12.03.2021 • AstronomieAstrophysik

Leuchtfeuer am Rand des beobachtbaren Universums

Astronomen entdecken radiolauten Quasar mit bislang größter Rotverschiebung.

Es ist ein neuer Rekord: Ein inter­natio­nales Forscher­team hat den bislang fernsten radio­hellen Quasar aufge­spürt. Die Astronomen sehen P172+18 so, wie er ausgesehen hat als das Universum erst 780 Millionen Jahre alt war. Der Quasar wird durch eines der am schnellsten wachsenden super­masse­reichen schwarzen Löcher angetrieben und strahlt etwa 580-mal so viel Energie aus wie die Milch­straße. Derart weit entfernte radiolaute Quasare dienen der Unter­suchung der Entstehung und Entwicklung von masse­reichen Galaxien und schwarzen Löchern im frühen Universum.

Abb.: Künst­le­rische Dar­stel­lung eines super­masse­reichen schwarzen...
Abb.: Künst­le­rische Dar­stel­lung eines super­masse­reichen schwarzen Lochs mit Akkre­tions­scheibe und Jets. Die Jets sind eine Quelle für die starke Radio­emis­sion. (Bild: M. Korn­messer, ESO)

Nur etwa zehn Prozent der Quasare sind radio­laut und die Astronomen fragen sich, wie dieser geringe Anteil zu erklären ist und ob er auch für die frühesten kosmischen Epochen gilt. Bis vor kurzem waren nur drei radio­laute Quasare mit einer Rot­ver­schiebung von mehr als sechs bekannt, wobei der am weitesten entfernte bei z = 6,2 lag. Der jetzt gefundene Quasar P172+18 weist eine Rot­ver­schiebung von 6,82 auf.

Weit entfernte, radiolaute Quasare am Anfang der Entwicklung des Kosmos dienen den Astro­nomen als Leucht­feuer, um Material zu unter­suchen, das zwischen der Erde und den Quasaren liegt. Da Gas bei unter­schied­lichen Rot­ver­schiebungen seinen Finger­abdruck im Spektrum der Quasare hinter­lässt, können die Forscher das Muster nutzen, um die Gasdichte und deren Verteilung im frühen Universum zu bestimmen.

Das super­masse­reiche schwarze Loch im Zentrum zieht das umgebende Gas. Es bildet sich eine Akkretions­scheibe, über die das Gas in das schwarze Loch strömt. Durch die Reibung heizt es sich auf so hohe Tempe­ra­turen auf, dass es im UV-Bereich besonders hell leuchtet. Dieser Prozess setzt pro Sekunde so viel Strahlungs­energie frei wie das 580-fache der gesamten Milch­straße.

Die Masse des schwarzen Lochs von P172+18 beträgt etwa das 70-Fache der Masse seines Gegen­stücks im Zentrum der Milch­straße, und es wächst immer noch rasant. Die Messungen deuten darauf hin, dass dieser Quasar eines der am schnellsten akkre­tie­renden super­masse­reichen schwarzen Löcher beherbergt, die bekannt sind. Die dabei von der Akkretions­scheibe ausge­sandte Strahlung wird so intensiv, dass sie dem kolla­bie­renden Gas entgegen­wirkt und den Zufluss all­mäh­lich abbremst.

Die von den Forschern gemessene Radio­strahlung deutet auf einen Jet hin, der ioni­siertes Gas in einem eng gebündelten Strahl auf nahezu Licht­ge­schwin­dig­keit beschleunigt. Solche Jets dienen auch als Ventil, das einen Teil des Drucks abführt, der durch den Akkretions­prozess erzeugt wird. Ein Vergleich mit zwanzig Jahre alten Daten legt nahe, dass P172+18 in den letzten Jahren an Radio­leucht­kraft verloren hat. Ob dieser Befund etwas mit einem schwächer werdenden Jet und einer nach­lassenden Akkretions­tätig­keit zu tun hat, lässt sich aber erst mit weiteren Messungen abschließend klären.

Beim Studium der Radio­daten entdeckten die Wissen­schaftler eine weitere Radio­quelle in der Nähe von P172+18, deren Rot­ver­schiebung und Entfernung sie jedoch noch nicht bestimmen konnten. Aufgrund der räum­lichen Verteilung der Quasare ist die Wahr­schein­lich­keit eines weiteren Zufalls­treffers in unmittel­barer Nähe sehr gering. Wenn es sich um eine physi­ka­lisch zusammen­hängende Doppelquelle handelte, betrüge ihr Abstand etwa 400.000 Licht­jahre. Das Team versucht nun zu bestätigen, ob diese beiden Quellen physi­ka­lisch mit­ein­ander verbunden sind. Sollte dies der Fall sein, würde dies darauf hindeuten, dass es sich um eine der ersten Über­dichten von Galaxien im frühen Universum handelt.

Die Entdeckung einer frühen Galaxien­gruppe wäre spekta­kulär, da die Erforschung der Struktur­bildung in dieser Epoche gerade erst beginnt. Die Idee ist, dass sich zunächst Wolken aus neutralem Wasser­stoff zusammen­finden, die sich dann zu Galaxien entwickeln und möglicher­weise Quasare beherbergen. Die systema­tische Erforschung solcher Wasser­stoff­wolken während der ersten Milliarden Jahre des Universums liegt noch in weiter Ferne, ist aber prinzi­piell möglich. Dazu können radio­laute Quasare als Hinter­grund­quellen dienen, mit denen die Forscher diese Wolken nach­weisen können. Noch wissen die Astronomen nicht, warum verschiedene Quasare eine so große Vielfalt an Radio­emission aufweisen. Die Objekte in den frühesten kosmischen Epochen zu unter­suchen, kann Aufschluss darüber geben, wie super­masse­reiche schwarze Löcher wachsen. Es ist eines der größten Rätsel der Astro­physik, das es noch zu lösen gilt.

Allerdings benötigen die Astronomen so viele dieser Quasare wie möglich. „Unsere Messungen zeigen, dass die Radio­eigen­schaften von P172+18 im Vergleich zu anderen radio­lauten Quasaren eher durch­schnitt­lich sind“, sagt Eduardo Bañados vom MPI für Astronomie, der das Entdecker-Team leitet. „Deshalb sind wir opti­mis­tisch und vermuten, dass es da draußen noch viele weitere radio­laute Quasare zu entdecken gibt, manche von ihnen sogar in größeren kosmo­lo­gischen Entfernungen. Unsere Suche geht weiter.“

MPIA / RK

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