20.11.2014

Licht gibt Nanobändern den richtigen Dreh

Zirkulare Polarisation verleiht selbst­orga­ni­sier­ten Nano­struk­turen Chira­lität.

Verdrillte Nanobänder mit dem gewünschten Drehsinn können von selbst aus einer Lösung von Nanoteilchen entstehen, wenn man diese mit zirkular polarisiertem Licht bestrahlt. Dieses selbstorganisierte Wachstum chiraler Strukturen beruht auf einer enantioselektiven optischen Anregung der Nanoteilchen. Forscher um Nicholas Kotov von der University of Michigan in Ann Arbor haben einen direkten Weg gefunden, mit Hilfe des Drehimpulses von Photonen den Drehsinn von selbstorganisiert wachsenden Nanobändern zu beeinflussen. Dabei verwendeten sie eine wässrige Lösung von Nanopartikeln aus Cadmiumtellurid, die die Form von gestutzten Tetraedern hatten.

Abb.: Links- und rechtshändige Nanoteilchen (oberer Balke 1 nm) werden unterschiedlich gut von zirkularpolarisiertem Licht aktiviert, woraufhin sie zu links- bzw. rechtsverdrillten Nanobändern zusammenwachsen. (Bild: J. Yeom et al. / NPG)

Da die vier Ecken der Tetraeder normalerweise unterschiedlich stark beschnitten waren, wies jedes Nanopartikel eine zufällige Chiralität auf. Die chemisch reaktiven Schnittflächen wurden mit nichtchiralen Kappen aus schwefelhaltiger Thioglykolsäure bedeckt und dadurch deaktiviert. Die auf diese Weise stabilisierten Nanopartikel konnten nicht zu größeren Strukturen zusammenwachsen.

In früheren Experimenten war es Kotov und seinen Kollegen gelungen, die stabilisierenden Schutzkappen der Nanopartikel durch Bestrahlung mit sichtbarem Licht zu entfernen. Dabei wurden in den Partikeln Selenatome durch Schwefelatome ausgetauscht, die aus den Schutzkappen stammten. Daraufhin schlossen sich die Nanopartikel zusammen und es entstanden von selbst mikrometerlange Bänder aus CdS-Nanoteilchen. Diese Bänder waren verdrillt gewesen, wobei Rechts- und Linksschrauben gleich häufig vorkamen.

Jetzt haben die Forscher die stabilisierten Nanoteilchen chiral aktiviert, indem sie die Lösung für einige Stunden mit zirkular polarisiertem Licht von 543 nm Wellenlänge bestrahlt haben. Nach einer Stunde waren Stäbchen von 50–200 nm Länge entstanden, aus denen nach zwölf Stunden 1–2 µm lange verdrillte Bänder entstanden, die nach 28 Stunden 2–3 µm Länge erreichten. Der Drehsinn eines Nanobandes war übrigens eine Materialeigenschaft, die mehrere Jahre lang erhalten blieb.

Nachdem die Lösung fünfzig Stunden lang bestrahlt worden war, dominierte bei den entstandenen verdrillten Bändern ein bestimmter Drehsinn, wobei er um gut 30 % häufiger vorkam als der andere. Wurde die Wellenlänge von 543 nm auf 607 nm erhöht, so verringerte sich der enantiomere Überschuss auf 20 %. Das ergaben Untersuchungen der rasterelektronischen Aufnahmen von etwa 1000 solcher Bänder. Im Vergleich dazu erreicht man bei organischen Reaktionen, die man durch zirkular polarisiertes Licht stimuliert, einen enantiomeren Überschuss von nur etwa 2 %.

Wurde die Lösung der Nanopartikel mit unpolarisiertem Licht bestrahlt, so entstanden rechts- und linksverdrillte Bänder mit nahezu gleicher Häufigkeit. Bestrahlte man die Lösung hingegen mit linear polarisiertem Licht oder ließ sie für längere Zeit im Dunkeln, so wuchsen in erster Linie glatte, nichtverdrillte Nanobänder heran. In all diesen Fällen zeigte die Lösung keine Chiralität.

Abb.: Elektronenmikroskopische Aufnahme eines links- bzw. rechtsverdrillten Nanobandes (Balkenlänge 100 nm; Bild: J. Yeom et al. / NPG)

Die Forscher haben für ihre Resultate folgende Erklärung, die sie mit molekulardynamischen Simulationen überprüft haben. Die da vier Ecken der tetraederförmigen Nanoteilchen durch Zufall unterschiedlich stark beschnitten sind, sind sie nicht äquivalent, ähnlich den vier Bindungen eines optisch aktiven Kohlenstoffatoms. Ein durch Schutzkappen stabilisiertes Nanoteilchen unterscheidet sich somit von seinem Spiegelbild und verhält sich bei Bestrahlung mit zirkular polarisiertem Licht anders als dieses. So werden z. B. durch rechtspolarisiertes Licht bevorzugt Nanoteilchen einer bestimmten Händigkeit oder Chiralität aktiviert. Aus diesen wachsen dann, wie die Simulationen zeigen, verdrillte Nanobänder mit einem bestimmten Drehsinn heran.

Unpolarisiertes Licht, das in gleichem Maße rechts- und linkszirkular polarisiert war, aktivierte Nanoteilchen beider Chiralitäten, aber offenbar räumlich getrennt voneinander, sodass sie zu rechts- oder linksverdrillten Bändern zusammenwachsen konnten. Hingegen aktivierte linear polarisiertes Licht Nanoteilchen beider Chiralitäten am selben Ort, sodass aus ihnen Bänder ohne Verdrillung entstanden.

Die durch Einwirkung von zirkular polarisiertem Licht entstandenen chiralen Nanostrukturen könnten ihrerseits als Schablonen dienen, die die Entstehung von chiralen Molekülen katalysieren. Damit ließe sich möglicherweise das Vorhandensein von chiralen Molekülen im Weltall oder sogar die Entstehung der Homochiralität der Biomoleküle auf der Erde erklären.

Rainer Scharf

OD

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