets getrennt ist. Ergänzt wird die Infrastruktur durch das noch im Aufbau befindliche Digital Grid Lab für Simulationen von Lastprofilen und Energiemanagementsystemen, das im Hauptgebäude des Fraunhofer-ISE als Weiterentwicklung des heute dort beheimateten Smart Energy Lab entsteht. Im Digital Grid Lab wird das Fraunhofer-ISE seine Kompetenzen im Bereich Netzsimulation und Echtzeitkommunikationsumgebungen erweitern und das Verhalten von Geräten oder Anlagen an Netzknotenpunkten ausführlich untersuchen können.
Mit dem unabhängigen TestLab Power Electronics kann das Fraunhofer-ISE seinen Industriekunden am neuen Standort nun Entwicklung, Tests, Ertüchtigung und Zertifizierung von Komponenten und Systemen bis in den Multimegawatt- und den Mittelspannungsbereich anbieten. Eine speziell ausgelegte „Over and Under Voltage Ride Through“-Anlage erlaubt die dynamische Variierung der Spannung, um partikulare Netzsituationen wie Über- oder Unterspannungen zu simulieren oder Situationen mit besonderen Netzimpedanzen nachzubilden.
Mit vier verschiedenen Prüffeldern und voneinander unabhängigen Transformatoren können mehrere Aggregate parallel getestet, aber auch zum Verbundbetrieb in Mikro-Grids zusammengeschaltet werden. „Damit können wir zukünftige Forschungsthemen wie beispielsweise wechselrichterbasierte Netze, hybride Stromversorgungen und große Speichersysteme adressieren“, so Olivier Stalter, Geschäftsbereichsleiter Leistungselektronik, Netze und intelligente Systeme am Fraunhofer-ISE.
Für das Vorhaben wurden vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, vom Bundesministerium für Bildung und Forschung sowie vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit etwa zehn Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Das Fraunhofer-ISE investierte weitere fünf Millionen Euro in das neue Labor.
Fh.-ISE / RK
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