Leuchtfeuer am Rand des beobachtbaren Universums
Astronomen entdecken radiolauten Quasar mit bislang größter Rotverschiebung.
Es ist ein neuer Rekord: Ein internationales Forscherteam hat den bislang fernsten radiohellen Quasar aufgespürt. Die Astronomen sehen P172+18 so, wie er ausgesehen hat als das Universum erst 780 Millionen Jahre alt war. Der Quasar wird durch eines der am schnellsten wachsenden supermassereichen schwarzen Löcher angetrieben und strahlt etwa 580-mal so viel Energie aus wie die Milchstraße. Derart weit entfernte radiolaute Quasare dienen der Untersuchung der Entstehung und Entwicklung von massereichen Galaxien und schwarzen Löchern im frühen Universum.
Nur etwa zehn Prozent der Quasare sind radiolaut und die Astronomen fragen sich, wie dieser geringe Anteil zu erklären ist und ob er auch für die frühesten kosmischen Epochen gilt. Bis vor kurzem waren nur drei radiolaute Quasare mit einer Rotverschiebung von mehr als sechs bekannt, wobei der am weitesten entfernte bei z = 6,2 lag. Der jetzt gefundene Quasar P172+18 weist eine Rotverschiebung von 6,82 auf.
Weit entfernte, radiolaute Quasare am Anfang der Entwicklung des Kosmos dienen den Astronomen als Leuchtfeuer, um Material zu untersuchen, das zwischen der Erde und den Quasaren liegt. Da Gas bei unterschiedlichen Rotverschiebungen seinen Fingerabdruck im Spektrum der Quasare hinterlässt, können die Forscher das Muster nutzen, um die Gasdichte und deren Verteilung im frühen Universum zu bestimmen.
Das supermassereiche schwarze Loch im Zentrum zieht das umgebende Gas. Es bildet sich eine Akkretionsscheibe, über die das Gas in das schwarze Loch strömt. Durch die Reibung heizt es sich auf so hohe Temperaturen auf, dass es im UV-Bereich besonders hell leuchtet. Dieser Prozess setzt pro Sekunde so viel Strahlungsenergie frei wie das 580-fache der gesamten Milchstraße.
Die Masse des schwarzen Lochs von P172+18 beträgt etwa das 70-Fache der Masse seines Gegenstücks im Zentrum der Milchstraße, und es wächst immer noch rasant. Die Messungen deuten darauf hin, dass dieser Quasar eines der am schnellsten akkretierenden supermassereichen schwarzen Löcher beherbergt, die bekannt sind. Die dabei von der Akkretionsscheibe ausgesandte Strahlung wird so intensiv, dass sie dem kollabierenden Gas entgegenwirkt und den Zufluss allmählich abbremst.
Die von den Forschern gemessene Radiostrahlung deutet auf einen Jet hin, der ionisiertes Gas in einem eng gebündelten Strahl auf nahezu Lichtgeschwindigkeit beschleunigt. Solche Jets dienen auch als Ventil, das einen Teil des Drucks abführt, der durch den Akkretionsprozess erzeugt wird. Ein Vergleich mit zwanzig Jahre alten Daten legt nahe, dass P172+18 in den letzten Jahren an Radioleuchtkraft verloren hat. Ob dieser Befund etwas mit einem schwächer werdenden Jet und einer nachlassenden Akkretionstätigkeit zu tun hat, lässt sich aber erst mit weiteren Messungen abschließend klären.
Beim Studium der Radiodaten entdeckten die Wissenschaftler eine weitere Radioquelle in der Nähe von P172+18, deren Rotverschiebung und Entfernung sie jedoch noch nicht bestimmen konnten. Aufgrund der räumlichen Verteilung der Quasare ist die Wahrscheinlichkeit eines weiteren Zufallstreffers in unmittelbarer Nähe sehr gering. Wenn es sich um eine physikalisch zusammenhängende Doppelquelle handelte, betrüge ihr Abstand etwa 400.000 Lichtjahre. Das Team versucht nun zu bestätigen, ob diese beiden Quellen physikalisch miteinander verbunden sind. Sollte dies der Fall sein, würde dies darauf hindeuten, dass es sich um eine der ersten Überdichten von Galaxien im frühen Universum handelt.
Die Entdeckung einer frühen Galaxiengruppe wäre spektakulär, da die Erforschung der Strukturbildung in dieser Epoche gerade erst beginnt. Die Idee ist, dass sich zunächst Wolken aus neutralem Wasserstoff zusammenfinden, die sich dann zu Galaxien entwickeln und möglicherweise Quasare beherbergen. Die systematische Erforschung solcher Wasserstoffwolken während der ersten Milliarden Jahre des Universums liegt noch in weiter Ferne, ist aber prinzipiell möglich. Dazu können radiolaute Quasare als Hintergrundquellen dienen, mit denen die Forscher diese Wolken nachweisen können. Noch wissen die Astronomen nicht, warum verschiedene Quasare eine so große Vielfalt an Radioemission aufweisen. Die Objekte in den frühesten kosmischen Epochen zu untersuchen, kann Aufschluss darüber geben, wie supermassereiche schwarze Löcher wachsen. Es ist eines der größten Rätsel der Astrophysik, das es noch zu lösen gilt.
Allerdings benötigen die Astronomen so viele dieser Quasare wie möglich. „Unsere Messungen zeigen, dass die Radioeigenschaften von P172+18 im Vergleich zu anderen radiolauten Quasaren eher durchschnittlich sind“, sagt Eduardo Bañados vom MPI für Astronomie, der das Entdecker-Team leitet. „Deshalb sind wir optimistisch und vermuten, dass es da draußen noch viele weitere radiolaute Quasare zu entdecken gibt, manche von ihnen sogar in größeren kosmologischen Entfernungen. Unsere Suche geht weiter.“
MPIA / RK
Weitere Infos
- Originalveröffentlichung
E. Bañados et al.: The Discovery of a Highly Accreting, Radio-loud Quasar at z = 6.82, Astroph. J. 909, 80 (2021); DOI: 10.3847/1538-4357/abe239 - Abt. Galaxien und Kosmologie, Max-Planck-Institut für Astronomie, Heidelberg