26.03.2021

Lernfähige Mikroschwimmer

Verbindung von künstlicher Intelligenz und aktiven Mikrosystemen.

Lebendige Organismen von Bakterien bis hin zu ganzen Orga­nismen können ihre Umgebung wahrnehmen, diese Infor­mationen verarbeiten, speichern und wieder abrufen. Sie lernen, um auf spätere Situationen mit geeigneten Aktionen reagieren zu können. Physiker der Universität Leipzig unter der Leitung von Frank Cichos haben in Zusammen­arbeit mit Kollegen der Karls-Universität Prag eine Methode entwickelt, um winzig kleinen, künstlichen Mikro­schwimmern mit Hilfe von Algo­rithmen des Maschinen­lernens eine gewisse Lern­fähigkeit anzueignen.

Abb.: Ein Mikro­schwimmer unter dem Elektronen­mikroskop. Das Teilchen misst...
Abb.: Ein Mikro­schwimmer unter dem Elektronen­mikroskop. Das Teilchen misst 2,18 Mikrometer im Durchmesser. Die kleinen helleren Punkte auf dem Partikel sind etwa acht Nanometer große Goldnano­partikel. (Bild: U. Leipzig)

Mikro­schwimmer sind künstliche, selbstgetriebene, mikroskopisch kleine Teilchen. Sie sind in der Lage, sich in einer Lösung gerichtet zu bewegen. Die Forscher haben nun spezielle Teilchen entwickelt, die ihre Bewegungs­richtung ändern können, indem winzige Goldpartikel auf ihrer Oberfläche erwärmt werden und diese Energie in Bewegung umsetzen. „Diese miniatu­risierten Maschinen können jedoch nicht wie ihre lebenden Vorbilder Informationen aufnehmen und lernen. Um das zu erreichen, benutzen wir eine externe Kontrolle der Mikro­schwimmer, damit diese die Navigation in einer virtuellen Umgebung durch das Reinforce­ment Learning lernen“, sagt Cichos. 

Mit Hilfe von virtuellen Belohnungen finden die Mikroschwimmer ihren Weg durch die Flüssigkeit und werden dabei vor allem durch die Brownsche Bewegung immer wieder von ihrem Weg abgebracht. „Unsere Ergebnisse zeigen, dass nicht der Schwimmer der Beste ist, der am schnellsten ist, sondern es vielmehr eine optimale Geschwin­digkeit gibt“, sagt Viktor Holubec von der Universität in Prag. Eine Verbindung von künstlicher Intelligenz und aktiven Systemen wie bei diesen Mikro­schwimmern ist nach Ansicht der Wissen­schaftler ein erster kleiner Schritt zu neuen intelligenten mikro­skopischen Materialien, die autonom Aufgaben erfüllen und sich gleichzeitig auch auf ihre neue Umgebung einstellen können.

Gleichzeitig erhoffen sich die Forscher aus der Kombination künst­licher Mikroschwimmer und Verfahren des Maschinen­lernens neue Erkenntnisse über die Entstehung kollektiven Verhaltens in biologischen Systemen. „Unser Ziel ist es, künstliche, intelligente Bausteine zu entwickeln, die ihre Umgebungs­einflüsse wahrnehmen und aktiv darauf reagieren können“, sagt der Physiker. Ist diese Methode einmal ausgereift und auf andere auch biologische Material­systeme ausgedehnt, könnte sie beispiels­weise bei der Entwicklung von intelligenten Arznei­mitteln oder mikro­skopischen Roboter­schwärmen angewandt werden.

U. Leipzig / JOL

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