Lichtecho verrät kosmische Katastrophe
Schwarzes Loch zerreißt Riesenstern.
In einer weit entfernen Galaxie hat ein schwarzes Loch einen Riesenstern zerrissen. Das zeigen umfangreiche Beobachtungen mit mehreren Observatorien durch ein internationales Forschungsteam unter DESY-Führung. Die kosmische Katastrophe produzierte nach einigen Monaten ein Lichtecho im Infrarotbereich. Zudem hat das Neutrinoteleskop IceCube in der Antarktis möglicherweise ein Teilchen des zerrissenen Sterns aufgefangen.
Die Gezeitenkatastrophe ereignete sich in einer 4,4 Milliarden Lichtjahre entfernten Galaxie, in deren Zentrum sich ein schwarzes Loch mit der 35-millionenfachen Sonnenmasse befindet. Diesem schwarzen Loch ist ein Riesenstern zu nahe gekommen und durch die Gezeitenkräfte zerrissen worden. Die Überreste des Sterns formen um das schwarze Loch eine Akkretionsscheibe. Bevor die Sternenmaterie im Schwarzen Loch verschwindet, kreist sie immer schneller, heizt sich dabei auf und fängt an zu leuchten.
„Die Gezeitenkatastrophe war möglicherweise das leuchtstärkste vorübergehende kosmische Phänomen, das jemals beobachtet worden ist“, sagt Marek Kowalski vom DESY. Aufgrund der Helligkeit des Ereignisses gehen die Forscher davon aus, dass der zerrissene Stern eine Riesenstern gewesen sein muss, damit sich genug leuchtende Materie auf der Akkretionsscheibe sammeln konnte.
Die intensive Strahlung hat einen Hohlraum in die Staubwolke gebrannt, von der das schwarze Loch umgeben ist. Im Umkreis von etwa einem halben Lichtjahr verdampfte der Staub dabei sofort. Dahinter heizte ihn die Strahlung stark auf, sodass er schließlich hell im Infrarotbereich zu leuchten begann. Durch geometrische Effekte erreichte dieses Lichtecho erst ein Jahr nach dem Ende des Riesensterns sein Maximum. „Das Lichtecho im Infrarotbereich ist eine Schlüsselsignatur der Gezeitenkatastrophe“, sagt Simeon Reusch vom DESY. „Damit hat sich die Natur dieses aufleuchtenden Objekts verraten.“
Das Phänomen war zuerst mit der Zwicky Transient Facility beobachtet worden, die speziell nach vorübergehenden Ereignissen Ausschau hält. Astronomen hatten dann die Himmelsposition mit zahlreichen anderen Instrumenten bei verschiedenen Wellenlängen ins Visier genommen, von Radiowellen bis zur Gammastrahlung. Beobachtungen mit dem Infrarotsatelliten „WISE“ der US-Raumfahrtbehörde NASA enthüllten ein Jahr nach dem ursprünglichen Ausbruch das Lichtecho.
Am Südpol ging dem Observatorium IceCube zudem ein energiereiches Neutrino ins Netz, das von dem Ereignis stammen könnte. Damit hätte IceCube möglicherweise zum zweiten Mal ein Teilchen von einem zerrissenen Stern aufgefangen – ein Erfolg der noch jungen Disziplin der Neutrino-Astronomie. „Neutrinos liefern uns Einblicke in kosmische Objekte, die mit Licht und anderer elektromagnetischer Strahlung nicht möglich sind“, erläutert Kowalski. „Mit elektromagnetischer Strahlung schauen wir nur auf die Oberfläche eines Objekts. Neutrinos erreichen uns jedoch ungehindert aus dem Inneren.“
Insbesondere die Kombination aus Beobachtungen im Bereich der elektromagnetischen Strahlung mit Neutrinos ermöglichen neue Erkenntnisse. So zeigen die Messungen im Bereich der Radiowellen, dass es sich bei dem Phänomen um einen kosmischen Teilchenbeschleuniger handelt. Die davon unabhängige Messung des Neutrinos untermauert diese Beobachtung und deutet auf einen Beschleuniger von Atomkernen, nicht der sehr viel leichteren Elektronen. Genaueren Aufschluss sollen weitere Analysen der Messdaten von IceCube bringen.
DESY / RK
Weitere Infos
- Originalveröffentlichung
S. Reusch et al.: Candidate Tidal Disruption Event AT2019fdr Coincident with a High-Energy Neutrino, Phys. Rev. Lett. 128, 221101 (2022); 10.1103/PhysRevLett.128.221101 - Astroteilchenphysik, Deutsches Elektronen-Synchrotron, Hamburg
- Zwicky Transient Facility, California Institute of Technology, Pasadena, USA