Lichtgetriebene Molekülschaukel
Mit ultrakurzen Laserpulsen Atome von Molekülen in Schwingung versetzt und die Dynamik der Energieübertragung analysiert.
Trifft Licht auf Moleküle, wird es absorbiert und wieder abgegeben. Fortschritte in der Ultrakurzzeit-Laser-Technologie haben die Detailgenauigkeit bei der Untersuchung solcher Licht-Materie-Wechselwirkungen stetig verbessert. FRS, eine Laserspektroskopie-Methode bei der das elektrische Feld von immer gleichen, sich Millionen Male pro Sekunde wiederholenden Laserpulsen nach dem Durchgang durch die Probe zeitaufgelöst aufgenommen wird, ermöglicht jetzt noch tiefere Einblicke: Ein Forschungsteam unter der Leitung von Regina de Vivie-Riedle und Ioachim Pupeza von der Uni München zeigt jetzt erstmals in Theorie und Experiment, wie in der zeitaufgelösten Spektroskopie die Moleküle die Energie des Lichtpulses in jedem einzelnen optischen Zyklus schrittweise absorbieren und anschließend über einen längeren Zeitraum wieder abgeben und dadurch in spektroskopisch verwertbares Licht konvertieren. Die Studie beleuchtet die Mechanismen, die diesen Energietransfer fundamental bestimmen. Außerdem wird ein detailliertes quantenchemisches Modell entwickelt und verifiziert, mit dem in Zukunft auch kleinste Abweichungen von linearem Verhalten quantitativ vorhergesagt werden können.
Wenn das elektromagnetische Wechselfeld eines kurzen Laserpulses mit den Schwingungen zwischen den Atomen des Moleküls synchronisiert ist, nehmen diese Schwingungen immer mehr Energie aus dem Lichtpuls auf, und die Schwingung verstärkt sich. Wenn die anregenden Schwingungen vorüber sind, schwingt das Molekül noch eine Weile weiter. Dabei strahlen die sich bewegenden, leicht elektrisch geladenen Atome ein Lichtfeld ab. Die Schwingungsfrequenz ist dann durch Eigenschaften des Moleküls wie atomare Massen und Bindungsstärken bestimmt, was eine Identifizierung des Moleküls ermöglicht. Forscher des Attoworld-Teams am MPI für Quantenoptik und der Uni München haben diese beiden Bestandteile des Lichtfelds – einerseits die anregenden Lichtpulse und andererseits das Nachschwingen – mit zeitaufgelöster Spektroskopie unterschieden. Untersucht haben sie dabei das Verhalten von in Wasser gelösten organischen Molekülen.
„Während etablierte Laserspektroskopie-Methoden meist nur das Spektrum messen und damit keine Information über die zeitliche Verteilung der Energie zulassen, kann unsere Methode genau verfolgen, wie das Molekül bei jeder weiteren Schwingung des Lichtfelds ein wenig mehr Energie aufnimmt“, sagt Pupeza, der das Experiment leitete. Dass die Messmethode diese zeitliche Unterscheidung zulässt, wird am besten dadurch deutlich, dass das Team das Experiment wiederholt, und dabei die Dauer des anregenden Pulses geändert hat, ohne aber dessen Spektrum zu ändern. Für den dynamischen Energietransfer zwischen Licht und schwingendem Molekül macht das einen großen Unterschied: Abhängig von der zeitlichen Struktur des Laserpulses kann das Molekül dann während der Anregung mehrmals Energie aufnehmen und abgeben.
Um genau zu verstehen, welche Beiträge für den Energietransfer ausschlaggebend sind, haben die Forscher auf einem Supercomputer ein quantenchemisches Modell entwickelt. Dieses kann die Ergebnisse der Messungen ohne Zuhilfenahme von Messwerten erklären. „Das erlaubt uns, einzelne Effekte wie die Stöße der schwingenden Moleküle mit ihrer Umgebung, oder auch die dielektrischen Eigenschaften der Umgebung künstlich auszuschalten und so ihren Einfluss auf den Energietransfer aufzuklären“ erläutert Team-Mitglied Martin Peschel.
Am Ende ist die während dem Nachschwingen wieder abgestrahlte Energie ausschlaggebend dafür, wie viel Information aus einer spektroskopischen Messung gewonnen werden kann. Die Arbeit leistet somit einen wertvollen Beitrag, um die Effizienz optischer Spektroskopien, etwa in Bezug auf molekulare Zusammensetzungen von Fluiden oder Gasen, besser zu verstehen – mit dem Ziel diese immer weiter zu verbessern.
LMU / RK
Weitere Infos
- Originalveröffentlichung
M. T. Peschel et al.: Sub-optical-cycle light-matter energy transfer in molecular vibrational spectroscopy, Nat. Commun 13, 5897 ( 2022); DOI: 10.1038/s41467-022-33477-5 - Attoworld, Max-Planck-Institut für Quantenoptik, Garching
- Theoretische Femtochemie (R. de Vivie-Riedle), Ludwig-Maximilians-Universität, München